Die Badische Museumsrevolution

Mit Virtual-Reality-Brillen kann der Besucher in Karlsruhe den Blickwinkel eines Merowingers einnehmen. Foto: Marcus Sies.
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Prof. Dr. Eckart Köhne spricht von der „Badischen Museumsrevolution“. Die neue Sammlungsausstellung „Archäologie in Baden“, eröffnet am 13. Juli 2019 im Badischen Landesmuseum / Karlsruhe, geht neue Wege der Vermittlung: Der Museumsbesucher wird zum aktiven Nutzer der Sammlung. „Ziel ist es, einen ganz neuen, intensiven Zugang zu den Sammlungen zu ermöglichen“, sagt Museumsdirektor Eckart Köhne.

Je nach Interesse erschließt sich der Nutzer die Museumsbestände – interaktiv, multimedial und in direktem Kontakt mit dem Exponat. Er stellt seine eigene Objektauswahl digital zusammen. Über einen Nutzerausweis, der die Eintrittskarte ersetzt, bleibt der Wissensschatz jederzeit abruf- und erweiterbar.

„Archäologie in Baden“ ist das Pilotprojekt zum neuen Museumskonzept. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit der HTWG Konstanz, Fachbereich Architektur und Gestaltung, unter Leitung von Prof. Eberhard Schlag und der Universität Konstanz, Fachbereich Informatik und Informationswissenschaft, unter Leitung von Prof. Dr. Harald Reiterer. Die Umsetzung der Ausstellungsgestaltung lag bei ATELIER BRÜCKNER. „Durch die Verknüpfung der analogen Objektpräsentation mit der digitalen Vermittlungsebene ist es möglich, die Vielzahl an Objekten in der Expothek zu zeigen und inhaltlich zugänglich zu machen“, sagt Prof. Eberhard Schlag, Partner ATELIER BRÜCKNER.

Die „Meilensteine Badens“ bieten einen Überblick über die archäologischen Epochen. Foto: Marcus Sies.

Zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten

600 Quadratmeter Ausstellungsfläche bieten drei Raumbilder mit unterschiedlichen Möglichkeiten der Interaktion: Der dunkel gehaltene Raum „Meilensteine Badens“ dient als Einführung. Die Fundorte der archäologischen Museumsbestände leuchten als quadratische Lichtpunkte auf einer Bodenkarte der Region Baden. 13 Highlights ragen heraus und sind prominent im Raum platziert, unter ihnen der Heidelberger Kopf, Fragment einer keltischen Grabstele aus dem 5. Jahrhundert v. Chr., und die älteste Mariendarstellung nördlich der Alpen: eine thronende Muttergottes auf einer merowingischen Zierscheibe. Informationen zu den Objekten erhalten die Besucher, indem sie die Vitrinen mit ihrem Nutzerausweis aktivieren. Das integrierte Display zeigt die Objektebeschreibung und gibt weitere Hinweise, beispielsweise zur Rekonstruktion oder zur ursprünglichen Verwendung: Die silberne Zierscheibe schmückte um 600 n. Chr. ein Pferd.

Die „Meilensteine Badens“ führen zurück in die Steinzeit. Foto: Marcus Sies.

Ein Überblick über die archäologischen Epochen

Die „Meilensteine Badens“ bieten einen Überblick über die archäologischen Epochen. Der Besucher fühlt sich eingebunden: Eine „Welcome Wall“ begrüßt ihn in der vorab gewählten Sprache (Deutsch oder Englisch) und zeigt seinen Wohnort an. Die dunklen, vertikalen Leisten, die den Raum einfassen, machen einen Zeitstrahl auf. Sie beginnen mit dem „Ich“ von heute und gehen zurück bis in die Steinzeit. Jede der 2000 Leisten steht für eine Generation (20 Jahre). Einzelne Leisten sind herausgezogen und mit Epochennamen bezeichnet. Sie korrespondieren mit den ausgestellten archäologischen Objekten.

Eine Vitrinenwand trennt die „Meilensteine Badens“ vom Nachbarraum. Sie präsentiert weitere Funde, gleichsam schwebend montiert, nach ihrem Fundkontext. Je nach Auswahl des Besuchers leuchten Einzel-, Siedlungs-, Grab- oder Hortfunde auf. Hörstationen erklären den Unterschied und die Spezifika.

Die Expothek ist das Herzstück des neuen Konzeptes. Foto: Marcus Sies.
In der Expothek wird man von digitalen Lehrern begleitet. Foto: Marcus Sies.

Zurück in die Zukunft

Der mittlere Raum, die Expothek, ist das Herzstück des neuen Konzeptes. Hier kann sich der Besucher ausgewählte, vorab bestellte Objekte vorlegen lassen. Ein Wissenschaftler, der „Explainer“, erläutert den historischen Zusammenhang, während er dem Besucher das Objekt in die Hand legt. Die Aura, das Gewicht, die Oberflächenstruktur und Gebrauchsspuren sind beeindruckend. In einem weiteren Schritt lassen sich die Objekte mit einem 3D-Scanner erfassen, womit zugleich das digitale Archiv des Museums erweitert wird.

Die Längswände des hellen Raumes, der einem Forscherlabor gleicht, sind als Schaudepots gestaltet. Regale und Schubladen bergen rund 1400 Objekte, geordnet nach Epochen: Steinzeit, Bronzezeit sowie Eisenzeit und Römische Zeit & Frühgeschichte. Mit einem ExpoPhone, das der Explainer ausgibt, lassen sich die Bestände spielerisch-virtuell erkunden. Informationen zu den Objekten werden am ExpoPhone als Augmented Reality eingeblendet. Drei große Medientische in der Raummitte erschließen ebenfalls die Sammlung. Hier kann der Besucher beispielsweise gezielt nach Fundorten recherchieren, Quizfragen lösen und sich hochaufgelöste Abbildungen der Exponate ansehen.

Das ExpoLab lädt zum Experimentieren ein. Foto: Marcus Sies.

Einmal in die Welt eines Merowingers eintauchen

Das ExpoLab schließlich, ein dunkel gehaltener Raum in dem aktuell drei Funde präsentiert sind, lädt zum Experimentieren ein. Virtual-Reality-Brillen entführen in vergangene Zeiten und machen die ausgestellten Exponate in ihrem ursprünglichen Kontext erlebbar. Ein Grabfund aus der 1. Hälfte des 7. Jahrhunderts ist beispielsweise Anlass, in die Welt eines Merowingers einzutauchen: Der Besucher befindet sich in einer digitalen Landschaft. Über seine Blickführung aktiviert er die Sprachauswahl, einzelne Objektbeschreibungen und die Perspektive, aus der er auf das Geschehen blickt. Zunächst befindet er sich in einem Wald. Er steht zwischen dem Krieger und einem Bogenschützen, der aus dem Hinterhalt angreift. Die nächste Szene zeigt den verstorbenen Mann in seinem Grab aus der Vogelperspektive. Über Monitore an der Wand lässt sich verfolgen, was der Besucher gerade erlebt.

 

Mehr Informationen zu der Ausstellung finden Sie auf den Webseiten des Badischen Landesmuseums und des Ateliers Brückner.

Die MünzenWoche sprach mit Prof. Eberhard Schlag vom Atelier Brückner darüber, wie Szenografie in der Numismatik zum Einsatz kommen kann.