Stellungnahme zum Referentenentwurf Kulturgutschutzrecht

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von Joachim Walser

Der auf Kulturgutschutzrecht spezialisierte Rechtsanwalt Joachim Walser aus München gibt uns hier eine juristische Einschätzung der aktuellen Version der Kulturgutschutznovelle.

Joachim Walser. Mediator DA (Deutsche Anwaltsakademie), Rechtsanwalt seit 1986, Aufsichtsrat a.D., Sprecher eines Wirtschaftsausschusses a.D., Prokurist a.D., Vorstand einer Unternehmervereinigung, ausgebildeter Mediator.

A. Unbelehrbarkeit der Verfasser
Auch im neuen Referentenentwurf wird zur Begründung angeführt, dass die Terrorfinanzierung durch den illegalen Handel mit Kulturgütern unterbunden werden soll; ohne dies verifizieren zu können. Es wird also weiter mit falschen Prämissen gearbeitet.

Bei der „Mündlichen Anhörung von Fachkreisen und Verbänden“ am 22. April 2015 äußerte Ministerialdirigent Dr. Winands, dass er das „beste Gesetz“ machen wolle. Der Römer Marcus Tullius Cicero würde hier fragen: „Cui bono?“ Die Beantwortung dieser Frage lassen Entwurf, Gesetz und Begründung unbeantwortet. 

Deutlich hingegen die Aussagen unter B. 2. zur Abschaffung des Listenprinzips und zum Eingriff in bewährte Rechts- / Beweisgrundsätze nach BGB, ZPO, Grundgesetz und bisheriges Kulturgüterrückgabegesetz. 

Wohingegen das „Cui bono?“ eine Frage politischer Wertvorstellungen ist, handelt es sich bei den beabsichtigten grundlegenden Rechtsänderungen um Fragen der Änderung der durch diese Novellierung direkt und indirekt betroffenen „Nachbargesetze“ und des Grundgesetzes und diese sind nicht so disponibel wie die Änderungen politischer Wertvorstellungen selbst. Dies betrifft auch die grundsätzliche Frage der Organisation unseres Staates in Länderkompetenzen, die durch die Bundeszentralisierung der Kultur hier ausgehebelt wird. Diese Rechtsfragen sind – leider – in der „Mündlichen Anhörung von Fachkreisen und Verbänden“ vom 22. April 2015 praktisch vollständig ausgeblendet worden. 

Aktuell hat in einem von uns erstrittenen Urteil vom 16.07.2015, unter dem Az. M 10 K 14.1401, das Bayerische Verwaltungsgericht München festgestellt:

„Würde schon eine abstrakt – generelle Regelung, wie hier das slowenische Gesetz zum Schutz des kulturellen Erbes (CHPA), für die Einstufung als Kulturgut als ausreichend angesehen werden, wären letztlich alle archäologischen Gegenstände und nationalen Kulturgüter, die sich in Grund und Boden des betreffenden Mitgliedsstaates befinden, ohne weiteres von der Regelung des § 6 I KultGRückG erfasst. Eine Verzeichnung wäre schon vom Wortlaut her überflüssig. 
Für die Notwendigkeit der Verzeichnung des konkreten Gegenstandes durch den ersuchenden Mitgliedsstaat spricht auch die Warenverkehrsfreiheit, die in den Artikel 28 ff des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – geregelt ist. Die Richtlinien 93/7/EWG und 2014/60/EU greifen mit Ihren Beschränkungen des Handels mit nationalen Kulturgütern in die Warenverkehrsfreiheit ein. Dabei ist auch das Interesse des Kunsthandels an Rechtssicherheit zu berücksichtigen, der im Einzelfall prüfen muss, ob ein für den Erwerb vorgesehenes Objekt möglicherweise nationales Kulturgut ist, welches nicht ohne die erforderliche Genehmigung gehandelt werden darf. 
Eine abstrakte Rechtslage wie in Slowenien wird dieser Anforderung nicht gerecht, da Sie für den Einzelfall – hier die Münze – keine nachvollziehbare Aussage trifft (siehe zu dieser Problematik allgemein und der Rechtslage in Italien auch VG Berlin, Urteil vom 09.12.2010 – 1 A 199.08-juris-RN. 40.“

Damit entspricht also nur eine auf einer Individualisierbarkeit nach Listenprinzip stattfindende Umsetzung der Richtlinie 2014/60/EU vom 15. Mai 2014 den zwingenden Vorgaben der Handelsfreiheit, die in den Artikeln 28 ff AEUV, insbesondere Artikel 36 Satz 2 AEUV mit dem Verbot verschleierter Handelsbeschränkungen, garantiert sind.

