Der 5000-Einwohner-Ort Morez im französischen Département Jura nahe der Schweizer Grenze hat ein Problem: Leerstehende Häuser im Zentrum und somit einen verlassenen Ortskern. Eines der Häuser gehörte der Familie Jobez, einer alteingesessenen Uhrmacherfamilie. Die letzte Bewohnerin des Hauses war eine alte Dame, die wie zuvor schon ihre Geschwister, in hohem Alter kinderlos starb. Das Haus erbte ein Verwandter, der es allerdings nicht wollte und für 130.000 Euro an die Stadt Morez verkaufte. Der Gemeinde kam dieses Angebot sehr zupass, um besagten Ortskern wieder zu beleben. Soweit die Vorgeschichte, wie sie sich vermutlich Tag für Tag in zahllosen ähnlichen Örtchen zuträgt. Doch in Morez kam alles anders …
Der Schatz im Marmeladenglas
Im Herbst 2020 zogen also der Bürgermeister, Laurent Petit, ein Angestellter der Gemeindeverwaltung und der Leiter des lokalen Museums zu dem Haus Jobez, um sich näher anzusehen, was dort alles lagerte. Die drei wussten, dass in der Familie gehortet und nichts weggeworfen wurde und waren neugierig, ob sich nicht eine hübsche Antiquität für das Museum finden würde. Die Gerüchte um einen Goldschatz glaubte allerdings niemand so recht.
Was der Bürgermeister dann Spektakuläres fand, erzählte er dem Guardian: „Drei Gläser voller Goldbarren standen hinter einer Menge anderer Objekte auf einem Regalboden. … Keiner von uns hatte jemals ein Goldstück in der Hand gehalten. Goldbarren hatte ich nur auf Fotos gesehen und dachte, sie müssten riesig sein. Aber diese waren klein, wogen ein Kilo und hatten die Größe einer Zigarettenschachtel.“
Neben den Gläsern mit insgesamt fünf Goldbarren kamen weitere Marmeladengläser mit wenig kulinarischem Inhalt zum Vorschein: Sie enthielten 1000 Goldmünzen zu 20 Franken. Der Gesamtwert wird auf rund eine halbe Million Euro geschätzt. Die Goldbarren lagern jetzt sicher bei einer Bank und sollen näher untersucht werden. Doch damit war die Geschichte noch nicht zu Ende.
Aller guten Dinge sind zwei – mindestens
Das Entrümpeln ging weiter und in einer Gemeinderatssitzung am 14. April 2021 machte der Bürgermeister eine überraschende Mitteilung: Er hatte noch mehr Gold gefunden!
Hinter einem Schrank war er auf einen Tresor gestoßen. Zunächst hatte den niemand öffnen können. Doch dann hatten die neuen Besitzer den Safe gewaltsam öffnen lassen und glaubten ihren Augen nicht: 480 weitere 20-Franken-Münzen, 50 10-Franken-Stücke sowie eine 100-Franken-Münze – allesamt Goldmünzen mit einem Gesamtwert von schätzungsweise 100.000 bis 150.000 Euro, wie France Bleu berichtete. Allerdings erkennt man in den Videos und Bildern deutlich, dass der Schatz keineswegs nur aus Franken (oder Francs, da sind die Angaben in den Medien unpräzise) besteht, klar zu sehen sind italienische und französische Münzen. Bevor man die Schätzungen allzu genau nimmt, wäre den glücklichen Findern zunächst die Konsultation eines Numismatikers ans Herz gelegt. Wer weiß, ob sich nicht noch besonders seltene Fehlprägungen in dem Schatz finden …
Der Schatz von Morez: ein Mysterium
Der Bürgermeister betont, dass der jährliche Gemeindeetat bei rund 6 Millionen Euro liege. Die Gemeinde sei also nicht gerade reich geworden durch ihren Fund. Mediale Aufmerksamkeit erfuhr sie allerdings reichlich, nicht nur regional, sondern auch international. Überhaupt dreht sich diese Geschichte um anderes als den schnöden Mammon: um das Träumen von Schätzen, um Aufregung und Freude, wenn man in verstaubten Ecken nach Gerümpel sucht und unverhofft Gold blitzen sieht. Und dann wäre da natürlich noch das mysteriöse Element: Wer hat eigentlich das ganze Gold gekauft? Und wann? Wer wusste davon? Die letzten Bewohner waren offenbar ahnungslos, sie lebten äußerst kümmerlich, wie der Bürgermeister betonte. Er selbst tippt auf die „goldenen Dreißiger“, als das Geschäft der Familie florierte. Aber sicher weiß man das nicht und wird es wohl auch nie klären können.
Wie geht es weiter mit dem Schatz von Morez?
Noch ist offen, was mit dem Schatzfund passiert, der Bürgermeister überlegt, ob man eine Auktion abhalten soll. Bei dieser Art des Verkaufs könnten tatsächlich die Umstände und das Gefühl, Münzen eines „Schatzes“ zu ersteigern, den Preis in die Höhe treiben. Und was plant die Gemeinde mit dem Erlös zu tun? Darüber will Herr Petit sich mit seinen Kollegen beraten. Das Geld werde in das eine oder andere Projekt der Gemeinde einfließen. Und so ganz genau weiß niemand, ob vielleicht nicht noch mehr Gold in dieser wertvollen Immobilie steckt.
Der eigentliche Erbe übrigens nahm den Schatzfund, der ihm entgangen ist, gelassen auf: „So so“, zitiert ihn der Bürgermeister gegenüber France Bleu, „dann war die Geschichte von dem Schatz also doch wahr.“
France3 Bourgogne-Franche-Comté hat ausführlich über den Schatzfund von Morez berichtet.
Auch France Bleu berichtete detailliert.
Die Schweizer Onlinezeitung Watson hat ebenfalls darauf hingewiesen.
Mindestens so spektakulär, aber mit komplizierten Eigentumsfragen verbunden war der Schatz von Hackney.
Nicht nur die Schweizer Münzen der Lateinischen Münzunion, sondern alle eidgenössischen Münzen finden Sie übrigens in unserer Datenbank Cosmos of Collectibles.