Ist es ein Verbrechen, mit Gedenkmünzen in Großbritannien zu zahlen?

Bleifrei oder super? Zumindest für Münzsammler ist das vielleicht nicht die erste Frage an britischen Tankstellen, sondern: Sind die Münzen für den Zahlungsgebrauch gedacht oder haben sie nur Umlaufgeldstatus? Foto: Bernd Schray / Pixabay.
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Was meint in der Numismatik der Begriff Umlaufmünze? Was man dazu wissen sollte, bevor man Münzen sammelt, in sie investiert – oder sie ausgibt: Nun, das fasst alles zusammen, was Münzsammler und Investoren in Anlagemünzen in den letzten fünf Jahren umgetrieben hat. Aber warum? Die Gründe sind einerseits ganz einfach, andererseits dann doch wieder komplex, vor allem aber ist diese Frage überhaupt erst dadurch aufgekommen, dass eine bestimmte Art von Sammlermünzen geprägt und vermarktet wurde. Diese Produkte erfuhren im Vereinigten Königreich wieder Aufmerksamkeit, als durch die Medien ging, dass ein Mann in Exeter, England, versuchte, mit einer silbernen Sammlermünze mit dem Nennwert von £100 seine Tankfüllung zu bezahlen und noch an der Tankstelle deswegen verhaftet wurde. Wir kommen später auf diesen Fall zurück, aber zuerst müssen wir ein wenig näher erläutern, was es mit dieser Palette an Münzprodukten auf sich hat. Dann erklärt sich auch die Aufregung, die um sie entstanden ist.

Vor einem Jahrzehnt entwickelten nationale Münzstätten wie die Royal Canadian Mint und die britische Royal Mint ein Produkt, das in verschiedenen Stückelungen und Nominalen aus Feinsilber geprägt wurde. Die neuen Münzen zielten sowohl auf Sammler moderner Münzen ab als auch auf Investoren und zeigten unterschiedliche Themen wie Tiere, Jubiläen und Monumente. Der Ansatz war simpel: Sammler bzw. Investoren konnten die Münzen für ihren Nennwert kaufen, also die $200-Münze zu $200 in Kanada oder die £100-Münze für £100 im Vereinigten Königreich. Keine Aufpreise oder Zusatzkosten. Was konnte schon schiefgehen? Es war schließlich Geld, das von staatlichen Finanzministerien ausgegeben wurde und geprägt in Edelmetall wie z.B. Feinsilber.

Kanadische Silbermünzen mit den Nennwerten von $50, $100 und $200. Bild: Royal Canadian Mint & LBMRC UK.

Gesetzliches Zahlungsmittel – aber nicht zum Bezahlen gedacht

Die Prägungen wurden ausgegeben mit den Nennwerten von $20, $50, $100 und $200 in Kanada bzw. £20, £50 und £100 im Vereinigten Königreich. Ihr Silbergehalt reichte von einer Viertelunze bei der $20-Münze bis zu zwei Unzen bei den Stückelungen zu $200 bzw. £100. Nun, keine gute Tat bleibt ungestraft, wie es so heißt. Schon bald nach Ausgabe der Münzen stellte sich die Käuferreue ein und die Leute versuchten ihre Münzen zurückzugeben, auszugeben oder einzutauschen. Die Situation verschärfte sich, als Sammler diese Münzen in ihre Bankkonten einzahlen wollten.

Ein Extremfall: 2019 hatte ein Mann im Vereinigten Königreich £100-Silbermünzen für £29.000 gekauft. Damit wollte er Treuepunkte bei seiner American-Express-Karte sammeln. Er stellte es sich so vor: Er kaufte die Münzen, sammelte die Treuepunkte von American Express und zahlte die Münzen dann ganz einfach auf sein Bankkonto bei HSBC ein. Es gab dabei nur ein kleines Problem: Die Bank erhielt von der Royal Mint die Auskunft, dass sie nicht verpflichtet sei, die Münzen anzunehmen. Sie waren zwar Umlaufgeld, wurden vom Finanzministerium aber vor allem zu Sammlerzwecken ausgegeben und waren nicht als Handels- oder Zahlungsmittel gedacht. HSBC übte also ihr Recht aus, die Annahme zu verweigern und die Geschichte machte Schlagzeilen. Der Mann blieb auf seinen £100-Münzen im Wert von £29.000 „sitzen“ – bzw. auf dem Wert von etwas über £10.000 für das Edelmetall. Das war eine harte Lektion, die er lernen musste, und viele bezichtigten den Käufer als habgierig.

