Die westafrikanische Manilla-Währung

Rolf Denk, The West African Manilla Currency. Research and Securing of Evidence from 1439-2019. Überarbeitete und erweiterte Neuauflage der deutschen Erstauflage von 2017. Tredition GmbH, Hamburg 2020. 289 Seiten, farbige Abbildungen. Hardcover, 28,5 x 20 cm. ISBN 978-3-347-01539-5, 35 Euro.
[bsa_pro_ad_space id=4]

Prämonetäre Zahlungsmittel sind hip! Mit ihnen kann man Menschen für die Geldgeschichte begeistern, die sonst nicht die Geduld aufbringen, sich endlose Reihen von Münzen anzusehen. Yap-Steine, Toluks & Co. sind darüber hinaus für Soziologen und Wirtschaftstheoretiker spannend. Sie versuchen über ihre Nutzung Gesellschaftsmodelle zu rekonstruieren, die von der kapitalistischen Grundstruktur abweichen.

Das Problem dabei ist, dass so mancher Autor lieber Übersetzungen nutzt, als tatsächlich zu den Quellen vorzudringen. Damit verdoppelt er die Möglichkeiten eines Missverständnisses. Schon die Forschungsreisenden der frühen Neuzeit neigten zu Irrtümern, wenn sie die Gebräuche anderer Kulturen in ihren eigenen Worten notierten. Und wenn dann noch die Übersetzer dazu kamen …

Jedenfalls sah sich Rolf Denk, Gründungsmitglied der EUCOPRIMO, der European Union to Search for Collect, and Preserve Primitive and Curious Money, immer wieder mit diesen sprachlichen Problemen konfrontiert. Schließlich forscht er seit vielen Jahrzehnten zu prämonetären Geldformen, hat inzwischen 110 eigene Aufsätze zu diesem Forschungsgebiet publiziert. Seine besondere Leidenschaft gilt dabei den Manillen, über die er bereits im Jahr 2017 eine Monographie mit dem Titel „Das Manillen-Geld West Afrikas“ vorlegte. Deren erweiterte und ins Englische übersetzte zweite Auflage liegt uns hier vor.

Sie versammelt alle Quellen zu Manillas, und zwar die Originalquellen in der Originaltranskription. Mit Hilfe seines internationalen Netzes hat Rolf Denk alle Textstellen zusätzlich ins Englische übersetzt, so dass das Buch „The West African Manilla Currency“ eine hervorragende und unersetzliche Materialbasis für jede weitergehende Forschung ist.

Eine klassische Birmingham Manilla. Foto: KW.

Was ist eine Manilla?

Mehr als ein halbes Jahrtausend lang dienten Manillen europäischen Händlern als wichtigste Währung, wenn sie mit westafrikanischen Stämmen Handel treiben wollten. Doch was genau ist eine Manilla? Rolf Denk wagt sich an folgende Definition: „Eine Manilla ist ein Metallobjekt, das im Handel oder in Zahlungsvorgängen mit Westafrika benutzt wurde. Man versteht darunter in erster Linie einen offenen Ring aus Kupfer oder einer Legierung von Kupfer, Blei, Zink oder Zinn, wie sie explizit in den Königreichen von Kongo und Benin benutzt wurden. Dieses Objekt wurde in Europa speziell für den portugiesischen Handel mit Westafrika produziert. Es war nicht als Schmuck gedacht, und seine Öffnung ist viel zu groß, um am Arm getragen zu werden.“ Der Autor hält fest, dass Manillas eben keine Fuß- oder Halsringe sind und auch nicht mit Armringen aus einheimischer Produktion verwechselt werden dürfen. Auch wenn es sich in der Literatur eingebürgert hat, gewisse lokale Schmucktypen ebenfalls als Manilla zu bezeichnen, wurden solche Stücke eben nicht für den Handel gebraucht, und sollten deshalb auch nicht als Zahlungsmittel verstanden werden.

