Das Bild, das die antike Überlieferung von römischen Kaisern gezeichnet hat, wirkt bis heute nach. Ob Caligula, Nero oder Commodus, sie gelten als Paradebeispiele für Cäsarenwahn. Denn das endgültige Urteil, ob jemand gut oder böse ist, wird unausweichlich von der Nachwelt gefällt, ungeachtet aller Behauptungen oder Bemühungen der betreffenden Person selbst.
Bei den Autoren, deren Werke wir kennen, handelt es sich häufig um Angehörige des Senats, jedenfalls der intellektuellen und wirtschaftlichen Elite. Manchmal standen sie einem Kaiser sehr nahe, unter anderen Herrschern wiederum hatten sie als politische Opposition zu leiden und mussten sogar um ihr Leben fürchten. Dementsprechend sind ihre Schilderungen nicht objektiv und erzählen häufig nur Gerüchte oder berichten mehr von einzelnen Begebenheiten als dem Gesamtbild.
Demgegenüber steht die Münzprägung, die – verglichen mit den tendenziösen, teilweise ausschweifenden literarischen Überlieferungen – beinahe nüchtern und kalt wirkt. Denn die Bilder und Aufschriften auf Münzen waren über die Antike hinaus eines der wichtigsten Medien zur Selbstinszenierung. Sie wurden vom Kaiser oder seinem engsten Umfeld konzipiert, um den Herrscher auf raffinierte Weise gezielt ins rechte Licht zu setzen.
Und hier setzt die Ausstellung „Böse Kaiser“ an, die noch bis 4. Oktober 2020 im Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien zu sehen ist.
Die Ausstellung stellt Aussagen aus der antiken Überlieferung, die zum Teil von Zeitgenossen stammen, zum Teil aber auch viele Generationen nach dem Ableben eines Kaisers aufgeschrieben wurden, der Münzprägung gegenüber. Diese beiden Quellen sind auf gänzlich verschiedene Art und Weise entstanden und verfolgten zudem völlig unterschiedliche Zielsetzungen. Manchmal prallen sie regelrecht aufeinander und sind nur selten in Einklang zu bringen. Zwar beruht auf ihnen ein Großteil unseres Wissens über die Geschichte der Antike, aber es zeigt sich, wie viel Raum zwischen persönlicher Meinung und offizieller Darstellung verbleibt.
Es werden bewusst Klischees und Anekdoten aufgegriffen und es wird versucht, diese anhand von Beispielen aus den Beständen des Münzkabinetts zu illustrieren, das mit 90.000 römischen Münzen und insgesamt rund 600.000 Objekten zu den größten und bedeutendsten Sammlungen der Welt zählt. Der Bogen spannt sich vom blutrünstigen Caligula und Nero, dem Brandstifter Roms, bis hin zu den Christenverfolgern und zu Julian dem Abtrünnigen im 4. Jahrhundert n. Chr.
Wer waren die „bösen Kaiser“?
Caius Caesar Germanicus, besser bekannt als Caligula, oder Nero hatten zweifellos Züge von Tyrannen und ließen oftmals aus einer Laune heraus Menschen töten. Caligula soll allerdings auch die Wiederherstellung vieler bereits verfallener Tempel veranlasst haben. Der Biograf Sueton sagt über ihn: „Soweit vom Fürsten Caligula, nun muss ich vom Ungeheuer erzählen.“ Neben vielen anderen Verfehlungen wird über Caligula berichtet, er habe Unzucht mit seinen Schwerstern getrieben. Jedenfalls widmete er ihnen ein Münzbild, auf dem sie offenbar als Personifikationen von Securitas (Sicherheit), Concordia (Eintracht) und Fortuna (Glück) dargestellt sind; auch die Porträts anderer Verwandter und Vorfahren ließ er auf Münzen verewigen.
Nero wird bis heute mit dem Brand Roms in Zusammenhang gebracht und damit, dass Christen in Rom als Sündenböcke in die Arena geschickt wurden. Nach heutigen Maßstäben war sein Krisenmanagement nach der Brandkatastrophe jedoch vorbildlich.
