Mosul Cultural Museum auf dem Weg zur Wiedereröffnung

Das Mosul Cultural Museum im Dezember 2020. © ALIPH – Thomas Raguet.
[bsa_pro_ad_space id=4]

Wenn Laith Hussein vom Sieg des Guten über die rückwärtsgerichteten Elemente des Finsteren spricht, dann meint der Direktor der irakischen Altertümerverwaltung nichts Abstraktes. Er hat ganz konkret das Mosul Cultural Museum vor Augen, das zur Zeit wiederaufgebaut wird, nachdem fundamentalistische Terroristen des Islamischen Staats (IS) 2015 das zweitbedeutendste Museum Iraks komplett zerstört hatten.

Zerstörung als Social-Media-Kampagne

Am 26. Februar 2015 teilten die Terroristen auf Social-Media-Kanälen Fotos und Videos ihres Kampfes gegen Kultur und Geschichte. Sie hatten soeben die Stadt Mosul erobert und das nach dem Nationalmuseum in Bagdad bedeutendste Museum des Landes zerbombt, seine Exponate publikumswirksam zerstört, 25.000 Bücher verbrannt und die Ruinen in ein Steuerbüro („Diwan Zakat“) umfunktioniert. Im Lagerraum, in dem noch wenige Tage zuvor Relikte aus der langen Historie des Zweistromlandes verwahrt worden waren, hatten nun die Bewohner ihre Abgaben für die Gotteskrieger zu entrichten. Die internationale Empörung war groß, die Weltöffentlichkeit machtlos.

Übrigens: Bei vielen der so demonstrativ zerstörten Objekte handelte es sich keineswegs um Originale. Einen großen Teil der kostbaren Exponate hatte man bereits 1991 nach dem Golfkrieg und 2003 nach dem Irakkrieg nach Bagdad verbracht, wo sie in Sicherheit waren, wie der ehemalige Gouverneur von Mosul, Atheel al-Nujaifi, klarstellte. Die oft zu lesende, längst widerlegte Behauptung, sie seien in Massen zur Finanzierung eines Terrorregimes auf den Antikenmarkt gespült worden, diente 2015 der Durchsetzung von strengeren Kulturgutschutzgesetzen, und war für viele Kenner des Kunstmarktes ein erschreckendes Zeugnis, wie oberflächlich die Tagespresse das Geschehen recherchierte (und recherchiert).

Das Museum – ein Trümmerfeld

Erst im Juli 2017 konnten irakische Truppen die IS-Terroristen wieder aus Mosul vertreiben. Dies ermöglichte es, den Schaden am Museum zu begutachten. Dort, wo zuvor wichtige Funde aus Ninive und Nimrud, Zeugnisse der babylonischen, parthischen und islamischen Kulturen ausgestellt worden waren, lauerten jetzt Minen. Im Fußboden der großen Halle klaffte ein mehrere Meter großer Bombenkrater.

Von den verbliebenen Objekten waren viele schwer beschädigt, so ein kolossaler Löwe aus Nimrud, die sogenannte „Banquet Stela“, ein monumentaler assyrischer Schutzdämon mit Stierkörper, Menschenkopf und Flügeln (Lamassu) und ein kostbares hölzernes Ehrengrabmal (Kenotaph). Manche Objekte hatten Museumsangestellte vor der Zerstörung bewahrt, indem sie sie nach Ninive geschmuggelt hatten, wie Richard Kurin vom Smithsonian Institution Artnet News erläuterte.

Bomben und Entführungen: Museale Arbeit unter Kriegsbedingungen

Richard Kurin war auch einer der ersten Experten, die das Museum nach der Befreiung persönlich begutachteten. Artnet News erzählte er: „Ich erinnere mich, wie ich dort zum ersten Mal hinkam. Es war eine totale Kriegszone. Es ist ein gefährlicher Ort und die Arbeit nicht das, was man normalerweise bei Museumsmitarbeitern erwarten würde.“ Kurin und seine Kollegen wurden in Maryland intensiv auf ihren Besuch vorbereitet: In einem nachgebauten irakischen Dorf übten sie das Verhalten bei Hinterhalten und Entführungen ein. Seine französische Kollegin Ariane Thomas, Direktorin der Abteilung des Nahen Ostens im Louvre, erzählte, bei ihrem ersten Besuch habe noch eine Bombe auf dem Museumsdach gelegen.

Bei dieser massiven Zerstörung war klar: Irak wird nicht in der Lage sein, die Schäden aus eigenen Kräften zu reparieren. Im Juni 2018 bat das irakische Ministerium für Kultur, Tourismus und Altertümer daher ALIPH (International Alliance for the Protection of Heritage in Conflict Areas) um finanzielle Unterstützung. ALIPH sagte bald 1,3 Millionen US-Dollar zu und das Restaurierungsprojekt fand auch gleich internationale Hilfe: Schwergewichte der Museumswelt wie das Smithsonian und der Louvre machten sofort mit, 2020 kam noch der World’s Monuments Fund hinzu.

Erste Hilfe für die Kultur

Zunächst mussten die Objekte sortiert, gereinigt und verwahrt werden. Dann richteten die Experten vor Ort ein Restaurierungslabor ein für „Erste-Hilfe-Eingriffe“. Und dann kam Corona.

Im Juli 2020 erhielt das irakische Team eine IT-Ausstattung, die es den Experten des Louvre ermöglichte, auch von Paris aus die Arbeiten zu begleiten und das Personal zu schulen. Ariane Thomas war positiv überrascht: „Wir haben ein Onlinetrainingsprogramm für die irakischen Kollegen ins Leben gerufen und wir entwickeln gerade eine Pilotplattform, um uns effizienter jeden Tag austauschen zu können. Diese Phase hat uns Zeit gegeben, um die Missionen, die wir vor Ort planen, besser vorzubereiten. Diese sind schließlich teuer und wir müssen dabei so effizient wie möglich sein. Ich sage mir selbst, dass wir jetzt gelernt haben, noch besser aus der Entfernung miteinander zusammenzuarbeiten. Wir machen Fortschritte, das Projekt ist trotz der weltweiten Krise nicht völlig stehengeblieben, und das ist das Wichtigste.“

Seit Sommer 2020 wurde das Museumsgebäude weiter stabilisiert, Schutt beseitigt, Sanitäranlagen eingerichtet, sogar eine kleine Ausstellung im Außenbereich konnte eine Ahnung geben, wie eines Tages ein zum Leben erwecktes Museum wieder aussehen könnte. Im Februar 2021 besuchten Experten des WMF das Museum in Mosul und planten die nächsten Schritte. Die internationale Unterstützung soll es ermöglichen, das Museum in den nächsten Jahren endlich wieder zu eröffnen, um die kostbaren Kulturgüter des Landes vor Ort zu zeigen.

Richard Kurin fasst das Projekt so zusammen: „Das Mosul Cultural Museum wieder aufzubauen steht für den Sieg des Wissens über die Ignoranz, des Respekts über die Intoleranz, der Einheit über die Teilung, der Menschlichkeit über die Brutalität.“

 

Auf seiner Seite stellt der World’s Heritage Fund das Projekt Mosul Cultural Museum vor.

Das ist die Seite des Smithsonian Institution.

Das Projekt Rekrei hat übrigens daran gearbeitet, das Museum virtuell wieder aufzubauen.

Über die Gefahr für die Kultur in den Unruhegebieten des Nahen Ostens schrieben wir schon vor der Zerstörung des Museums.

Ein deutsch-irakisches Projekt arbeitet seit Jahren dafür, das architektonische Erbe des Landes zu schützen.