Eine Ära geht zu Ende: Kurt Wyprächtiger tritt zurück

Nach 40 Jahren tritt Kurt Wyprächtiger als Kurator für Numismatik des Museums zu Allerheiligen zurück.
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Vor 40 Jahren kam ein Schaffhauser Student der Urgeschichte in das Zürcher Labor für Unterwasserarchäologie und Dendrochronologie, um ein Praktikum zu machen. Kurt Wyprächtiger betreute Marcus Höhneisen und demonstrierte ihm, was für Hölzer man braucht, um eine optimale Altersbestimmung durchführen zu können. Und beim nachmittäglichen Kaffee kamen die beiden Schaffhauser ins Gespräch über das Museum zu Allerheiligen. Als begeisterter Hobbynumismatiker gab Kurt Wyprächtiger lautstark seinem maßlosen Ärger darüber Ausdruck, dass die Beschriftungen der Münzen in den Vitrinen falsch und durcheinandergerutscht waren. Marcus Höhneisen, damals schon am Museum tätig, schlug vor, dass Kurt Wyprächtiger doch gleich selbst die Änderungen vornehmen solle. Der Rest ist Geschichte: Der damalige Museumsdirektor Max Freivogel war begeistert, einen Freiwilligen zu finden, der nicht nur die Sammlung zu ordnen begann, sondern das dafür notwendige Material auch noch selbst bezahlte.

Kurt Wyprächtiger veranstaltet für den Numismatischen Verein Zürich eine Führung im Museum zu Allerheiligen.

Sechs Museumsdirektoren und eine Stiftung

Max Freivogel war der erste der sechs Museumsdirektoren, die Kurt Wyprächtiger während seiner Tätigkeit kennenlernen sollte. Eines blieb immer gleich: Jedem musste er mühsam wieder erklären, warum die Numismatik für ein Museum so wichtig ist. Sein großes Glück war, dass nur sieben Jahre nach dem Beginn seiner freiwilligen Tätigkeit Claire Sturzenegger-Jeanfabre eine Stiftung einrichtete, die dezidiert dazu gedacht war, mit ihren Mitteln Kunstwerke für das Museum zu Allerheiligen zu erwerben, die bei dem kläglichen Ankaufsetat nicht gekauft hätten werden können.

Claire Sturzenegger war ein großer Fan der Numismatik, so dass auch die Münzsammlung einen Anteil an den reichlich fließenden Mitteln erhielt. Hortensia von Roda, langjährige Sekretärin, derzeit Präsidentin der Stiftung, agierte auch nach Claire Sturzeneggers Tod weiter in ihrem Sinne, wenn sie immer wieder Mittel sprach, mit denen Kurt Wyprächtiger systematisch die Sammlung zur weltweit umfangreichsten Kollektion an Münzen und Medaillen von Stadt und Kanton Schaffhausen ausbaute. Außerdem brachte er eine umfassende Schausammlung in bester Qualität zusammen, die den geldgeschichtlichen Hintergrund zum Schaffhauser Geldwesen illustriert.

Kurt Wyprächtiger hatte dabei das Glück, dass ihm durch seine hervorragende Vernetzung in Sammlerkreisen eine ganze Reihe von wichtigen Sammlungen angeboten wurden. Andere kamen auf den Markt, so dass sich das Museum in allen wichtigen Auktionen als Bieter beteiligte. Wer die Ankaufsberichte der Sturzenegger Stiftung durchblättert,  stößt deshalb auf eine Reihe von großen Namen: Wir nennen an dieser Stelle nur Edwin Tobler, aus dessen Sammlung die 207 Schaffhauser Münzen nach Schaffhausen kamen, die Sammlungen Köhlmoos, Schulthess, Bernhard Schulte, Kägi und Kunzmann, nicht zu vergessen die komplette Sammlung Rippmann und die wichtigsten Stücke der Sammlung von Ziegler, beides über Jahrzehnte zusammengetragene und lange ruhende Schaffhausen-Sammlungen.

