von Ursula Kampmann
2. Januar 2014 – Kennen Sie das: Der letzte Urlaub ist schon lang vorbei, der nächste Urlaub noch in weiter Ferne. Irgendwie hat man den Eindruck, man müsste wieder einmal etwas unternehmen. Eine gute Idee, denn manchmal sind die interessanten Ziele nur einen Katzensprung entfernt, so wie von Basel die Stadt Sursee und das Stift Beromünster. Sie stehen nur bei den wenigsten Schweiz-Touristen auf der Agenda. Eigentlich schade, denn dort kann man einiges sehen, was einem erklärt, wie die alten Klöster der Schweiz wirtschaftlich funktionierten.
Der Sankturbanhof in Sursee. Foto: KW.
Beginnen wir mit dem hochinteressanten Museum von Sursee, dem Sankturbanhof. Wohl die wenigsten Besucher werden darüber nachdenken, woher dieses Gebäude seinen Namen hat. Das namensgebende Kloster liegt nämlich rund 30 Kilometer entfernt. Der Sankturbanhof war das Quartier des Verwalters des Klosters von St. Urban. Und natürlich wohnte hier gelegentlich auch der Abt, wenn er nach Sursee kam, um die dort gelegenen Besitzungen seines Klosters zu kontrollieren.
Der Einsiedlerhof in Sursee. Foto: KW.
Nicht nur der Abt von St. Urban war viel auf Reisen. Ganz in der Nähe des Sankturbanhofs liegt der Einsiedlerhof, der genau die gleiche Funktion für die Benediktinerabtei Einsiedeln erfüllte.
Der Schreibtisch des Schaffners / Sankturbanhof. Foto: KW.
In beiden Häusern war das wirtschaftliche Zentrum der Schreibtisch des Schaffners. Wobei ein „Schaffner“ natürlich nichts mit Trambahn oder öffentlichem Verkehr zu tun hat. Das Wort bezeichnete in der frühen Neuzeit den Verwalter eines Klosters, der die Einnahmen vor Ort entgegen nahm.
Tresor des Schaffners / Sankturbanhof. Foto: KW.
Er ging täglich mit viel Geld und wichtigen Dokumenten um, weil er im Namen des Klosters die ausstehenden Zinsen und Zehnten einzog. Das Geld gab er auch wieder aus: Ihm unterstanden Handwerker und Tagelöhner, die auf den Besitzungen von St. Urban arbeiteten.
Um sich vor Diebstahl zu schützen, baute der Schaffner 1607 einen Tresor ein, der bis heute erhalten ist. Er wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jh. mit prachtvollen Malereien geschmückt. Links unten sieht man mit Krummstab und Mitra das Wappen des Klosters St. Urban.
Wohnzimmer des Abtes / Sankturbanhof. Foto: KW.
Der Abt von St. Urban besuchte von Zeit zu Zeit Sursee, um seinen Schaffner zu überwachen und wichtige Entscheidungen zu treffen. In dieser Zeit stand ihm ein großer Empfangsraum zur Verfügung, in dem er an seinem einfachen Schiefertisch mit Gästen essen, aber auch Dokumente und Abrechnungen studieren konnte.
Der Empfangssaal des Abtes / Sankturbanhof. Foto: KW.
Natürlich brauchte es auch noch etwas Repräsentativeres. Für Empfänge und offizielle Anlässe nutzte der Abt den Festsaal, der mit prachtvollen Malereien um 1600 ausgeschmückt war.
Detail der Malerei. Foto: KW.
Neben Wappen finden sich hier Vögel, nicht willkürlich ausgesucht, sondern alle mit einem Bezug zu den Legenden um das Leben Christi. So soll der hier dargestellte Distelfink versucht haben, die Dornen aus der Dornenkrone Christi zu ziehen, um ihm das Leid zu ersparen. Gott zeichnete ihn in Erinnerung an die heroische Tat, so die Legende, mit dem roten Fleck rund um den Schnabel aus. Tatsächlich spielt das Christuskind auf Bildern der Renaissance häufig mit dem Distelfink als Symbol für die Unvermeidlichkeit der Passion.
Hort von Sursee. Foto: KW.
Neben dem eigentlichen Gebäude sind im Museum von Sursee durchaus noch andere numismatisch und wirtschaftsgeschichtlich interessante Objekte zu sehen, so ein Hortfund, der 1982 in einem Bauernhaus in Sursee zusammen mit einigen Rosenkränzen geborgen wurde. Es handelte sich um insgesamt 706 Münzen, die um 1843 versteckt wurden. Der Gesamtwert des Fundes entsprach damals 3.290 Franken, was 1843 ein Vermögen war. Der Bezirkslehrer von Sursee hätte anderthalb Jahre arbeiten müssen, um so eine Summe zu verdienen. Fast alle Münzen stammen aus Frankreich, was einen guten Hinweis darauf gibt, dass es 1848 eine weise Entscheidung der Bundesversammlung war, sich monetär dem französischen Franc anzuschließen.
Gipsköpfe – im 19. Jh. ein einträgliches Geschäft. Foto: KW.
Einige Säle des Museums sind heimatlichen Gewerben gewidmet, von denen man heute nicht einmal mehr ahnt, dass es sie gegeben hat. So verdiente die Familie Amlehn ein einträgliches Einkommen, indem sie Porträtbüsten in Gips schuf, die erschwinglicher waren als teurer Marmor. Die bürgerliche Gesellschaft ließ sich damals gerne von den Könnern und Könnerinnen – ja auch die Töchter des Dynastiegründers waren künstlerisch begabt – in Gips nachbilden.
