Mithilfe der Ronus-Foundation konnte das Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin einen bedeutenden Bestand von über 2.000 Münzen der Sammlung Balan erwerben und für die Forschung sichern. Die Münzen stammen aus der sog. Kipper- und Wipperzeit, in der vor rund 400 Jahren zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges das Münzsystem außer Kontrolle geriet.
Die tiefgreifende Münzentwertung in Mitteleuropa hatte ihren Höhepunkt zwischen 1618 und 1622. Die Bezeichnung Kipper- und Wipperzeit geht auf die Praxis zurück, mit einer Schnellwaage durch „Wippen“ die schwereren Silbermünzen zu identifizieren, die anschließend ausgesondert (ausge“kippt“) wurden. Zur Geldvermehrung wurden diese Münzen eingeschmolzen und unter Zugabe unedler Metalle (Kupfer, Zinn, Blei) wieder in den Umlauf gebracht. Es entstanden in den verschiedenen Territorien viele neue kleine Münzstätten (sog. Heckenmünzstätten).
Praxis der Geldvermehrung in der Kipper- und Wipperzeit
Diese Praxis der Geldvermehrung führte dazu, das breite Bevölkerungsschichten verelendeten, die auf einen festen Lohn festgelegt waren, dessen Steigerung mit dem Geldwertverfall nicht Schritt hielt. Entsprach der regionale Kreuzer vor dem Dreißigjährigen Krieg noch 1/90 eines guthaltigen Reichtalers, so war dieser zwei Ende 1621 weniger als 1/390stel wert, was sich 1622/23 vielerorts noch verschlimmerte, während an einigen Orten schon wieder wirkungsvoll gegengesteuert wurde. Der produktivste der Kipper-Münzherren war der Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, Friedrich Ulrich (reg. 1613–1634). In vermutlich mehr als 50 Münzstätten seines Herrschaftsgebiets wurden geringhaltige Münzen geprägt. Bislang werden über 220 Münztypen unterschieden.
Erworbene Sammlung Balan ist ein Glücksfall für die Numismatik
Die nun vom Münzkabinett erworbene Sammlung Balan ist ein Glücksfall für die Numismatik, die Landesgeschichte und für das Museum, denn sie umfasst 2.051 Münzen und ist auf in den welfischen Landen geprägte Münzen spezialisiert. Die Sammlung des 2020 verstorbenen Dr. Dr. Ernst-Henri Balan, des langjährigen Ehrenvorsitzenden der Numismatischen Gesellschaft zu Berlin, ist mit großer Expertise zwischen 1965 bis ca. 2015 zusammengetragen worden. Das Münzkabinett Berlin verfügte schon vor der Erwerbung der Sammlung Balan über die nächstbedeutende Sammlung von welfischen Kippermünzen, immerhin 650 Stück. Der nunmehr 2.700 Münzen dieses Bereichs umfassende Bestand bietet die Möglichkeit zur breiten Dokumentation der Erzeugnisse des größten deutschen Kippermünzherrn und der anderen welfischen Herzöge.
Die Sammlungserweiterung ist wesentlich dem Kurator Christian Stoess zu verdanken, der dazu erklärt: „Die Provenienz dieser 2.051 neuzeitlichen seriellen Objekte ist unkritisch. Die Sammlung, die unseren Bestand zu Friedrich Ulrich vervierfacht, kommt gerade zum rechten Zeitpunkt. Wir haben im letzten Jahr mit der Aufarbeitung unserer Kipper und Wipper begonnen, und auf Basis von Teilen dieser Neuerwerbung soll eine akademische Qualifikations-Arbeit entstehen. Der Bestand bietet die Chance zu tiefergehenden Untersuchungen über die Mechanismen der Münzproduktion in jenen Jahren. Studien zu Stempelschneidern, Werkstätten und Stil werden möglich und somit auch das Aufzeigen von Netzwerken der an der betrügerischen Münzproduktion Beteiligten, vom Auftraggeber über das Aufsichtspersonal bis hin zu den ausführenden Münzmeistern.“
Der Erwerb der Sammlung wurde durch eine großzügige Spende der Ronus-Foundation in Los Angeles unterstützt. Die Ernst von Siemens Kunststiftung beteiligt sich im Rahmen ihrer Corona-Förderlinie an der Ersterfassung.
Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite der Staatlichen Museen zu Berlin.
Wer sich für das Münzkabinett in Berlin interessiert, kann an einem virtuellen Rundgang teilnehmen.
Lesen Sie mehr über Wallenstein’s Rolle zur Zeit der Kipper und Wipper.