Anlässlich der Eröffnung Schaffhausen im Fluss (SIF) im Jahr 2008 konnte die Öffentlichkeit vor Ort Medaillen prägen. Hier versucht sich die Lokalhistorikerin Olga Waldvogel, angeleitet von Kurt Wyprächtiger, am Balancier.

Der Münzhandel und die Putzfrau

Natürlich nahm der Münzhandel spätestens nach dem umfangreichen Ankauf aus der Auktion Numisart Roland Michel, die in Genf am 10. November 1997 stattfand, zur Kenntnis, dass es in der Schweiz wenigstens ein Museum gab, das eine äußerst aktive Ankaufspolitik betrieb und dafür die Mittel besaß. Zu gerne hätte so mancher Münzhändler seinen Nutzen daraus gezogen.

So erzählt Kurt Wyprächtiger gelegentlich, wie ihn ein sich besonders imposant gebärdender Münzhändler einmal einlud, um den Goldabschlag einer Schaffhauser Medaille zu besehen, den er ihm für genau 100.000 Franken zu verkaufen wünschte. Kurt Wyprächtiger sagte nein: Er habe dieses Stück bereits in Silber in der Sammlung und sei sich sicher, dass man diese 100.000 Franken besser investieren könne. Der Münzhändler war empört. Er aktivierte seine Verbindung zur Putzfrau der Stiftungsgründerin, Claire Sturzenegger, die ihrer Dienstherrin von diesem wahnsinnig aufregendem Stück vorschwärmte. Die damals schon ältere Dame reagierte, wie sie das immer tat, wenn die Stiftungsräte kein Geld für ein teures Objekt ausgeben wollten: Sie bot an, das Stück von ihrem eigenen Geld zu kaufen. Sie war völlig überrascht, als Hortensia von Roda und Kurt Wyprächtiger ihr erklärten, warum man diesen Goldabschlag nicht angekauft habe. Sie sprach damals ihrem Kurator ihr blindes Vertrauen aus: Seitdem wurde kein Ankaufsvorschlag, der von Kurt Wyprächtiger kam, jemals wieder in Frage gestellt.

Zwei Ausstellungen und eine Hortpublikation

Obwohl Vollzeit in Zürich tätig und vom Museum nur gelegentlich bezahlt, organisierte Kurt Wyprächtiger 1995 und 2000 je eine umfangreiche numismatische Ausstellung. Außerdem initiierte er die gemeinsam von José Diaz Tabernero und Daniel Schmutz 2005 herausgegebene Publikation des Funds von Neunkirch. Er selbst wirkte als Autor an verschiedenen Publikationen mit, vor allem in Zusammenhang mit den römisch-merowingischen Funden von Schleitheim.

Auszeichnungen

In all den Jahren hat die numismatische Welt durchaus wahrgenommen, was Kurt Wyprächtiger im Museum zu Allerheiligen leistete. So erhielt er 1999 den Vrenelipreis der World Money Fair. 2006 verlieh der Verband Schweizerischer Berufsnumismatiker ihm zusammen mit der Sturzenegger Stiftung den Otto-Paul-Wenger Preis, die wichtigste Auszeichnung der Schweizer Numismatik.

Zum Schluss eine Festanstellung

Seit 1993 finanzierte die Sturzenegger Stiftung eine 20 % Stelle für Numismatik, die 2017 auf 40 % erweitert wurde. Mit ihr konnte Kurt Wyprächtiger endlich die Schaffhauser Münzsammlung systematisch katalogisieren, fotografieren und im hauseigenen Programm inventarisieren. Sein Nachfolger wird also eine bestens organisierte Münzsammlung vorfinden, mit der er arbeiten kann.

Eines ist nämlich gesichert: Die Numismatik wird im Museum zu Allerheiligen weitergehen. Derzeit diskutiert man über die Qualifikationen, die man von einem Numismatiker / einer Numismatikerin erwartet, um für diese Sammlung die optimale Betreuung zu sichern.

 

In unserem numismatischen Who’s who erfahren Sie noch mehr über Kurt Wyprächtiger.

Dies ist die Seite des Museums zu Allerheiligen Schaffhausen.

Und dort wird auch die Sturzenegger Stiftung genauer vorgestellt.