Im Mai 2018 wollte das Auktionshaus Sotheby’s in New York eine griechische Statuette in Pferdeform aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. anbieten. Einen Tag vor der Auktion meldete die griechische Regierung ihre Ansprüche an, ohne stichhaltige Gründe dafür zu nennen. Doch das Auktionshaus gab nicht klein bei, und seitdem tobt ein Rechtsstreit, der Auswirkungen auf den gesamten Kunsthandel hat. Im Kern geht es dabei um die Frage: Wer muss eigentlich die Provenienz eines antiken Objekts belegen? Das Auktionshaus oder das (vermeintliche) Herkunftsland? Rollen wir den komplizierten Vorgang kurz noch einmal auf.
Wie alles begann
Am 14. Mai 2018 sollte die besagte Pferdestatuette im geometrischen Stil in einer Auktion verkauft werden. Die Schätzung lag bei $150.000 bis $250.000, umgerechnet ca. 133.000 bis 222.000 Euro. Das Stück stammte aus der Sammlung von Howard und Saretta Barnet, die es 1973 von dem Kunsthändler Robin Symes erstanden hatten. Symes ist kein Unbekannter, er war in illegalen Antikenhandel verstrickt. Dies insbesondere rief die griechische Regierung auf den Plan.
Griechenland verlangte einen sofortigen Verkaufsstopp. Nach griechischem Recht gilt jedes Kunstobjekt, das in Griechenland gefunden wurde, zunächst als Eigentum des Staates. Als Voraussetzung für legalen Handel verlangt Griechenland eine offizielle Exporterlaubnis. Andernfalls unterstellt der Staat Raubgrabung und illegale Ausfuhr.
Sotheby’s nahm das Stück daraufhin aus der Auktion; es hätte ohnehin kein Sammler auf ein derart belastetes Los ein realistisches Gebot abgegeben. Dann allerdings unternahm das Auktionshaus einen ungewöhnlich, zumindest in den USA bisher einmaligen Schritt: Es verklagte im Juni 2018 seinerseits den griechischen Staat. Die Statuette sei von Howard und Saretta Barnet vor 45 Jahre legal und in gutem Glauben erstanden worden. Es gebe keine Hinweise darauf, dass gerade dieses Stück tatsächlich illegal ausgeführt wurde, andernfalls liege die Beweislast bei den griechischen Behörden. Da Griechenlands Einmischung Auswirkungen auf Handelsaktivitäten gehabt habe, müsse man nach Ansicht von Sotheby’s den sogenannten Foreign Sovereign Immunities Act (FSIA) anwenden. Dieses Gesetz sieht vor, dass ein ausländischer Staat, der grundsätzlich Immunität genießt, unter ganz bestimmten Voraussetzungen trotzdem vor Gericht verklagt werden kann, und zwar beispielweise wenn er dem kommerziellen Erfolg eines Unternehmens geschadet habe.
Der Fall landete vor dem US-Distriktgericht des Southern District of New York, wo man im Juni 2019 Sotheby’s Recht gab. Griechenland trug den Fall in die nächste Instanz.
Sotheby’s–Griechenland 1:1
Am 9. Juni 2020 entschied der US-Appellationsgerichtshof, Sotheby’s könne Griechenland nicht aufgrund des FSIA verklagen. Ein Staat, der Ansprüche auf Kulturgut geltend mache, verfolge hoheitliche, nicht wirtschaftliche Interessen. Dies ist eine interessante akademische Trennung von Aspekten, die in der Praxis letztlich zusammenfallen. Welcher Staat hat nicht auch wirtschaftliches Interesse an seinem Kulturgut …?
Was bedeutet der Richterspruch für den Kunsthandel?
Griechenland arbeitete nun auf die Rückgabe der Statuette hin und sieht sich für zukünftige Fälle bestätigt. Sotheby’s betont, dass Griechenland keinerlei Beweise dafür geliefert habe, dass die Statuette illegal ausgeführt wurde. Das Auktionshaus überlege daher weitere rechtliche Schritte.
Sollte Sotheby’s Erfolg haben, könnte dies die Beweislast umkehren und die Situation für den Kunsthandel deutlich verbessern. Denn jüngste Studien haben wiederholt gezeigt, dass der von verschiedenen Medien (und auch von Griechenland) immer wieder postulierte illegale Handel mit Kunstobjekten nur einen verschwindend geringen Anteil ausmacht. Ein illegales Vorgehen ist in den meisten Fällen völlig spekulativ. Dass ein Ursprungsland als Kläger die Beweislast tragen müsste, wäre deshalb eigentlich sinnvoll.
Ausführlich berichteten über den Prozess englischsprachige Medien wie The Art Newspaper und artnet news.
Bei uns finden Sie die Vorgeschichte zusammengefasst.
Zur Bedeutung des illegalen Handels sollten Sie auch das Interview mit St John Simpson, Oberkurator des British Museum, lesen.