Es gibt Bücher, die verlangen einem schon Respekt ab, wenn man sie nur vor sich liegen sieht. Man weiß sofort, wie viel Gewicht sie haben, und wie viel Arbeit in sie eingeflossen ist. Solche Bücher sind mehr als ein paar Seiten bedrucktes Papier. Sie sind ein Lebenswerk, das Lebenswerk eines Enthusiasten.
Was Münzbegeisterte zu leisten vermögen
Dass Charles Froidevaux sich für die Münzen von Neuchâtel interessiert, weiß wohl jeder, der ihn irgendwann einmal im Rahmen einer Münzbörse oder einer numismatischen Tagung getroffen hat. Er ist voll von ihren Geschichten, weiß zu erzählen und versprüht dabei einen Enthusiasmus, wie ihn nur wahre Münzbegeisterte versprühen können. Dieser Enthusiasmus trägt zusammen mit 25 Jahren minutiöser Forschung das Buch, ach was Buch, es sind drei Bücher in einem Schuber (natürlich in französischer Sprache!), die gemeinsam den Titel tragen „Wirtschafts- und Geldgeschichte der westlichen Schweiz (1589 bis 1818)“.
Der Katalog der Münzen von Neuchâtel
Beginnen wir mit Band 2, der für den Münzhandel wohl die entscheidende Neuerung ist. Es handelt sich um einen Typen-Katalog der Münzen von Neuchâtel zwischen 1589 und 1818. Jeder, der unter Zeitdruck einen Auktionskatalog verfasst, wird ihn lieben. Denn die 460 Münztypen sind auf den rund 260 Seiten außerordentlich übersichtlich angeordnet und leicht zu finden. Für alle, die nicht gerne in Inhaltsverzeichnissen nachsehen (und dazu gehören die meisten Münzhändler, die ich kenne): Es gibt ein wunderbares Farbsystem, mittels dessen man spielend von einem Regenten zum nächsten springen kann. Innerhalb der Regenten sind die Münzen nach Wert sortiert, die größten Nominale zuerst. Jeder Haupttyp ist detailliert beschrieben und illustriert, Varianten werden in ihren Abweichungen genau beschrieben. Besonders nützlich – gerade für das Kleingeld – sind die beigegebenen Umzeichnungen, wenn das Foto nicht genügend Details erkennen lässt, um eine einfache Bestimmung durchzuführen. Ausführliche Standortangaben und Zitate sowie ein statistisches Durchschnittsgewicht gibt es als Draufgabe. Und natürlich endet der Katalog mit einer Konkordanz zum bisherigen Standardwerk für die Münzprägung von Neuchâtel aus dem Jahr 1939.
Die Geldgeschichte von Neuchâtel
Schon dieser Katalog wäre ein Gewinn für die Numismatik. Er wird ergänzt durch zwei weitere Bände. Der erste von ihnen trägt den Titel „Macht, Münzen und Falschgeld“ und ist die eigentliche Geldgeschichte Neuchâtels, für die natürlich die Geld- und Wirtschaftsgeschichte der gesamten umliegenden Gebiete aufgearbeitet werden musste, weswegen Charles Froidevaux sein Werk über Neuchâtel gesamthaft als „Wirtschafts- und Geldgeschichte der Westschweiz“ betitelt hat.
Es ist ein umfangreiches Werk, für das Charles Froidevaux viele Stunden in solide Quellenarbeit investierte. Seine Schwerpunkte schildert der Autor selbst in der Einleitung:
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Er beschäftigt sich mit der Koordination des deutschsprachigen und des französischsprachigen Teils der Währungszone von Bern, der die gesamten westlichen Regionen der Schweiz vom Aargau bis nach Genf abdeckte, im Jahr 1590.
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Dann geht es um den Beitritt der Grafschaft Neuchâtel zu diesem System nach dem Tod von Marie de Bourbon und der Wiedereröffnung der Münzprägestätte von Neuchâtel im Jahr 1589.
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Der Autor interessiert sich besonders für die Bedeutung der Münzsysteme, die Macht von Bern und den Einfluss der außenpolitischen Wirtschaftskrisen auf das Gebiet.
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Und wer Charles Froidevaux kennt, weiß, dass eine detaillierte Abhandlung zur Falschmünzerei nicht fehlen darf.
Das „Abfallprodukt“: Umfassende genealogische Studien
Der dritte Band enthält alles, was für die Untersuchung wichtig war, aber nicht mehr in den ersten Band passte. Er trägt den Titel „Wirtschaftliche, geldgeschichtliche und politische Quellen und die Macht der Familien“. Hier sind nicht nur die 31 Anhänge des ersten Bands untergebracht, die zu umfangreich waren, um sie in die Anmerkungen zu packen. Hier findet sich auch eine Vielzahl aufwändig recherchierter und detaillierter Genealogien, die Charles Froidevaux für seine Falschmünzer-Dynastien sowie für die Mitglieder des Rats von Neuchâtel erstellte.
All diejenigen, die sich in der französischen Sprache nicht ganz so zuhause fühlen, finden hier dankenswerter Weise eine Zusammenfassung des Buchinhalts in deutscher Sprache. Wobei es ein wenig verwundert, dass sich ausgerechnet in die Titel peinliche Rechtschreibfehler eingeschlichen haben, und das, obwohl die Übersetzung ins Deutsche sonst sehr gut gelungen ist. Die Rezensentin hegt den Verdacht, dass dies bewusst geschah, damit die Rezensenten dieses Werks zumindest etwas Negatives schreiben dürfen.
Rund 10 Seiten Bibliographie und ein Namensregister sowie ein detailliertes Inhaltsverzeichnis aller drei Bände beschließen das Buch.
Es ist immer ein besonderes Erlebnis, ein Buch (resp. drei Bücher) in der Hand zu halten, das von einem Sammler geschaffen wurde, der sich allein durch seine Leidenschaft zum besten Kenner der Materie entwickelte. Und wir sind dankbar, dass Charles Froidevaux seine Erkenntnisse nicht wie viele andere Sammler aus falscher Scheu, was die etablierten Wissenschaftler dazu sagen mögen, für sich behalten hat. An diesem Buch kommt niemand vorbei, der sich mit der Schweizer Numismatik der frühen Neuzeit beschäftigt.
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