Citéco: Ein Pariser Museum widmet sich der Wirtschaft

Die Haupttreppe im Citéco-Museum. © Banque de France.
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Paris verfügt nun über ein Museum, dass sich wirtschaftlichen Themen widmet – in 360 Grad: Im Juni 2019 öffnete das Citéco (Cité de l‘économie, zu Deutsch: Stadt der Wirtschaft) seine Pforten. Die Location im historischen Gebäude „Hotel Gaillard“ ist einzigartig: ein ehemaliges Privathaus, das in den 1920ern eine Bankfiliale beherbergte. Die Besucher erfahren hier so einiges über Wirtschaft, Geld und die Geschichte des Hotel Gaillard. Das Museum verfügt über zahlreiche interaktive Stationen und Spiele, die helfen zu verstehen, wie unsere Wirtschaft funktioniert.

1. Die Geschichte des Hotel Gaillards

Émile Gaillard (1821-1902) war ein typischer Vertreter der bürgerlichen Familien der Oberschicht des 19. Jahrhunderts. Er war der Vertreter der von seinem Großvater gegründeten Familienbank in Paris. Gaillard war sehr angetan von der Kunst des Mittelalters und der Renaissance und besaß eine beeindruckende Sammlung von Möbeln, Dekorationsgegenständen, Wandteppichen und anderen Kunstwerken aus diesen Epochen. Émile Gaillard beauftragte den jungen Architekten Jules Février (1842-1937) damit, ihm ein Herrenhaus zu errichten. Das Ergebnis – das Hotel Gaillard – machte den Architekten berühmt und brachte ihm die Grande Médaille d‘architecture ein.

In den 20er Jahren wurde das Hotel Gaillard in eine Filiale der Banque de France umgewandelt. Die Banque de France verfolgte nach Ende des ersten Weltkrieges eine Expansionsstrategie und eröffnete im ganzen Land neue Bankfilialen. Das Hotel Gaillard stand seit 1904 zum Verkauf, doch da niemand das Gebäude erwerben wollte, wurde es schließlich für nur 2 Millionen Franken an den Mann gebracht – ein extrem guter Deal wenn man bedenkt, dass der Bau 11 Millionen gekostet hatte.

Um das Herrenhaus im Renaissance-Stil in eine Bankfiliale umzuwandeln, waren umfassende Arbeiten erforderlich, die sich über 4 Jahre – von 1919 bis 1923 – erstreckten. Das Bauvorhaben wurde dem Architekten Alphonse Defrasse und dem Innenarchitekten Jean-Henri Jansen anvertraut. Die Bank wollte keinesfalls auf so ein originelles und prachtvolles Gebäude verzichten, das so wunderbar dazu geeignet war, Kunden anzulocken. Andererseits sollte das Gebäude keine Familienresidenz mehr sein, sondern der Öffentlichkeit und den Mitarbeitern zur Verfügung stehen und die Tresore beherbergen. Das neue Gebäude musste daher funktional sein und das Vertrauen der Kunden wecken.

Alphonse Defrasse nahm die notwendige Umstrukturierung vor, indem er einen Saal für die Öffentlichkeit (den sogenannten Defrasse-Saal), die Tresorräume und Büros für die Verwaltung einrichtete. Die Privatresidenz in der Rue de Thann wurde mit dem Hotel Gaillard zusammengelegt, sodass noch mehr funktionale Räume entstehen konnten.

Mit Ausnahme der Gemäldegalerie mit Blick auf die Rue de Thann wurden die bemerkenswert dekorierten historischen Räume erhalten. Die riesige Haupttreppe führte zu den Büros, die in die ehemaligen Wohnungen und Empfangsräume umgezogen sind. Um zum Informationstresen (im ehemaligen kleinen Salon) zu gelangen, musste die Kunden die Treppe hinaufsteigen. Dann ging es weiter in die Wertpapiergallerie, um Börsengeschäfte abzuwickeln, oder in den öffentlichen Saal, in dem zahlreiche Schalter Einzelgespräche zwischen Mitarbeitenden und Kunden ermöglichten.

Die Ausstellung. © Banque de France.

2. Die Ausstellung des Museums

Der Handel mit Waren und Dienstleistungen ist die Grundlage aller wirtschaftlichen Bemühungen

Im täglichen Leben kaufen wir Waren (wie zum Beispiel ein Fahrrad) oder nehmen Dienstleistungen in Anspruch (wie zum Beispiel ein Fahrrad zu mieten) – wir kaufen oder verkaufen. Der Handel mit Waren und Dienstleistungen ist die Grundlage aller wirtschaftlichen Bemühungen. Die meisten Menschen spezialisieren sich auf den einen oder anderen Produktionssektor, um den Bedürfnissen der Verbraucher gerecht zu werden. Damit Transaktionen stattfinden können, müssen wir Preise festsetzen und über Zahlungsmittel verfügen. Was führt dazu, dass sich Handelswerte ändern? Welche Rolle spielt die Währung? Wofür steht der Handel? Welchen Einfluss hat der Handel auf die wirtschaftliche Entwicklung?