Der Verwaltungsaufwand und der Aufwand für den betroffenen Bürger sowie die betroffenen Handelshäuser wird praktisch mit Null definiert, was jedenfalls für das Handeln und Sammeln von Münzen und Antiken nicht zutreffen wird.

B. Zum neuen Gesetzesentwurf

I. Begriffe

1.

Beim „archäologischen“ Kulturgut wird nun eine neue Definition verwendet. Es sind nun nicht mehr nur Gegenstände, sondern es muss immerhin Kulturgut sein. Andererseits nicht nur solches, das ausgegraben worden ist, sondern auch solches, das gefunden worden ist; wobei für beides die Vermutung reicht. 

2.

Bei dem für Sammler und Händler so wichtigen Begriff des „in Verkehr Bringens“ von Kulturgut (§ 2 Abs. 1 Ziff. 8 neu) hat sich eine wesentliche Verschärfung ergeben. Dazu zählt nun zwar nicht mehr das Vorrätighalten zum Zwecke des Weiterverkaufs; dafür aber nun auch die unentgeltliche Weiter- oder Abgabe, was vor allem den Sammler trifft.

3. 

Auch bei der Definition von Kulturgut hat sich insbesondere für die Sammler und Händler von Münzen eine wesentliche Verschärfung ergeben. Neben dem archäologischen Wert reicht nun auch der rein numismatische Wert. Damit wird die Entscheidung des Bundesfinanzhofes (Urteil vom 11.12.2012, Az. VII R 33,34/11) ausgehebelt. Dort wurde entschieden:

„Ob Gegenstände im Sinne vorgenannter Vorschriften archäologische Gegenstände sind, lässt sich indes, anders als das FG offenbar meint, nicht allein anhand ihres Alters und ihrer Herkunft aus Funden oder Grabungen beurteilen. Ein archäologischer Gegenstand ist vielmehr nur ein solcher, der einen Wert für die Archäologie hat, also ein von Menschenhand geschaffener oder bearbeiteter Gegenstand, der Erkenntnisse über vergangene Kultur zu vermitteln vermag, insbesondere etwa über deren Gebräuche, den damaligen technischen und künstlerischen Entwicklungsstand, politische und gesellschaftliche Strukturen, die Religion und dergleichen mehr. Gegenstände, die anderweitig gewonnene Erkenntnisse über vergangene Kulturen allenfalls illustrieren und deshalb für die Archäologie keine Bedeutung haben, sind keine archäologischen Gegenstände oder Funde im Sinne des Anhanges I VO Nr. 116/2009 EG. Dem entsprechen die Erläuterung zum Harmonisierten System betreffend die Position 9705, auf welche der vorgenannte Anhang Bezug nimmt, und die ebenfalls auf das archäologische Interesse abstellen, welches sie unter anderem zum Studium früherer Generationen geeigneten Gegenstände beimessen, bei deren beispielhafter Aufzählung sie übrigens Münzen und Medaillen nicht erwähnen. Dem entspricht es ferner, dass Gegenstände, die für die Archäologie keinen (Erkenntnis-)Wert haben, nicht von einem Mitgliedsstaat aufgrund eines archäologischen Interesses unter Schutz gestellt werden können. Die VO Nr. 116/2009 soll aber, wie ausgeführt, nur der Durchsetzung solcher Schutzmaßnahmen eines Mitgliedsstaates dienen, nämlich sicherstellen, dass diese an den Außengrenzen der Union beachtet und eine mit ihnen nicht vereinbare Ausfuhr als nationale Kulturgüter schutzbedürftiger Gegenstände verhindert wird… Mit Recht macht der Kläger indes sinngemäß geltend, dass Münzen, die aus der sogenannten Antike stammen, in der Regel keinen solchen archäologischen Wert haben und deshalb keine archäologischen Gegenstände sind, insbesondere, wenn es sie in großer Anzahl gibt und sie – worauf das Badische Landesmuseum in seiner vom HZA in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Stellungnahme hingewiesen hat – nicht (mehr) einem bestimmten Fundort zugeordnet werden können.“

