Am 24. November 2019 verstarb Franz Füeg. Er dürfte allen, die sich mit byzantinischer Numismatik beschäftigen, durch die beiden von ihm publizierten Stempel-Corpora zu den Perioden 713-976 bzw. 976-1067 bekannt sein. Nur die wenigsten Münzsammler werden sich allerdings bewusst sein, dass dieser große Systematiker im „richtigen Leben“ einer der bedeutendsten Architekten der Schweiz war.
Ein Stempel-Corpus
Kennengelernt habe ich Franz Füeg vor mittlerweile rund 20 Jahren. Ich arbeitete damals als Sekretärin des Anti-Forgery-Committees der IAPN und stand vor dem Problem, Nachforschungen zur Echtheit einer Münze des Basilios I. in die Wege zu leiten. Die großen Kenner der byzantinischen Numismatik konnten sich nicht einigen. Irgendjemand gab mir damals den Tipp, mich an einen pensionierten Privatforscher zu wenden, der sich der Katalogisierung der Münzstempel dieser Epoche verschrieben hatte. Ich rief an, schickte ihm das fragliche Stück und bekam keine zwei Tage später Auskunft: Es handle sich um eine gefährliche „Transfer die“-Fälschung. Hier sei das Mutterstück publiziert, und diese Münzen seien alle mit dem davon abgenommenen Stempel geprägt worden. Brav füllte Professor Füeg seinen Experten-Fragebogen aus – und das Problem war gelöst. Niemand, wirklich niemand konnte den wenigen Sätzen, die eine der schlüssigsten Beweisführungen enthielten, die ich je gelesen habe, widersprechen.
Keine Sekunde habe ich damals darüber nachgedacht, dass der bescheidene Mann, mit dem ich in den nächsten Jahren viele Telefonate zu fraglichen Münzen führen sollte, mehr sei als ein Pensionär, der sich seine Zeit mit der Anfertigung eines Katalogs byzantinischer Münzen vertrieb.
Einer der bedeutendsten Architekten der Schweiz
Franz Füeg wurde am 31. Oktober 1921 in Solothurn geboren. Der Vater besaß eine Kunstschreinerei. Der Sohn absolvierte eine Lehre als Hochbauzeichner in der Heimatstadt und fand seine erste Anstellung bei Hans Bracher, den die Architekturgeschichte heute als Wegbereiter der „Solothurner Schule“ feiert, der Franz Füeg zugerechnet wird.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verließ er die Schweiz. Er ging nach Rotterdam, das die Bombardierung der deutschen Luftwaffe am 14. Mai 1940 mehr oder weniger dem Erdboden gleich gemacht hatte. Füeg arbeitete zwei Jahre in einem großen Architekturbüro, das mit dem Wiederaufbau der zerstörten Stadt befasst war. Diese Erfahrung sollte ihn nachhaltig prägen. Er stieg in Rotterdam auf zum Chef-Architekten und gründete wenige Jahre nach seiner Rückkehr in die Schweiz ein eigenes, bald sehr erfolgreiches Architektenbüro, das für eine Fülle von Bauten der Nachkriegszeit verantwortlich zeichnet. Von 1971 bis zu seiner Emeritierung 1987 amtierte Franz Füeg zusätzlich als Professor für Architektur an der EPF Lausanne. 2006 verlieh ihm die ETH Zürich die Ehrendoktorwürde.
Die Piuskirche in Meggen
Als Füegs architektonisches Hauptwerk gilt die katholische Piuskirche in Meggen, ein strenger Kubus, dessen Äußeres tagsüber wie eine moderne Festung aussieht. Doch wer den Bau betritt, wird im Inneren von einem warmen, goldenen Licht überrascht, das einen wohltuend einhüllt. Dieser Effekt wird durch transluzide Platten aus griechischem Marmor erzielt, die das Tageslicht gefiltert in die Kirche einlassen. Mit dem Schwinden des Tageslichts durchlebt der Bau eine unglaubliche Verwandlung: Denn nun dringt das Licht im Inneren der Kirche durch die Marmorplatten nach außen und macht sie zu einem leuchtenden Schrein, der die Nacht erhellt.
Trotz seines geringen Alters ist dieser Bau im Schweizer Kulturgüterverzeichnis als „Kulturobjekt von nationaler Bedeutung“ gelistet.
Kritisch, analytisch, bescheiden
Wer einmal in der Kirche von Meggen gestanden ist, gewinnt einen kleinen Eindruck davon, über was für eine unglaubliche Vorstellungskraft Franz Füeg verfügt haben muss. Ohne Verständnis für Schnickschnack und Überflüssiges konzentrierte er sich – ob in der Architektur oder in der Numismatik – auf die Strukturen. Seine Stempel-Corpora zeigen die gleiche Beschränkung auf das Wesentliche wie seine Bauten. Da gibt es kein überflüssiges Wort, genauso wie in dem 1982 von Füeg publizierten Buch „Wohltaten der Zeit und andere Essays über Architektur und die Arbeit des Architekten“.
Immer steht die Sache im Mittelpunkt. Ihr Urheber verschwindet hinter dem Projekt. Über sich selbst sprach Franz Füeg kaum. Er war bescheiden. Immer höflich. Bedankte sich telefonisch für jeden noch so kleinen Gefallen, den man ihm erwiesen hatte.
Der Prix Duchalais
Obwohl die Numismatik für Franz Füeg eigentlich nur ein „Nebenschauplatz“ war, sind seine Publikationen, ob Aufsatz oder Monographie, Musterbeispiele stringenten Denkens und profunden Wissens. Kein Wunder, dass ihm 2010 für sein „Corpus of the Nomismata from Anastasius II to John I in Constantinople“ der Prix Duchalais von der ehrwürdigen Académie des Inscriptions et Belles-Lettres in Paris verliehen wurde. Er hat ihn verdient, auch wenn diese Ehre hinter all den andren Ehren, die Franz Füeg als Architekt zuteil wurden, verblassen muss.
Franz Füeg ist ein fabelhaftes Beispiel dafür, welch wunderbare Menschen von der Numismatik angezogen werden. Wir trauern mit seiner Familie um einen Mann, der viel geleistet hat, und dennoch so bescheiden geblieben ist, dass in der Welt der Numismatik nur die wenigsten wussten, dass seine Ideen vom Bauen die Schweizer Städte der Nachkriegszeit geprägt haben.
Numismatikern war Franz Füeg in der Regel nur als Gleichgesinnter ein Begriff. Ausgleichende Gerechtigkeit: In seinem Wikipedia-Artikel lesen Sie ausschließlich über den Architekten Franz Füeg.