Doch unabhängig von den Motiven des Manns wäre es hilfreich gewesen, wenn diese Münzen gleich von Anfang an mit einer entsprechenden Warnung oder einem Hinweis ausgegeben worden wären. In den meisten Fällen stand den Käufern ein noch größerer Schock bevor. Wenn sie die Münzen zu ihrem Metallwert verkaufen wollten, hätten sie einen gewaltigen Verlust gemacht. Die kanadische $200-Münze enthält zwei Unzen .999 Silber mit einem aktuellen Schmelzpreis von 48 US-Dollar. Der Verlust würde heute 112 US-Dollar entsprechen, wenn wir den Umtauschkurs für den kanadischen Dollar berücksichtigen und den Tagespreis von Silber.

Beim britischen Gegenstück käme es nicht ganz so schlimm, denn die £100-Münze enthält zwar ebenfalls zwei Unzen Feinsilber, doch durch den Umtauschkurs des Pfundes beliefe sich der Verlust auf $89 oder £64 pro Münze. Damit der Edelmetallgehalt dem Nennwert der kanadischen $200-Münze oder der britischen £100-Münze entsprechen würde, müsste der Tageskurs von Silber auf mindestens $70 bis $75 ansteigen.

Man hätte Sammlern und Investoren helfen können mit einem Hinweis, dass diese Münzen NICHT als Umlaufgeld gedacht sind und – anders als £2- oder £5-Gedenkmünzen – von Banken oder Poststellen nicht zurückgenommen werden. Wenn man die Münzen zurückgeben wollte, müsste man sie zum Finanzministerium des Vereinigten Königreichs bringen. Dort werden normale Bürger aber nicht so einfach eingelassen. Deswegen sah sich die Royal Mint irgendwann gezwungen, über ihre Presseabteilung eine Warnung auszugeben. Obwohl die Royal Mint zwar für Konzept, Thema, Design und Produktion verantwortlich zeichnete, sieht sich die Münzstätte grundsätzlich nur als Herstellerin und Direktvermarkterin, ist aber nicht haftbar zu machen für eine (nicht mögliche) Einlösung.

Die britischen Silbermünzen zu £20, £50 und £100. Bild: Royal Mint & LBMRC UK.

Warum das Vereinigte Königreich seit 2017 keine Silbermünzen mit hohem Nominal mehr prägt

Bald verloren die Münzen die Gunst der Sammler, die feststellten, dass diese Prägungen keinen echten Gegenwert zum Kaufpreis boten. Dafür waren die Nominale viel zu hoch oder der Edelmetallgehalt viel zu niedrig. Schlechte Bewertungen und rückläufige Verkaufszahlen führten dazu, dass seit 2017 im Vereinigten Königreich keine weiteren Silbermünzen mit hohem Nominal mehr geprägt wurden. Stattdessen gab die Royal Mint traditionellere Anlagemünzen aus wie die Serie „Queen’s Beasts“ mit symbolischen Nennwerten, die sich bei Sammlern und Anlegern seither gleichermaßen großer Beliebtheit erfreuen.

Warum Sie beim Tanken nicht mit einer Sammlermünze zahlen sollten

Kommen wir jetzt zurück zu dem Mann, der in Schwierigkeiten mit dem Gesetz geriet, als er es im Juli wagte, mit einer Münze des Königreichs (zumindest dachte er das) seine Tankfüllung zu bezahlen. Das Tanken kostete ihn £60 und er bot seine 2016 geprägte silberne £100-Münze an mit dem Trafalgar Square auf der Rückseite. Der Tankwart wusste vermutlich nichts über solche Münzen, die in einer Auflage von 50.000 Stück ausgegeben wurden, und glaubte, es handele sich um einen Betrüger. Also rief er die Polizei an, die den 54-jährigen Kunden festnahm unter der Anklage des versuchten Diebstahls seiner Tankfüllung. Der Mann, ein Münzsammler, wurde vier Stunden lang verhört. Dabei erklärte er detailliert, dass er schon zuvor mit ähnlichen Münzen bezahlt habe. Tatsächlich war dem Mann ein derartiges Verhör offenbar nicht unbekannt. Er sagte aus, dass es einen ähnlichen Zwischenfall gegeben habe, als er 2014 mit fünf £20-Silbermünzen beim Tanken zahlen wollte.