Nunmehr sind Münzen auch ohne deren Bedeutung als „archäologischer Gegenstand“ geschützt.

4.

Offen ist die Bedeutung der Regelung in § 2 Abs. 2 Ziff. 1 neu, die allerdings auch schon im alten Entwurf enthalten war. Demnach ist keine Ein- und Ausfuhr im Sinne des neuen Gesetzes eine „strafprozessuale“ Herausgabe (§ 66 IRG). Denkbar ist, dass der bisher einengenden Auslegung dieser Strafrechtsvorschrift durch hiesige Gerichte und Staatsanwaltschaften in Anlehnung an die öffentlich-rechtlichen Grundprinzipien des bisherigen Kulturgüterrückgabegesetzes „begegnet“ werden soll und damit Strafanzeigen und strafprozessuale Herausgabeverlangen erleichtert werden sollen. Dies würde zu einer neuen Welle von „Strafanträgen“ ausländischer Staaten über das Bundesamt der Justiz führen, die die Sammler und Händler der betroffenen Stücke nicht nur deren Besitzes und letztlich damit auch Eigentums berauben, sondern auch noch strafrechtliche Verfahren nach sich ziehen; gegen die dann ihrerseits wieder vorgegangen werden muss.

5.

Unseren Bedenken zur Kulturhoheit der Länder wurde nun, rudimentär, offenbar dadurch Rechnung getragen, dass der alte § 4 „Veröffentlichung im Internet, Verordnungsermächtigung“ entfernt wurde, in dem der Bund den Ländern Vorschriften zu Veröffentlichungen machen wollte.

6. 

Wohl auch aufgrund dessen wurde nun der § 4 neu „Internetportal zum Kulturgutschutz“ wesentlich „eingedampft“. Es wird keine eigene Rechtsverordnung erlassen, es wird lediglich festgelegt, dass die Öffentlichkeit unterrichtet und Transparenz hergestellt wird. Kein Wort davon, was für die Händler und Sammler so wichtig wäre, ob alle Gesetze aller EU- / UNESCO-Staaten hier in deutscher und kommentierter Ausführung mit einem entsprechenden Suchregister einschließlich einer „Interpol-Datei“ und eines „Artloss-Registers“ sowie einschließlich vorhandener Kulturgutverzeichnisse eingestellt werden. 

7. 

Offenbar wegen der Rückholung ihrer Leihgaben durch die Künstler Baselitz und Richter wurde nun im neuen § 6 „Nationales Kulturgut“ ein Absatz 2 aufgenommen, wonach bei Leihgebern ein Kulturgut nur dann nationales Kulturgut wird, wenn der Leihgeber dem jederzeit widerruflich zustimmt.

Weiterhin wurde den Bedenken der Galeristen und Kunstauktionare nun offenbar mit dem neuen § 7 Abs. 1 Ziff. 1 Rechnung getragen, wonach ein national wertvolles Kulturgut nur dann vorliegt und einzutragen ist, wenn dieses identitätsstiftend für die Kultur Deutschlands ist und sein Verbleib im Bundesgebiet im herausragenden kulturellen öffentlichen Interesse liegt. Werke lebender Urheber oder Hersteller dürfen nur mit deren Zustimmung eingetragen werden.

II. Ausfuhr

1. 

Die Ausfuhr von Kulturgut, also auch Antiken und Münzen, ist im Neuentwurf nicht unwesentlich erschwert worden. 