Alles allein machen? Eine ganz schöne Herausforderung! © Banque de France.
Ein Toaster in der Mitte von Émile Gaillards Speisesaal

Die erste Sequenz findet in Émiles Privatwohnungen statt – in kleinen Räumen mit wunderschönen Kaminen und getäfelten Wänden wird erklärt, was Handel eigentlich ist.

Zwei Attraktionen nehmen den gesamten Platz des Speisesaals ein. Eine davon ist ein interaktives Spiel und die interessante und originelle Geschichte eines Alltagsgegenstandes – des Toasters.

Die einzelnen Bestandteile des Toasters zeigen, dass wir uns einen Toaster nicht selbst basteln können, der Film über Thomas Thwaites bestätigt diese Einsicht. Der langweilig aussehende Alltagsgegenstand entpuppt sich als hoch komplexes Objekt mit mehr als 400 Bestandteilen aus den verschiedensten Rohmaterialien, von denen wir wissen müssen, wie sie produziert und zusammengesetzt werden. Der junge Künstler verbrachte neun Monate damit, zwischen einem stillgelegten Bergwerk und einer Kunststoff-Deponie hin und her zu rennen, um all die Teile zu bekommen, die er für sein Projekt benötigte. Es gelang ihm, ein einzigartig aussehendes Objekt herzustellen, dass nur wenige Male funktionierte bevor es vollständig zusammenschmolz.

Die Ausstellung beschäftigt sich auch mit dem Thema „Börse“. © Banque de France.
Tauschhandel oder Geld

Hier wird sich dem Thema mit einem Spiel genähert, das 5 Teilnehmer einschließt. Durch den Austausch von Gütern mit anderen Spielern müssen alle Teilnehmer ihre Küken füttern, die unentwegt Futter verlangen. Zu Beginn dürfen sie lediglich Tauschhandel betreiben, später darf Geld genutzt werden, um das Spiel zu vereinfachen.

Akteure: Staaten, Unternehmen, Banken …

Eine Wirtschaft umfasst zahlreiche Interaktionen, die kontinuierlich zwischen verschiedenen Akteuren wie Unternehmen, Banken, Verbänden, Staaten oder Haushalten (Personen, die in derselben Wohnung leben) vonstattengehen – im Grunde genommen sind wir also alle daran beteiligt. Waren, Dienstleistungen und Geld werden ausgetauscht und zirkulieren frei zwischen den verschiedenen Akteuren. Welche Merkmale haben die verschiedenen Akteure, wie finanzieren sie ihre Bedürfnisse und in welchen Beziehungen stehen sie zueinander?

Im Ballsaal lernen wir mehr über die verschiedenen Wirtschaftsakteure. © Charlotte Donker.

Die zweite Sequenz findet in den rot gestrichenen Räumen statt. Die Besucher betreten die Räume durch ein prachtvoll dekoriertes Vorzimmer, in dem ein recht originelles Objekt in Aktion zu sehen ist: Alltagsgegenstände werden durch einen Scanner geschoben – ähnlich wie am Flughafen – und die Besucher können dann jeden einzelnen Produktionsschritt sehen. Danach gehen wir weiter in den Ballsaal und erfahren mehr über die verschiedenen Wirtschaftsakteure.

Die Rolle des Staats in der modernen Wirtschaft. © Banque de France.
Die Rolle des Staats

Damit die Besucher die Rolle des Staats als Wirtschaftsakteur besser verstehen können, beschreibt eine ganze Reihe von Mechanismen die Formen der staatlichen Intervention und lädt die Besucher ein, die Welt als ein vielfältiges Ganzes zu betrachten. Anschließend können die Besucher in einem Teamspiel staatlich finanzierte Dienstleistungen identifizieren.

Einmal ein Banker sein

Um die Rolle der Banken als Wirtschaftsakteure zu verdeutlichen, werden die Besucher aufgefordert, in die Rolle von Bankern zu schlüpfen, die Kunden empfangen – Personen, die einen Kredit aufnehmen oder  Ersparnisse investieren möchten. Es handelt sich also um ein Rollenspiel, bei dem die Besucher Kundenprofile berücksichtigen und die Risikofaktoren für die Bank einschätzen müssen.