Manillas in Quellen

Minutiös führt Rolf Denk den Leser von Quelle zu Quelle. Er beginnt mit Dokumenten, die illustrieren, dass Manillas bereits bei der Landung der Portugiesen im Jahr 1483 im Königreich von Kongo in Gebrauch waren. Von hier führt er den Leser von den frühen portugiesischen Zeugnissen über die Notizen anderer Handelsnationen bis hin zu den englischen Dokumenten. Der Autor beschäftigt sich darüber hinaus mit Funden von Manillas – aus Ausgrabungen und Unterwasserexpeditionen.

Wichtig ist es Rolf Denk, die verschiedenen Typen von Manillas sauber voneinander abzugrenzen und die Textstellen zu Produktion und Gebrauch zusammenzustellen. Das Buch endet mit den Quellen zur Demonetisierung der Manillas und einer kleinen Übersicht, in wie weit das Bild der Manilla als staatliches Symbol im heutigen Umlaufgeld und Postwesen Verwendung findet.

Die beeindruckende Materialsammlung endet mit einer Fülle von Kartenmaterial und eindrücklichen Abbildungen zum Thema.

Warum ist es so wichtig, den Handel mit Manillas zu begreifen?

Rolf Denks Buch ist von höchster politischer Aktualität, denn er beschäftigt sich mit einem Thema, das einen hervorragenden historischen Kommentar zu aktuellen Diskussionen darstellen könnte. Erst am 30. April 2021 gab die Tagesschau bekannt, dass Monika Grütters mit der Hilfe willfähriger Wissenschaftler durchgesetzt hat, dass Deutschland das erste Land sein wird, dass Benin-Bronzen zurückgibt, die sich seit mehr als einem Jahrhundert in deutschen Museen befindet.

Nun wurden die Beninbronzen, um die es geht, genau aus der Bronze angefertigt, die als Manillas nach Westafrika kamen. Sie waren nämlich ein elementarer Teil des Sklavenhandels: Mit ihnen bezahlten europäische Händler die einheimischen Geschäftspartner, die eigene und fremde Untertanen als Sklaven gegen die kostbare Bronze tauschten. Der Sklavenhandel war ausschließlich in der Hand des Herrschers, des Oba, der auch die Bronze für sich monopolisierte, um mit daraus aufwändig hergestellten figurativen Abbildungen seinen Palast zu schmücken.

Der von den Briten im Jahr 1897 ins Exil getriebene Oba war also mit Sicherheit nicht das unschuldige Opfer, als das er gelegentlich inszeniert wird. Nun, auch die Briten waren alles andere als unschuldig. Wir dürfen nicht vergessen, dass im 19. Jahrhundert Machtpolitik noch als völlig gerechtfertigt galt und mit keinerlei Stigma versehen war.

Deutschland kaufte jedenfalls die Bronzen auf öffentlichen Auktionen. Und diese Bronzen veränderten Europas Blick auf Afrika. Viele Künstler ließen sich von den wunderschönen Objekten inspirieren. In diesem Zusammenhang von „Raubgut“ zu sprechen – wie es die Tagesschau tut – ist also unhistorisch.

Aber das ist schon ein anderes Thema. Die Manillas sind jedenfalls ein winziger Teil in diesem Puzzle, das entlarvt, dass gut und böse, mächtiger Sklavenhändler und machtloser Sklave, nicht an die Hautfarbe, sondern an den sozialen Status gebunden war.

Was das Buch will, und was es nicht will

Aber mit dieser Fragestellung haben wir den Horizont des Buchs weit überschritten. Rolf Denk will keine Geschichte des westafrikanischen Sklavenhandels schreiben. Er hat sich die Aufgabe gestellt, alle Quellen zusammenzustellen. Sie stehen hiermit der Wissenschaft zur Verfügung, um mit ihnen an den größeren historischen Zusammenhängen zu arbeiten.

Sein Buch wird die Grundlage werden für alle, die sich mit diesem Thema vertieft auseinandersetzen wollen.

 

Sie können dieses Buch für 35 Euro beim Verlag tredition erwerben.