Im Gegensatz zur vorhergehenden Fassung ist vom Ausfuhrverbot nun auch erfasst, was unrechtmäßig eingeführt worden ist (§ 21 Ziff. 3 neu). In der vorhergehenden Fassung war vom Einfuhrverbot ausgenommen Kulturgut, das sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes im Bundesgebiet befand (alter § 29 Ziff. 1). In dem Neuentwurf ist das Einfuhrverbot nun nur nicht anzuwenden auf Kulturgut, das sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes nachweislich rechtmäßig im Bundesgebiet befand (neuer § 29 Ziff. 1). Der Schutz für bereits im Inland befindliche Münzen und Antiken ist damit, offenbar der Intention von Dr. Müller-Karpe folgend, wesentlich eingeschränkt worden. Der Sammler und Händler hat nun nachzuweisen, dass sich die Münze oder Antike zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits rechtmäßig im Bundesgebiet befand. 

2.

Wie bisher ist genehmigungspflichtig die dauerhafte Ausfuhr von nationalem Kulturgut. Dabei sind in der Neufassung die Voraussetzungen für die Versagung der Genehmigung deutlich verschärft worden. Es reicht nun, wenn die Belange des deutschen Kulturgutbesitzes überwiegen (§ 23 Abs. 2 neu). Nach dem alten Entwurf (§ 24 Abs. 1 S.1 alt) mussten diese noch wesentlich überwiegen. 

Nach unserer Auffassung nach wie vor gegen das Föderalitätsprinzip verstoßend ist auch in der neuen Fassung zuständig die oberste Bundesbehörde.

Neu aufgenommen ist das Recht von Eigentümern NS-entzogenen Kulturgutes, dessen Ausfuhr zu verlangen. Hier wurde also hinsichtlich der NS-beschlagnahmten Kulturgegenstände zugunsten deren Opfer „nachgebessert“. 

Im Gegensatz zur „NS-Kunst“, wo der Gesetzgeber nun eine tatsächlich verbesserte Stellung der Opfer gewährt, wird den Händlern und Sammlern von Kulturgut nur ein „Scheinrecht“ gewährt. Bei der Erteilung der Genehmigung durch die Bundesbehörde hat diese die Landesbehörde zu hören und Sachverständige. Bei der Anhörung der Sachverständigen ist sicherzustellen, dass die Interessen der privaten Sammlerinnen und Sammler und des Handels berücksichtigt werden. Dies ist eine reine „Nullnummer“.

Für die Ausfuhr gelten nun folgende Grenzen

In einen Drittstaat:
Archäologische Gegenstände: Ab 0,00 Euro / mehr als 100 Jahre alt
Münzen: 50.000,00 Euro / null Jahre alt // Sammlungen (Anhang I A. 1., 13. b, B zu Verordnung (EG) Nr. 116/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Ausfuhr von Kulturgütern in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Ziff. 1 neu.

Binnenmarkt:
Archäologische Gegenstände: 0,00 Euro Wert / mehr als 100 Jahre alt
Münzen: 100.000,00 Euro Wert / null Jahre alt / Sammlungen (bezeichnete EG-Verordnung i. V. m. § 24 Abs. 1 Ziff. 2 und Abs. 2 neu).

Offen bleibt dabei, ob die Definition der Sammlungen in der EG-Verordnung nun durch die neue Regelung im Referentenentwurf aufgehoben ist, wonach auch einzelne Münzen geschützt sind. Sollte hier der Schutz einzelner Münzen im Neuentwurf zwingend sein, wäre die EG-Verordnung auch nicht durch Verweisung anwendbar, da diese bei Münzen nicht von Einzelstücken, sondern nur von Sammlungen spricht. Dann wären Münzen immer ausfuhrgenehmigungspflichtig ab 0,00 Euro Wert und ab null Jahre Alter. Jedenfalls, wenn der neue § 24 Abs. 1 Satz 1 so interpretiert werden müsste, wonach genehmigungspflichtig über die §§ 22 und 23 hinaus (also vorübergehende und dauerhafte Ausfuhr von nationalem Kulturgut) auch die Ausfuhr des in der Verordnung EG Nr. 116/2009 bezeichneten Kulturgutes sein soll auch ohne Qualifizierung als „national bedeutsam“ (§ 24 Abs. 1 Satz 1 neu i. V. m. Artikel 1 Verordnung (EG) Nr. 116/2009). Allerdings enthält diese Verordnung wiederum, in der Originalübersetzung, folgenden Passus:

