Juwelenraub aus Dresdens Grünem Gewölbe kurz vor der Aufklärung?

So präsentierten sich das Dresdner Residenzschloss und der vorliegende Platz unmittelbar nach der Tat, als die Polizei Spuren sicherte und Zeugen suchte. Foto: Bambizoe / CC0
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Die jüngsten Spuren des Dresdner Jahrhundertdiebstahls, bei dem die Juwelen Augusts des Starken geraubt wurden, führen nach Berlin. Dort haben Beamte des Landeskriminalamtes und der Schutzpolizei im September 2020 Wohnungen und Gewerberäume untersucht. Die neuen Hinweise könnten zur Ergreifung der Täten führen, die 2019 in das Historische Grüne Gewölbe eingebrochen waren. Dabei galt die „Schatzkammer Europas“ als gut gesichert.

Durch dieses Fenster drangen die Täter ein. Das Fenstergitter wurde unten links aufgeschnitten und später repariert. Foto: Bybbisch94, Christian Gebhardt / CC BY-SA 4.0

Minutiös geplant, in Minuten ausgeführt

Am 25. November 2019 kurz vor 5 Uhr hatten die Täter einen Stromkasten in Brand gesetzt, so dass am Theaterplatz vor dem Dresdner Residenzschloss die Beleuchtung ausfiel. Sie schnitten ein schmiedeeisernes Fenstergitter auf, rissen das Fenster aus Sicherheitsglas aus seiner Verankerung und stiegen in das Historische Grüne Gewölbe ein. Durch den Pretiosensaal gingen sie in das angrenzende Wappenzimmer und von dort gezielt in das Juwelenzimmer. Warum in dieser Zeit kein Alarm ausgelöst wurde, ist noch immer unklar.

Eine Überwachungskamera dokumentierte, wie sie mit einer Axt eine Vitrine aufhackten und eilig Objekte herausnahmen. Es handelt sich um Teile von drei Schmuckgarnituren aus der Zeit des sächsischen Kurfürsten August des Starken: den „Schmuck der Königinnen“, die „Diamantrosengarnitur“ und die „Brillantgarnitur“. Dabei beobachteten sie zwei Sicherheitsleute – die jedoch nur die Polizei informieren, nicht aber selbst eingreifen durften. Die Täter versprühten Feuerlöschpulver im Raum und verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren. Eine erste Rekonstruktion des Tathergangs sehen Sie in dieser Dokumentation.

Spurensichtung – von Dresden nach Berlin

Das Vorgehen erinnert an den dreisten Einbruch in das Bode-Museum, der von der organisierten Kriminalität ausgeführt wurde. Die Ermittler haben jedoch noch keine Hinweise darauf, dass auch hinter dem spektakulären Coup in Dresden ein Berliner Clan stecken könnte.

Die geraubten Objekte gelten aufgrund ihrer Einzigartigkeit als unverkäuflich und sind noch immer verschwunden. Dazu gehören Teile eines Brillantkolliers der Königin Amalie Auguste, ein Bruststern des Polnischen Weißen Adler-Ordens oder eine Epaulette (Schulterklappe) mit dem sogenannten Sächsischen Weißen, einem 50 Karat schweren Diamanten, der seit 1728 in sächsischem Besitz ist.

Die ermittelnde Soko „Epaulette“ vermutet mittlerweile sieben Täter. Für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter oder zum Auffinden der Juwelen finden, setzte die Polizei eine Belohnung von einer halben Million Euro aus.

Noch am Tag des Einbruchs fand man das Fluchtfahrzeug, einen hellen Audi S6 mit dunklem Dach, den Überwachungskameras gefilmt hatten. Das Fahrzeug stand ausgebrannt in einer Tiefgarage in Dresden. Doch bei der Untersuchung zeigte es sich, dass das (gestohlene) Auto ursprünglich blau gewesen war und erst kurz vor der Tat durch eine Foliierung eine neue Farbe erhalten hatte, um Spuren zu verwischen.

Am 9. September 2020 durchsuchte die Polizei mehrere Betriebe in Berlin, die möglicherweise diese Folien professionell angebracht haben. Die Staatsanwaltschaft stellte laut Medienberichten allerdings gleich klar, dass die Inhaber lediglich als Zeugen befragt wurden: „Nach gegenwärtigem Stand der Ermittlungen ist davon auszugehen, dass die durchsuchten Betriebsstätten den Zweck der Folierung nicht kannten.“ Die Polizei stellte Geschäftsunterlagen und Daten sicher, die möglicherweise zur Identität der Täter führen könnten.

Eine zweite Spur führt ebenfalls nach Berlin zu einem Mann, der SIM-Karten für Handys vertreiben soll, die auf fiktive Personalien ausgestellt wurden. Die Täter sollen bei ihm SIM-Karten gekauft haben, die sie verwendeten, um sich während der Vorbereitung und Ausführung der Tat miteinander abzusprechen. Bislang ist nicht klar, ob der Mann wusste, wofür die Karten eingesetzt werden sollten. Auch hier hat die Polizei Unterlagen, Mobiltelefone und weitere Materialien sichergestellt, die bei der Auffindung der Täter hilfreich sein können. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Sicherheit in Museen, ein schwieriges Thema

Während die Ermittlungen andauern, steht auch die Sicherheitspolitik des Historischen Grünen Gewölbes in der Kritik. Schon Ende 2018 war beschlossen worden, die veralteten Überwachungskameras auszutauschen. Ebenso sollen die Sicherheitsvorkehrungen an der Fassade und den Vitrinen erhöht werden. Seither fanden – auch aufgrund des Einbruchs in Dresden – mehrere Expertentreffen statt, um das Thema Sicherheit in Museen zu diskutieren.

Bereits der Einbruch im Berliner Bode-Museum, bei dem die Riesengoldmünze „Maple Leaf“ entwendet wurde, hatte Fragen aufgeworfen, welche Sicherheitsvorkehrungen realistisch sind. In dem Fall wurden die Täter ermittelt, wenn auch die „Maple Leaf“ verschwunden blieb. Während der Einbruch im Bode-Museum zur organisierten Kriminalität führte, ging ein ähnlich forsches Vorgehen in der Berliner Gedächtniskirche, bei dem Orden entwendet wurden, auf das Konto eines Kleinkriminellen.

Der MDR berichtete wiederholt von den neuesten Ermittlungsergebnissen aus Dresden: Ermittlungen zum Fluchtauto und zum Telefonkartenhändler.