Julius Beck (1855-1920), Rechtsanwalt, Stadtschreiber und katholisch-konservativer Politiker im Kanton Luzern. Foto: KW.
Wie lebensnah so ein Porträt sein konnte, zeigt die farbige Fassung dieser Gipsbüste des katholisch-konservativen Politikers Julius Beck, der viel für seine Heimat Sursee getan hat.
Johann Crescenz Meyer, Mystische Vermählung Mariä. Foto: KW.
Beim Besuch einer Barockkirche denken die wenigsten daran, dass auch die mit der Ausschmückung verbundenen Arbeiten ein hervorragendes Geschäft waren. In Sursee hatte man sich im 17. und 18. Jahrhundert auf Hinterglasbilder spezialisiert.
Das Rathaus von Sursee. Foto: KW.
Wie wirtschaftlich bedeutend die Stadt Sursee durch ihr Gewerbe und ihre Lage an der Gotthartroute einmal war, sieht man nicht nur am stattlichen Rathaus, …
Wirtshausschild des Gasthauses zum Hirschen. Foto: KW.
… sondern auch an den eindrucksvollen Wirtshausschilder.
Öffentliche Waage, heute ein Kleiderladen. Foto: KW.
Und am unteren Stadteingang gibt es noch eine alte Hausaufschrift: Öffentliche Waage. Hier mussten wohl Jahrhunderte lang alle Waren, die in die Stadt gebracht wurden, gewogen werden.
Der Turm der Stiftskirche von Beromünster. Foto: KW.
Erste Erwähnung fand Sursee, als Ulrich von Lenzburg (+ zwischen 1045 und 1050) dem Chorherrenstift Beromünster die Kirche von Sursee anvertraute zusammen mit einem Hof, um die Seelsorge zu finanzieren. Damit ist ein schöner Übergang zur nächsten Station geschaffen, nämlich der Barockkirche von Beromünster.
Blick auf die Stiftskirche. Foto: KW.
Beromünster soll der alten Überlieferung nach gegründet worden sein, weil Graf Bero an dieser Stelle auf der Bärenjagd getötet wurde. Greifbarer ist die Tatsache, dass der eben erwähnte Ulrich von Lenzburg hier 1036 das Michaelsstift einrichtete. Er wählte dafür eine Rechtsform, die Mitte des 11. Jahrhunderts gerade so richtig in Mode kam.
Lageplan von Beromünster mit den vielen Priesterhäusern. Foto: KW.
Die Mönche von Cluny hatten durchgesetzt, dass auch weltliche Priester nach klösterlichen Regeln leben sollten, ohne Ehefrauen und allzu große Nähe zum Alltag. Das Kollegiatstift ermöglichte diese Lebensform.
Priesterhäuser. Foto: KW.
Die in den Gemeinden tätigen Priester lebten um das Michaelstift gruppiert in einem kleinen Dorf. Jeder besaß sein eigenes Haus, um so getrennt von den anderen seinen Alltag bewältigen, aber in der Gemeinschaft beten zu können. Finanziert wurden die Haushalte von Gütern, die in den unterschiedlichen Gegenden der Schweiz lagen. Das Geschenk des Hofs bei Sursee von Ulrich von Lenzburg ist ein wunderbares Beispiel dafür.
Michaelspfennig, um 1619. Aus Auktion Künker 77 (2002), 1036.
Übrigens ist das reiche Michaelsstift von Beromünster auch numismatisch von Interesse: Es gab lange Jahre die so genannten Michaelspfennige heraus, silberne Medaillen mit dem Bild des Stiftpatrons auf der einen Seite und dem Abtwappen auf der anderen Seite.
Sie dienten dem prunkliebenden Abt als geldwerte Geschenke und Auszeichnungen, mit denen er diejenigen bedachte, die er in sein soziales Netzwerk aufnehmen wollte. Das konnten Freunde und Stifter sein, aber auch Handwerker und Musiker.
Michaelsstift: Kircheninneres. Foto: KW.
Werfen wir noch einen letzten Blick in die Kirche des Michaelsstift, deren Besuch sich übrigens vor allem in der Fastenwoche empfiehlt. Dann ist dort das heilige Grab von Beromünster aufgebaut. Es handelt sich um eine der letzten noch erhaltenen barocken Scheinarchitekturen, wie sie im 18. Jahrhundert in allen bedeutenden Barockkirchen zu sehen waren.
Ach, und damit man mir nicht vorwerfen möge, ich als „Dütsche“ würde die wirklich wichtigen Dinge in der Schweiz vernachlässigen:
1.) Völlig unnumismatisch, aber historisch hoch interessant ist der nahe gelegene Landessender Beromünster, der am 11. Juni 1931 den Betrieb aufnahm und erst 2002 eingestellt wurde. Er war eine der wichtigsten unabhängigen Informationsquellen, die man in ganz Europa während des 2. Weltkriegs empfangen konnte. Seit 2013 kann man zu diesem Thema einen Open-Air-Radioweg abgehen.
Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, klicken Sie hier und hier.
2.) Noch unnumismatischer, aber ein echtes Erlebnis sind die Pralinés der Conditorei Fischer. Sie gehören zum Feinsten, was man in der Schweiz genießen kann!!!
Damit Sie auch das richtige Haus finden, hier die Website.
Grund für unseren Besuch in Sursee war eine numismatische Ausstellung. Hier finden Sie einen Artikel darüber.
Und hier geht es zur Website des Museums.
Auch das Chorherrenstift Beromünster hat eine eigene Website.