„Unbeschadet des Absatzes 4 darf jedoch der nach den beiden Gedankenstrichen des Unterabsatzes 1 zuständige Mitgliedsstaat keine Ausfuhrgenehmigungen für die im Anhang der unter dem ersten und zweiten Gedankenstrich der Kategorie A. 1. aufgeführten Kulturgüter verlangen, wenn diese von archäologisch oder wissenschaftlich beschränktem Wert sind, vorausgesetzt, dass sie nicht unmittelbar aus Grabungen, archäologischen Funden und archäologischen Stätten in einem Mitgliedsstaat stammen und dass der Handel mit ihnen rechtmäßig ist.“ 

Daraus könnte nun gefolgert werden, dass das neue Gesetz auf Münzen und manche Antiken nicht anwendbar ist.

Das Gesetz ist in sich nicht stimmig und nicht nachvollziehbar. Die taktische Frage ist, ob dies im Anhörungsverfahren ausgespielt oder, falls das Gesetz nicht verhindert werden kann, als Trumpf für spätere Gerichtsverfahren „aufgehoben“ wird.

2.

Jedenfalls sind beispielsweise die Galeristen nun im neuen Gesetzesentwurf mit der Anhebung der Mindestuntergrenze auf 300.000,00 Euro deutlich besser gestellt und die Sammler und Händler von Münzen und Antiken deutlich schlechter oder jedenfalls in ein unentwirrbares Gesetzesdickicht entlassen.

III. Einfuhr

1.

Das Einfuhrverbot ist nun verschärft worden, weil entgegen dem vorherigen Entwurf nun nur noch eine von dem anderen Staat erfolgte Einstufung als nationales Kulturgut verlangt wird (§ 28 Ziff. 1 neu), ohne dass es auf dessen künstlerischen, geschichtlichen oder archäologischen Wert ankommt.

Das könnte bedeuten, dass die Münzen und Antiken nun vollständig vom Verbot betroffen sein sollen, ohne dass dies nach europäischen oder deutschen Rechtskriterien nachgeprüft werden kann.

Dies bedeutet letztlich eine erhebliche Rechtsmittelbeschränkung.

2.

Beim Nachweis der Rechtmäßigkeit der Einfuhr (§ 30 neu) ist der Händler und Sammler nun noch schlechter gestellt als bei der Erstfassung. Bei der Einfuhr sind geeignete Unterlagen mitzuführen, die insbesondere in einer Ausfuhrgenehmigung des Herkunftsstaates bestehen. Allerdings nun nur mehr dann, wenn sie nach dem Recht des jeweiligen Herkunftsstaates erforderlich sind.

Der neue Gesetzentwurf lässt die Frage vollständig offen, wie denn die Unterlagen bei der Einfuhr bei solchen Staaten aussehen sollen, die Ausfuhrgenehmigungen nicht erteilen, weil solche bei diesen rechtlich nicht vorgesehen sind.

3.

Bei der Unrechtmäßigkeit der Einfuhr sieht der Neuentwurf (§ 32 Abs. 2) ebenfalls eine ganz erhebliche Verschärfung gegenüber der heutigen Rechtslage vor. 

Er überführt quasi in das Zivilrecht und öffentliche Recht die im Strafrecht zulässige Wahlfeststellung zur Durchbrechung des Grundsatzes „in dubio pro reo“.

Dies ist eine völlig neue Rechtskonstruktion.

Wenn sich nicht einordnen lässt, aus welchem Staat das Kulturgut stammt und bei allen denkbaren Staaten ein Verstoß gegen Ausfuhrbestimmungen vorliegt, ist die Einfuhr verboten.

Die offene Frage ist, wie der Sammler oder Händler prüfen soll, aus welchen heutigen Staaten das alte Kulturgut eines untergegangenen Reiches stammen könnte und welche Rechtsvorschriften diese im Einzelnen haben und ob sodann auch gegen alle verstoßen wird.

