von Alessandro Cattaneo und Michele Asolati
übersetzt von Björn Schöpe
23. November 2017 – Während des Bürgerkrieges in Libyen 2011 war eines der tragischsten Ereignisse für das Kulturgut des Landes der Raub des sogenannten Schatzes von Bengasi. Diese große Sammlung wertvoller Münzen, Statuen und Schmuckobjekte wurde im Mai 2011 aus dem Tresorraum der Commercial Bank in Bengasi gestohlen.
Er bestand aus einer Gruppe von Altertümern, die nach dem Ersten Weltkrieg in Kyrenaika ausgegraben worden waren, insbesondere: Objekte des „Schatzes aus dem Artemision von Kyrene“, den man 1917 gefunden hatte und der eine Anzahl von Goldobjekten umfasste, die in das 5. und 6. Jh. v. Chr. datieren; Material, das aus dem „Palast der Kolonnaden“ in Ptolemais zwischen 1937 und 1942 ergraben wurde; die numismatische Sammlung Angelo Meliu mit rund 4.000 Münzen.
Zwar meldeten erste Medienberichte, dass ein Teil der Münzen in Ägypten wieder aufgetaucht war. Aber leider sind wir sicher, dass weitere nicht nur auf dem Schwarzmarkt in Libyen, sondern auch in mehreren wichtigen internationalen Auktionen angeboten wurden.
Kyrene. Stater, Magistrat: Polianthes, 322-313 v. Chr. (AV, 19 mm, 8,65 g, 11 h). Naville 1951, Nr. 99.
Das jüngste Beispiel fanden wir in Auktion 1 der neuen Leu Numismatik im Oktober 2017: Unter einer Gruppe von zehn Münzen, einem Teil der „Sammlung Kyrenaika“, befand sich auch ein Goldstater (Los 113), ohne jeden Zweifel aus dem gestohlenen „Schatz von Bengasi“.
Titelseite der Monografie von G. Pesce (li.); Tafel mit während der Ausgrabung gefundenen Goldmünzen (re.).
Detail der Tafel mit dem kyrenischen Stater.
Diese Münze wurde während der Ausgrabungen im „Palast der Kolonnaden“ in Ptolemais gefunden und von G. Pesce in seiner Monografie „Il Palazzo delle Colonne in Tolemaide di Cirenaica“ 1950 publiziert. Die Abbildung wurde später erneut veröffentlicht in einem Artikel von S. Ensoli aus dem Jahr 2012 („Il ,Tesoro archeologico della Libia‘, oggi denominato ,Tesoro di Bengasi‘, e l’attività svolta nel 2011-2012 dalla MAIC per il suo recupero in collaborazione con il DoA di Tripoli, Bengasi e Cirene, con il Comando Carabinieri Tutela del Patrimonio Culturale (Roma) e Interpol“) sowie in einem Artikel von M. Luni von 2014 („I ,tesori‘ di Barce e Bengasi“).
Münzen aus dem „Schatz von Bengasi“. Links ihre Fotos aus Publikationen von Grabungen in Kyrenaika; rechts dieselben Stücke in verschiedenen Auktionskatalogen: a) Meliu 1935, Taf. I, Nr. 7 / Roma Numismatics Ltd, E-Sale 21 (31. Oktober 2015), Losnr. 510. b) Meliu 1938, S. 49 / CNG, Electronic Auction 308 (7. August 2013), Losnr. 208. c) Pesce 1950, Abb. 122 / Hess-Divo AG, Auktion 327 (22. Oktober 2014), Losnr. 121. d) Pesce 1950, Abb. 122 / Hess-Divo AG, Auktion 326 (28. Mai 2014), Losnr. 103.
Außerdem ist der Stater verzeichnet in der Datenbank der Carabinieri von gestohlenem Kulturgut (Nummer 103584[297]).
Dies ist nur das jüngste Beispiel, aber bei einer kurzen Recherche in Auktionen der letzten fünf Jahre fanden wir mindestens vier weitere Stücke, die in den Handel gelangt sind.
Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass Libyens Kulturgut auf der roten Liste der ICOM steht, die unterschiedliche Objektarten verzeichnet, die höchstwahrscheinlich geplündert, gestohlen oder illegal gehandelt wurden. Der International Council of Museum fordert Museen, Auktionshäuser, Kunsthändler und Sammler auf, solche Objekte nicht anzukaufen oder weiterzuverkaufen, ohne die Provenienzdokumentation gründlich geprüft zu haben.
Glücklicherweise konnten wir dieses Mal noch vor der Auktion auf die Umstände hinweisen. Ein großes Lob geht an Leu Numismatik. Nach unserem Hinweis hat das Auktionshaus die Münze umgehend aus der Auktion zurückgezogen.
Nun können wir nur hoffen, dass das Stück den Behörden übergeben wird und eine vorübergehende sichere Aufbewahrung findet, bis die Situation in Libyen es erlaubt, das gestohlene Material wieder in sein Herkunftsland zurückzubringen.
Über den Raub des Schatzes von Bengasi berichteten wir auch in der MünzenWoche.
Weitere Informationen boten die englischsprachigen Seiten von Trafficking Culture und CNN.