Wen und was wir auf unseren Geldscheinen und Münzen zeigen, ist stets ein Ausdruck der nationalen Identität. Mit der ist es in den USA seit einigen Jahren zunehmen kompliziert, von einem tief gespalteten Land ist oft die Rede. Da kann eine Frage wie die, wen man auf einem Geldschein setzten will, zu einem großen Politikum werden.
Doch von Anfang an. 2015 wollte die Obama-Regierung wissen, wen die Bevölkerung der USA künftig gern auf einem Geldschein sehen würde. Bereits länger gab es Stimmen dafür, eine Frau auf einen der Geldscheine abzubilden. Die Entscheidung fiel schließlich auf die afroamerikanische Sklavenbefreierin Harriet Tubman, die sich u.a. gegen Eleanor Roosevelt und Rosa Park durchsetzte. Zunächst sollte Tubman auf den 10$-Schein kommen. Dann aber wurde genau in dem Jahr die Person, die wir auf dem Schein sehen, dermaßen populär, dass eine Ersetzung nicht in Frage kam – die Rede ist von Alexander Hamilton, der Held eines Musicals, das 2015 Premiere feierte.
Also hieß es 2016, dass Harriet Tubman stattdessen auf der Vorderseite des 20$-Scheins abgebildet werden soll, als Ersatz für Präsident Andrew Jackson, der dafür auf der Rückseite zusammen mit dem Weißen Haus auftauchen sollte. Erste Entwürfe wurden bekannt, und bereits 2020 sollten die Scheine in den Druck gehen. Doch es kam anders – Auftritt Donald J. Trump. Der fand schon im Wahlkampf, dass die Änderung „bloße Political Correctness“ sei. Trump gab an, ein großer Fan von Andrew Jackson zu sein und ließ ein Gemälde von ihm ins Oval Office hängen. Während seiner Präsidentschaft wurde das Projekt Tubman auf die lange Bank geschoben – 2026, 2028, schließlich war von 2030 die Rede.
Ein Geldschein als Politikum
Für die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung, die Trump für einen Rassisten und Frauenfeind hält, war das kein Zufall. Während Trumps Amtszeit kam es immer wieder zu Unruhen; für die #MeToo- und Black-Lives-Matter-Bewegungen in seiner Amtszeit war die Causa Tubman ein Symbol für Trumps rückwärtsgewandte Politik, die Umsetzung des Motivs daher zu einem wichtigen Symbol des Umdenkens.
Initiativen wie Tubman20 und Woman on 20s setzten sich für die Motivänderung ein und starteten Petitionen. Künstler und Aktivisten verbreiteten selbst kreierte Tubman-Banknoten, teils mit deutlichen politischen Forderungen. Und immer wieder tauchten und tauchen 20$-Noten auf, auf denen das Portrait von Jackson mit dem von Tubman überstempelt oder Tubman dazu gestempelt wurde – rechtlich natürlich problematisch. Gleichzeitig wurden auch für den Verbleib von Jackson auf den Scheinen Stimmen laut.
Wer waren Tubman und Jackson?
Sicher fragen sich viele Leser, die nicht aus den Vereinigten Staaten stammen, wer Tubman und Jackson überhaupt waren. Ein kurzer Exkurs.
Harriet Tubman wurde gegen 1820 als Sklavin auf einer Plantage in Maryland geboren. 1849 floh sie aus der Sklaverei und verhalf fortan unter ständiger Gefährdung des eigenen Lebens anderen Sklaven, aus den Südstaaten in den Norden zu fliehen, wo die Sklaverei bereits abgeschafft war. Sie ist das bekannteste Mitglied des Schleusernetzwerks Underground Railroad, das bis zum Bürgerkrieg etwa 100.000 Sklaven befreite. Im Bürgerkrieg war Tubman für die Nordstaaten als Kundschafterin, Spionin und Krankenschwester tätig. Nach dem Krieg setzte sie sich für die Rechte der Frau ein. Heute gilt die außergewöhnliche Frau als amerikanische Heldin.
Und wer war der Herr, der ihr jetzt weichen soll? Nicht zufällig ist das Andrew Jackson. Der siebente US-Präsident ist zumindest hier in Europa weniger bekannt als viele andere Präsidenten auf den Banknoten. Er war Mitbegründer der demokratischen Partei (die damals für völlig andere politische Anliegen stand), gilt als Kriegsheld und war der erste Präsident, der nicht aus der amerikanischen „Aristokratie“ stammte. Dennoch ist „Old Hickory“, so sein Spitzname, durchaus umstritten. Das liegt, neben seinem autokratischen politischen Stil, vor allem daran, dass unter ihm 1830 der Trail of Tears begann: die Deportation von etwa 100.000 amerikanischen Ureinwohnern aus ihren Siedlungsgebieten in Reservate, die unmittelbar tausende Tote zur Folge hatte. Zudem war er selbst Sklavenhalter. Die Symbolkraft, die darin liegt, ihn durch die ehemalige Sklavin Tubman zu ersetzten, liegt auf der Hand.
Wie geht es weiter?
Der ganze Fall zeigt wunderbar, was für eine Symbolkraft von Bargeld und seiner Gestaltung auch heute noch ausgeht. Nun ist Trumps Präsidentschaft vorbei. Joe Biden hat im Januar verkünden lassen, dass der Umgestaltungsprozess wieder aufgenommen und erarbeitet wird, wie das neue Design schnellstmöglich umgesetzt werden kann. Auch andere „Neubesetzungen“ auf Scheinen sind seit 2016 im Gespräch. Ob die ähnlich kontrovers ablaufen werden? Wir halten Sie auf dem Laufenden!
Schon 2016 berichteten wir über den geplanten Motivwechsel.
Mehr über das außergewöhnliche Leben von Harriet Tubman weiß zum Beispiel Wikipedia.
Auf den Seiten von Initiativen wie Tubman20 und Woman On 20s erfahren Sie mehr über deren Anliegen und die politischen Dimensionen des Falls. Dort kann man auch fingierte Scheine und Stempel erwerben.
Sollten wir sie neugierig auf das Musical gemacht haben: Hier können Sie sich den Anfang auf Youtube anschauen.