Die weitere offene Frage ist, wie Herkunft definiert wird – als Herstellungsort oder als Fundort? Bei der Wahl des Herkunftsortes würde völlig ignoriert, dass alte Gegenstände im Laufe der Jahrtausende oft „weit gewandert“ sind.

Auch dies ein klares Signal gegen Sammler und Händler von Antiken und Münzen.

4.

Ein neuer bürokratischer Aufwand im Gegensatz zu der bisherigen Regelung im alten Kulturgüterrückgabegesetz und in den strafprozessualen Beschlagnahmevorschriften ist, dass bei Sicherstellung des Kulturgutes und Belass beim Besitzer „zu Beginn und nach Ende der Verwahrung der Erhaltungszustand des sichergestellten Kulturgutes von der zuständigen Behörde festgehalten wird (§ 34 Abs. 2 Referentenentwurf neu)“.

Das bedeutet, dass nun bei jeder Sicherstellung der sicherzustellende Gegenstand bei Sicherstellung und Aufhebung der Sicherstellung von einem Behördenmitarbeiter vor Ort oder in der Behörde exakt begutachtet, protokolliert und möglicherweise umfassend fotografiert werden muss.

Inwieweit dies keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand darstellt, bleibt auch hier Geheimnis des Entwurfsverfassers.

5.

Zumindest eine Verbesserung enthält der Neuentwurf. Entgegen der bisherigen Fassung kann eine Sicherstellung nämlich nicht nur dann aufgehoben werden, wenn der antragstellende Staat zustimmt, sondern auch, wenn der Anlass der Sicherstellung zwischenzeitlich entfallen ist. Es bleibt zwar auch hier offen, wie dies begründet und nachgewiesen werden soll. Immerhin scheint aber der deutsche Gesetzgeber den anderen UNESCO-/EU-Staaten und deren Bürokratie „jedenfalls insofern nicht zu trauen“.

6.

Als Folge der Einziehung ist in dem neuen Entwurf (§ 38 neu) – und dies ist tatsächlich eine Verbesserung – nun eine Entschädigung nach Verkehrswert sowie eine Entschädigung sonstiger Rechte an diesem Einziehungsgegenstand zugunsten Dritter vorgesehen.

Allerdings wiederum nicht in den Fällen, in denen „leichtfertig erworben“ wurde.

IV. Inverkehrbringen

1.

Beim Verbot des Inverkehrbringens entspricht der neue § 40 dem bisherigen Entwurf. Unseres Erachtens bedingt dies nach wie vor eine, jedenfalls beabsichtigte, „Aushebelung“ der Eigentumsvermutung zugunsten eines Besitzers (§ 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB); indem das Abhandenkommen (§ 1006 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. 935 Abs. 1 BGB) zum uneingeschränkten Zentraltatbestand erhoben wird.

Allerdings finden die Vorschriften über abhanden gekommene Sachen keine Anwendung auf Geld (§ 935 Abs. 2 und 1006 Abs. 1 Satz 2, Halbsatz 2 BGB). Die offene Frage ist, wie sich Geld definiert. Zwar an sich als zum Umlauf im öffentlichen Zahlungsverkehr staatlich bestimmte Zahlungsmittel (Palandt, BGB, 73. Auflage, § 935 RZ 11). Hierzu sollen zwar nicht zählen als Zahlungsmittel zugelassene Sammlermünzen, die weder für den Umlauf bestimmt noch geeignet sind (BGH NJW 13, 2888). Allerdings dehnt das Deutsche Münzgesetz den Schutz auch auf außer Kurs gesetzte oder sonst als Zahlungsmittel ungültig gewordene Münzen aus (§ 11 Abs. 1 Ziff. 1 MünzG). Damit ist rechtlich spannend, ob nicht „alte Münzen“ hier insofern auch zivilrechtlich dem „Geld“ gleichgesetzt werden müssten.

2.

Neu ist nunmehr bei den allgemeinen Sorgfaltspflichten bei der Überprüfung von Inverkehrbringen von Kulturgut, dass „Warnsignale“ nunmehr sein sollen, wenn der Verkäufer bei einem Kaufpreis von mehr als 5.000,00 Euro Barzahlung verlangt. 

