von Katharina Depner
19. Juli 2018 – „Nun kommt der Knallprotz vom ganzen Land: Billionenschein hat er sich prahlend genannt.“ So heißt es auf einem 1 Billion Mark Schein der Stadt Bamberg von 1923. Dieser Notgeldschein führt in die Zeit der Inflation und Wirtschaftskrise, die 1923 im Zusammenbruch des Geldwesens endete.
Die virtuelle Ausstellung „Nun kommt der Knallprotz vom ganzen Land – Notgeld in Bayern 1914-1923“ widmet sich diesem Thema. Anhand ausgewählter Objekte werden Verlauf und Wirkung der Inflation in Deutschland zwischen 1914 und 1923 dargestellt. Der Fokus liegt dabei auf Funktion, Verbreitung und Gestaltung des Notgelds.
Ein 1-Billion-Mark-Schein der Stadt Bamberg aus dem Jahre 1923.
Funktion und Emission von Notgeld
Die Kriegswirtschaft des Ersten Weltkrieges mit einem hohen Bedarf an Metallen und die Inflation führt zwischen 1914 und 1923 zu einem Bargeldmangel. Die Zahlungsmittel in Form von Münzen und Banknoten, ausgegeben durch die Reichsbank, sind nicht mehr in der benötigten Menge vorhanden. Um dennoch den täglichen Zahlungsverkehr aufrecht zu erhalten, wird Notgeld als Ersatzzahlungsmittel ausgegeben. So können Löhne, Mieten oder Einkäufe trotzdem bezahlt werden.
In Bayern geben hauptsächlich drei Gruppen Notgeld aus: Behörden, Banken und Unternehmen. Die Notgeldscheine sind dabei nur innerhalb eines bestimmten Gebietes und für eine gewisse zeitliche Frist gültig. Sobald der Mangel an Zahlungsmitteln behoben ist, ruft die ausgebende Stelle das vorhandene Notgeld zur Einlösung auf. Das Notgeld wird bei Vorlage gegen Münzen oder Reichsbanknoten umgetauscht und verliert seinen Wert.
Ein von der Stadt Füssen 1923 ausgegebener 1-Million-Mark-Schein.
Herstellung von Notgeld
Die Herstellung ist so vielfältig wie das Notgeld selbst. Die Druckereien stammen meist aus der Region des Emittenten. Einige Druckereien stellen Notgeldscheine auch überregional her, sie sind meist identisch gestaltet und unterscheiden sich nur durch formale Angaben, wie etwa die Angabe des Emittenten.
Gestaltung und Material hängen vom jeweiligen Herausgeber ab. Grundsätzlich wird kein spezielles Banknoten- oder Sicherheitspapier eingesetzt. Als Material dienten vor allem Papier oder Karton. Behörden lassen häufig gesondert Notgeld herstellen, während Banken schon vorhandene Scheckformulare nutzen. Unternehmen verwenden auch leere Rückseiten ihrer Geschäftspapiere für die Ausgabe von Notgeld.
Unter den Gestaltern für Notgeld nimmt der Bildhauer und Grafiker Heinz Schiestl (1867-1940) eine wichtige Rolle ein. In Zusammenarbeit mit der Druckerei Schwarz in Lindenberg im Allgäu werden für 57 Orte in ganz Deutschland Notgeldscheine gestaltet und hergestellt. Schiestl setzt sich für jede Serie intensiv mit der jeweiligen Ortsgeschichte und lokalen Besonderheiten auseinander und greift sie für die Gestaltung auf. Im Fall von Deggendorf wählt er für das Motiv die Sage der Deggendorfer Knödel: Eine Deggendorferin habe, während einer Belagerung der Stadt durch Ottokar von Böhmen im 13. Jahrhundert, mit einem als Proviant für ihren Mann bestimmten Knödel einen böhmischen Spion durch einen gezielten Wurf in die Flucht geschlagen und so die Stadt gerettet.
Ein 25-Pfennig-Schein aus Deggendorf herausgegeben kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges.
Motive auf Notgeld
Dirndl und Dampfer – Motive der Kultur und Wirtschaft einer Region sind häufig auf Notgeldscheinen zu sehen. Ob historische Ereignisse, bedeutende Persönlichkeiten oder lokale Dialekte – sie alle werden auf Notgeldscheinen abgebildet. Auch die Folgen des Krieges und der Inflation werden gezeigt und in Form von Gedichten auch kritisch betrachtet. Wappen und Stadtansichten als den Bürgern vertraute Motive sind zudem ein wichtiger Faktor für die Akzeptanz des Notgeldes als Zahlungsmittel.
Ein farbenfroher 1-Mark-Schein aus Berchtesgaden 1920.
Die Ausstellung ist ein Projekt der HVB Stiftung Geldscheinsammlung München und wird auf „bavarikon“, dem Portal zu Kunst, Kultur und Landeskunde des Freistaats Bayern, präsentiert. Es werden ausgewählte Bestände mit den Schwerpunkten „Bayerns Papiergeld“ und „Seltene Geldscheine aus aller Welt“ präsentiert.
Die virtuelle Ausstellung „Nun kommt der Knallprotz vom ganzen Land – Notgeld in Bayern 1914-1923“ finden Sie auf der Seite von bavarikon.
Zur Präsentation der HVB Stiftung Geldscheinsammlung bei bavarikon gelangen Sie hier.
Die häufig kunstvoll gestalteten Notgeldscheine der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg faszinieren Sammler und Händler schon seit vielen Jahrzehnten. Gerhard Wegener veröffentlichte 2015 eine vollständige Übersicht aller Notgeldscheine der Provinz Westfalen. Niklot Klüßendorf folge 2016 mit einem Buch über das Notgeld der Stadt Melsungen, das beispielhaft für Hunderte andere deutsche Städte die oft sehr bittere Situation der Bevölkerung eindrücklich nachzeichnet.