Nach ihrem Ableben wurden manche Kaiser zu Göttern erklärt – man nennt dies consecratio – und es wurden häufig Münzen für sie geprägt, vor allem dann, wenn sich der neue Kaiser als ihr Abkömmling und somit von göttlicher Herkunft präsentieren wollte. Manchmal wurde aber auch die damnatio memoriae verhängt, also die Tilgung aus der Erinnerung. Im Zuge dessen wurden ihre Denkmäler gestürzt, ihre Namen aus Inschriften ausgekratzt und in seltenen Fällen sogar ihre Porträts auf Münzen verunstaltet.
Jedoch gibt die Historia Augusta (Kaisergeschichte) zu bedenken: „Niemand ist Kaiser, dem nicht ein schwerwiegendes Gerücht anhaftet.“ So soll Marcus Aurelius, über den man stets nur Gutes erzählte, seinen Adoptivbruder und Mitherrscher Lucius Verus vergiftet haben.
Bald nach dem Tod des Marcus Aurelius setzte sein Sohn Commodus dem Germanenkrieg ein Ende. Was in Rom damals als feige Kapitulation angesehen wurde, wäre nach heutigen Maßstäben als kluge und weitblickende Diplomatie zu bewerten. Später war Commodus davon getrieben, sich in Herkules zu verwandeln und die Stadt Rom als Colonia Commodiana neu zu gründen. Wie Caligula und Nero vor ihm wurde auch er ermordet.
Constantin, genannt der Große, gilt bis heute als „Christenkaiser“. Doch zunächst hatte er Sol, also den Sonnengott, zu seiner persönlichen Schutzgottheit auserkoren. Sein Weg zur Alleinherrschaft über das Römische Imperium begann nach heutiger Wortwahl mit einem Staatsstreich. Mit verschiedenen Mitherrschern ging er Allianzen ein, wie die gemeinsame Münzprägung beweist. Später wurden sie alle bekriegt, geschlagen und ermordet – und vom überwiegenden Teil der schriftlichen Überlieferung regelrecht diffamiert.
Beispielsweise bezogen Constantin und Maxentius, der damals über Rom und Italia herrschte, einander jeweils in ihre Münzprägung ein, bevor Constantin seinen Widersacher in der berühmten Schlacht an der Milvischen Brücke besiegte.
Julian III. war ein Anhänger des traditionellen Glaubens, Christen gegenüber jedoch tolerant. Je nach Glaubensrichtung der über ihn schreibenden Autoren fällt das Urteil über ihn sehr unterschiedlich aus, von den einen gelobt, belegten ihn andere mit dem Beinamen „der Abtrünnige“. Als hochgebildeter Mann trug er den sog. Philosophenbart, wodurch er sich auch auf Münzen stark von seinen Vorgängern absetzte. Dennoch dürfte er ein fähiger Feldherr gewesen sein und war bei den Truppen beliebt, wohl nicht zuletzt wegen seiner Bescheidenheit: Frisch im Palast von Constantinopolis angekommen, soll er erzürnt über das prächtige Gehabe sowie den hohen Verdienst eines Friseurs diesen sowie zahlreiches weiteres Personal entlassen haben.
Interaktives Besuchserlebnis
Alle ausgestellten Objekte können zusätzlich über eine interaktive Stele aufgerufen werden, die nicht nur detailliertere Informationen liefert, sondern es auch ermöglicht, alle Münzen von beiden Seiten und in Vergrößerung zu betrachten. Zudem werden einige Münzporträts als dreidimensionale Vergrößerung gezeigt, die im Gegensatz zu den Originalen auch berührt werden dürfen, was nicht nur für sehbeeinträchtige BesucherInnen ein zusätzliches Erlebnis sein dürfte.
Für weitere Informationen besuchen Sie die Webseite des Münzkabinetts Wien.
Mehr über Neros politisches Wirken erfahren Sie in unserem Artikel der Reihe MenschenGesichter.
Und hier lesen Sie mehr über Augustus’ und Caligulas Darstellung auf Münzen.