Die Ermittler kamen nach weiteren Untersuchungen zu dem Schluss, dass der Beschuldigte nicht versucht hatte, das Benzin zu stehlen, und bestätigten ihm schriftlich, dass er nicht wegen Diebstahls angeklagt würde. Damit war der Fall geschlossen. Hätte man ihn wegen dieses Deliktes angeklagt und verurteilt, hätte ihm eine Geldstrafe in Höhe von £5.000 gedroht oder sogar eine Bewährungsstrafe. Der Münzsammler aber „drehte den Spieß“ um und erstattete Anzeige wegen Freiheitsberaubung, da die Verhaftung unrechtmäßig erfolgt sei. Tatsächlich gab ihm ein Richter Recht und verurteilte die örtliche Polizeiwache zur Zahlung der Schadensersatzforderung von £5.000. Der besagte Schaden bestand darin, „dass er (der Kläger) keine angemessene Entschuldigung erhalten habe oder eine Versicherung, dass der Vermerk dieses Vorfalls aus dem nationalen Polizeicomputernetzwerk gelöscht werde“.

Der Fall wurde aufgrund einer Regelung entschieden, die besagt, dass im Vereinigten Königreich niemandem etwas in Rechnung gestellt werden kann, wenn er die Schuld mit einer Währung zu zahlen versucht, die den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels hat und dass in England und Wales Münzen in beliebigem Umfang, die die Royal Mint produziert hat und die vom Finanzministerium ausgegeben wurden, innerhalb des Vereinigten Königreichs als Umlaufgeld gelten, wie es 1971 im „Coinage Act“ festgelegt wurde. Somit sah das Gericht diese Münzen als akzeptable Methode der Bezahlung an, obwohl jeder Einzelhändler frei entscheiden kann, ob er Sammlermünzen annimmt oder nicht.

Wir nehmen an, dass der Schadenersatz der Polizei in Umlaufgeld beglichen wurde, allerdings ist unbekannt, ob die £60 für das Benzin – um die es ursprünglich mal gegangen war – von dem Kunden bezahlt wurden und ob die £100-Münze ihm wieder zurückgegeben wurde. Angeblich soll der Mann – von Berufs wegen übrigens Schreiner – einem Boulevardblatt gegenüber geäußert haben, er plane, von dem Schadenersatz noch mehr solcher Münzen mit hohem Nominal zu kaufen. Da passt vielleicht eher das Sprichwort: Ein Narr und sein Geld sind bald geschieden. Wie bald diese Geschichte wohl fortgeschrieben wird? Das darf sich jeder selbst vorstellen.

 

Der Autor, Michael Alexander, ist Präsident des London Banknote and Monetary Research Centre.

Wenn Sie nicht ganz sicher sind, was Umlaufgeld, Anlagemünze oder Challenge Coin meinen oder was der Unterschied zwischen Gedenkmünze und Umlaufgedenkmünze genau ist, dann verpassen Sie nicht diesen Artikel bei Cosmos of Collectibles: Was ist der Unterschied zwischen einer Münze, einer Gedenkmünze und einer Medaille?

Ob man mit Gedenkmünzen bei Aldi oder Netto an der Kasse auch gleich verhaftet wird? Lesen Sie selbst: 2012 machte Peter Neugebauer ein Experiment und ging mit einer 10-Euro-Gedenkmünze einkaufen.

Nochmal anders liegt der Fall übrigens, wenn Sie versuchen, mit historischen Münzen im Alltag zu zahlen wie ein Pärchen in Los Angeles. Vor allem, wenn Sie die Münzen vorher gestohlen haben …