Der Turm der Unternehmen. © Charlotte Donker.
Der Turm der Unternehmen

Unternehmen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Größe, ihres Status und ihrer Ziele, doch eins haben sie alle gemeinsam: Sie wollen so viel wie möglich vom Verkauf ihrer Produkte auf dem Markt profitieren. Der beeindruckende Turm der Unternehmen zeigt, wie sehr sich die verschieden Unternehmen voneinander unterscheiden. Im Erdgeschoss zeigen die Fenster an allen vier Seiten Portraits, Slideshows und Videos. Die Künstler haben 52 Fotos gemacht, um verschiedene unternehmerische Situationen darzustellen. Der „Turm“ hat eine transparente Struktur und bietet drei Möglichkeiten: ein 2-Personen-Spiel zur Umsetzung von Unternehmensentwicklungsstrategien mit Hilfe von drei Variablen (Kostenreduktion, Innovation und Kommunikation); eine Übung, um etwas über die Rechnungslegung von Unternehmen anhand von Einnahmen und Ausgaben zu lernen; eine audiovisuelle Präsentation sechs verschiedener Unternehmen.

 

Im Defrasse-Saal dreht sich alles um die öffentlichen Institutionen und Regulierungsmechanismen. © Charlotte Donker.

Märkte: Angebot, Nachfrage und Regulierungen

Die meisten der Waren und Dienstleistungen, die wir benötigen, erwerben wir auf verschiedenen Märkten – und die können sehr verschieden gestaltet sein. So gibt es zum Beispiel den Arbeitsmarkt, den Immobilienmarkt und den Finanzmarkt. Käufer und Verkäufer treten sich auf diesen Märkten gegenüber und legen die Preise für die Transaktionen fest. Wie sind Märkte organisiert? Welche Mechanismen sind dabei involviert? Und nach welchen Regeln funktionieren sie?

Schätze: Geld aller Art

Im Untergeschoss gibt es zwei Ebenen, die nicht zur Geldaufbewahrung genutzt werden und den Besuchern andere Schätze zeigen. Die Safes wurden in Vitrinen umfunktioniert und beherbergen Sammlungsstücke.

In zehn Stationen werden viele Aspekte von Geld thematisiert: Produktion, Zirkulation, das Vorkommen von Geld in Filmen, Kunst und Literatur.

Prämonetäre Zahlungsmittel wie Muscheln und Glasperlen, Schecks und Bankkarten zeigen, wie Handel organisiert war. Seitenblicke auf die römischen Kaiser und die französischen Könige werfen einen Blick darauf, wie Münzen als Publikationsmedium benutzt wurden. Herausragende Münzen sind in dieser Abteilung zu sehen, wie der Écu in Gold des heiligen Ludwigs aus dem Jahr 1266 oder der erste Franc von 1360, der geschaffen wurde, um das Lösegeld für Jean Le Bon zu zahlen, der als Gefangener in England saß.

Drei große Maschinen zeigen, wie Geld hergestellt wurde und wie die Herstellung sich verändert hat: Eine Presse für Assignaten aus dem 18. Jahrhundert, eine Tiefdruckmaschine, mit der verbesserte Geldscheine produziert werden konnten, die wesentlich schwieriger zu fälschen waren und die berühmte Dampfbetriebene Münzpresse von Nicolas Thonnelier, das die Schraubenpresse in der Münzprägung ersetzte.

Die Besucher können übrigens auch eine eigene Banknote erstellen, die sie als Souvenir mir nach Hause nehmen dürfen.

Die Website

Die Citéco-Website ist sowohl Lehrwebsite als auch Kommunikationsmedium. Außerdem bietet sie als Museums-Website im eigentlichen Sinne auch praktische Informationen zum Museum und seinen kulturellen Angeboten.

Die Citéco-Website gibt es seit 2011 und vor Kurzem wurde sie neu gestaltet. Sie ermöglicht es Besuchern, Lehrern und Pädagogen, die benötigten Lehrmaterialien zu finden, und bietet der allgemeinen Öffentlichkeit die Chance, sich mit wirtschaftlichen Themen vertraut zu machen.

Die Website bietet eine breite Palette an Ressourcen, die regelmäßig aktualisiert werden: Videos, Datenvisualisierungen, Spiele, Bibliografien und Filmografien. Die Ressourcen beschäftigen sich mit Wirtschaft im weiteren Sinne: Arbeit, nachhaltige Entwicklung, europäische Institutionen, Ideengeschichte etc.

 

Weitere Informationen über das Museum (in Französisch und Englisch) finden Sie auf der Website des Citéco.

In dieser Playlist können Sie alle bisher veröffentlichten Lehrfilme des Citéco in englischer Sprache ansehen.