Im Gegensatz zum alten Entwurf ist hier nun nicht mehr generell Barzahlung ein Warnfaktor, sondern nur noch eine solche von über 5.000,00 Euro. Dies dürfte zumindest den normalen Handel von Münzen und Antiken im Sinne des Massengeschäftes wesentlich entlasten.

Andererseits ist aber der Handel mit einer weiteren Neuerung hier nun wieder „ausgespielt“ worden. Nach der bisherigen Fassung des Referentenentwurfes war es ein Warnsignal, wenn ein besonders wertvolles Kulturgut von privater Hand ohne fachliche Beratung verkauft wurde. Hier wurde also im Münzhandel und im Antikenhandel geradezu das Tor geöffnet, um privaten Handel „einzudämmen“ und damit eine sorgfältige fachliche Prüfung gewährleisten zu können. Diese für den Handel günstige Regelung wurde nun wieder herausgenommen und stattdessen geregelt, dass ein Warnsignal darin besteht, wenn ein besonders wertvolles Kulturgut von privater Hand verkauft wurde.

Dies bedeutet nun umgekehrt eine ganz erhebliche Verschärfung für den Handel. Denn stets, wenn der Einlieferer eine Privatperson ist, muss ganz verschärft geprüft werden. Umgekehrt wird der private Verkäufer nicht mehr „in den gewerblichen Handel gezwungen“.

Hier hat sich der Handel von Antiken und Münzen also ganz erheblich verschlechtert.

Zumindest sind nun, wohl um den Datenschutzbedenken Rechnung zu tragen, die Erkenntnisse des Verkäufers dem Erwerber nicht mehr schriftlich oder elektronisch zu übermitteln.

3.

Die Sorgfaltspflichten für die Händler sind im Neuentwurf vom Prinzip die gleichen geblieben wie im Altentwurf.

Allerdings wurde hier nun eindeutig festgelegt, dass die zusätzlichen Sorgfaltspflichten der Händler, über die allgemeinen Sorgfaltspflichten des § 41 neu hinaus, nicht gelten, wenn

– ein archäologisches Einzelstück einen Wert von maximal 100,00 Euro hat,

– ein archäologisches Einzelstück einen Wert von höchstens 2.500,00 Euro hat und es sich seit mindestens 20 Jahren im Familienbesitz befand oder in diesem Zeitraum mehrfach den Eigentümer gewechselt hat,

– alles andere Kulturgut den Wert von 2.500,00 Euro nicht übersteigt.

Maßgeblicher Wert ist der gezahlte Preis.

Dies bedeutet nun wiederum zwei offene Fragen.

Einmal, ob eine einzelne Münze nun ein anderes Kulturgut ist und damit zusätzliche Sorgfaltspflichten erst von einem Wert über 2.500,00 Euro gelten.

Und zum anderen, wie dies Auktionshäuser bewerkstelligen sollen, die ja als Kommissionäre letztlich auch Kaufpreise vereinnahmen; deren Höhe aber erst nach der Versteigerung feststeht.

Die Einschränkung, dass die erhöhten Sorgfaltspflichten der gewerblichen Händler und Versteigerer auch nur unter wirtschaftlichen Zumutbarkeitsgesichtspunkten gelten, gilt wiederum nicht, wenn die Rote Liste des Internationalen Museumsrates greift oder ein EU-Verbot besteht (§ 44 Neufassung).

Die Erleichterungen mit der Wertgrenze Antike 100,00 Euro, antikes Einzelstück Familienbesitz 2.500,00 Euro, anderes Kulturgut (Münze?) 2.500,00 Euro gelten aber ihrerseits wieder nicht, wenn es sich um NS-Raubkunst, ein Kulturgut der Roten Liste oder ein EU-Verbot handelt. Insofern schränkt § 44 Abs. 2 der Neufassung den § 42 Abs. 2 der Neufassung wieder ein, und es ist letztlich offen, was nun im Einzelfall tatsächlich gelten soll.

4. 

