Es ist immer fruchtbringend, wenn Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen zusammenarbeiten. Mit Kay Ehling, Oberkonservator am Münchner Münzkabinett für antike Münzen, und Jörg Ernesti, Priester und Professor für Kirchengeschichte an der Universität Augsburg, haben sich zwei besonders aktive Mitglieder der wissenschaftlichen Gemeinschaft zusammengetan, um ein Buch über Papstmedaillen zu schreiben, ein oft, aber selten profund behandeltes Thema.
Spannend sind Papstmedaillen auf jeden Fall: Die Päpste nützten das neue Massenmedium Medaille bereits ziemlich früh und vor allem sehr beständig. Die erste Papstmedaille wurde bereits 1455 geschaffen, und seit Paul V. (1605-1621) existiert die Institution der Jahresmedaille, die zentrale Themen der päpstlichen Politik aufgreift und auf einen leicht verständlichen Nenner bringt. Der Titel des Werks „Glänzende Propaganda“ ist in seiner Doppeldeutigkeit sehr bewusst gewählt. In unserer heutigen, von Bildern geradezu überschwemmten Zeit tendieren wir dazu zu vergessen, wie zentral die leicht transportable und bildtragende Medaille als Medium für die päpstliche PR war.
Von Papst Martin V. bis Papst Franziskus
Zunächst eines: Bei „Glänzende Propaganda“ handelt sich nicht um ein Corpus oder gar eine systematische Arbeit zum Thema. Es handelt sich vielmehr um eine an ein nicht-numismatisch vorgebildetes Publikum gerichtete, süffig geschriebene Sammlung von Geschichten, die es über Papstmedaillen zu berichten gibt. Wobei der lockere Stil des Textes nicht darüber hinwegtäuschen darf, wie kompetent die Autoren ihre Geschichten erzählen.
Das Spektrum der päpstlichen Medaillen reicht von Martin V. (1417-1431) bis zu Papst Franziskus (ab 2013), wobei nicht alle Päpste vertreten sind und die Auswahl der Medaillen durchaus subjektiv ist. Sie hängt mit dem Bestand der Staatlichen Münzsammlung in München zusammen, aus der alle Objekte stammen. Schön sind die ausgewählten Stücke alle – Nicolai Kästner hat die wunderbaren Bilder gemacht –, und zu jeder einzelnen Medaille gibt es eine interessante Geschichte zu erzählen.
Der Text ist streng gegliedert. Nach einer Einführung ins Thema (die Autoren behalten es für sich, wer für welche Texte verantwortlich zeichnet) folgen 50 Medaillen. Jede einzelne ist 1:1, die Rückseite noch einmal in Vergrößerung abgebildet. Die Objekte sind nach numismatischen Vorgaben beschrieben. Es folgt ein Kommentar zum Stück selbst. Der kirchengeschichtliche Hintergrund kann fast als Papstvita verstanden werden. Es handelt sich also nicht um einen kirchengeschichtlichen Kommentar ausschließlich zur Medaille, sondern eher zur gesamten Herrschaft des Papstes, wobei der aufmerksame Leser wahrnehmen kann, dass das Thema der Medaille durchaus in diesem Kommentar aufgegriffen wird.
Vom Sacco di Roma bis zur christlichen Familie
Man muss kein Numismatiker sein, um sich in die vielen Geschichten zu verlieren. Wer je auf dem Forum Romanum stand, wird sich sofort in die Medaille mit der Abbildung von San Lorenzo in Miranda verlieben, der Kirche, die in den Tempel für Antoninus Pius und Faustina hineingebaut wurde. Klassische Archäologen werden sich für den Laokoon des Pius VII. oder den Antinoos Braschi des Pius’ IX. begeistern, und natürlich gibt es auch Geschichten über die Türkenkriege und Lepanto, über den heiligen Franziskus, die Jesuiten und vieles andere mehr. Auch kontroverse Themen wie Pius XII. mit seinem Radio Vaticana di Santa Maria di Galeria werden nicht vermieden.
Was an diesem Buch gefällt, ist die Tatsache, dass man es jedem in die Hand geben kann, solange er nur ein gewisses Interesse an Geschichte, der Stadt Rom, der katholischen Kirche und vielleicht sogar an Papstmedaillen hat. Und man darf sicher sein, dass all diejenigen, die vor der Lektüre noch keine Papstmedaillen gesammelt haben, sich hinterher überlegen werden, es zu tun.
Mit anderen Worten: Die Numismatik braucht mehr Bücher wie das hier vorgestellte.
Zu kaufen ist „Glänzende Propaganda“ für bescheidene 35 Euro beim Herder-Verlag.