Zumindest ein bisher verheerendes gesetzliches Fehlkonstrukt ist nun aber in der Neufassung nicht mehr zu finden.

Es muss nun die Aufzeichnung des Händlers oder Versteigerers zu dem von ihm angebotenen Kulturgut einem potentiellen Kaufinteressenten nicht mehr vorgelegt werden.

Hier haben unsere bisherigen Bedenken wegen der Sicherheit der Einlieferer gegenüber interessierten Einbruchsbanden und der Schutz des Handels hinsichtlich seiner Geschäftsgeheimnisse wohl „gezogen“.

Allerdings wurde dafür nun ein neuer § 48 (Einsichtsrechte des Käufers) eingefügt, der einem Erwerber eines Kulturgutes dann das Recht gibt, in die Unterlagen des Händlers oder Versteigerers Einsicht zu nehmen, wenn er gerichtlich in Anspruch genommen wird oder sich einem Rückgabeanspruch eines Staates ausgesetzt sieht. Dies bleibt also nach wie vor ein Einfallstor für die Offenlegung der Geschäftsgeheimnisse des Händlers und Versteigerers sowie der Internas des Einlieferers. Auch dies dürfte datenschutzrechtlichen Vorgaben nicht standhalten.

V. Rückgabeanspruch

1.

Der Rückgabeanspruch von Vertragsstaaten wurde in dem Neuentwurf erweitert, da die Beschränkung auf nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert aufgehoben wurde.

Im Gegensatz zum bisherigen Kulturgüterrückgabegesetz bestimmt sich das Eigentum nun nach den Rechtsvorschriften des herausverlangenden Staates und stehen dem Rückgabeanspruch Rechte aufgrund rechtsgeschäftlicher Verfügungen nicht entgegen.

Mit anderen Worten: Auch hier wird die Beweisvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB, bei der der Besitz für das Eigentum spricht, ausgehebelt und deutsche Rechtsgeschäfte nach ausländischen Normen für nichtig erklärt.

Dies stellt nach wie vor den gravierendsten Eingriff in die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Artikel 14 1 GG) dar.

Interessanterweise verjähren Rückgabeansprüche in 75 Jahren bei Kulturgut aus öffentlichen Sammlungen. Wohingegen sich der Gesetzgeber seinerzeit, beim Zusammenbruch der Ostimmobilien-Finanzierung, geneigt sah, die seinerzeitige 30jährige Regelverjährung auf drei Jahre zu verkürzen, um beispielsweise die damalige Bayerische Vereinsbank von dem Rückgriff der bei den Immobiliengeschäften übertölpelten zahllosen privaten Kleinkunden abzuschneiden.

2.

Für das Rückgabeverfahren ist nun nicht mehr, wie bisher, die Landesbehörde im zuständigen Landesministerium zuständig, sondern eine oberste Bundesbehörde oder das Auswärtige Amt.

Ein klarer Verstoß gegen das Föderalismusprinzip.

Dies hat sich in der Neufassung gegenüber der Altfassung nicht geändert.

VI. Strafvorschriften

Bei den Strafvorschriften wurde nun zwar die Höchststrafe von fünf Jahren nicht geändert, aber die Mindeststrafe von drei Monaten in der Neufassung zumindest herausgenommen.

Allerdings bleibt die Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr bis zu maximal zehn Jahren bestehen, wer gewerbsmäßig ein geschütztes Gut verkauft oder versteigert.

Damit droht also jedem Händler von Antiken und Münzen bei Verstoß gegen das Gesetz eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr.

Dies bei einem Gesetz, das nach wie vor in sich äußerst widersprüchlich und ohne klare Definitionen ist.

C. Resümee

Der Neuentwurf hat das Gesetzesvorhaben gegenüber Händlern und Veräußerern von Antiken und wohl auch Münzen sogar noch nicht unerheblich verschärft.

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Eine aktuelle Zusammenfassung zum Kulturgüterschutzgesetz lesen Sie hier.

Die Deutsche Numismatische Gesellschaft hat ebenfalls eine Stellungnahme veröffentlicht.

Eine Online-Petition „Für den Erhalt des privaten Sammelns“ können Sie hier unterschreiben.