Thomas K. Diehn (1945-2021)

Thomas K. Diehn, 2011: „Gerade in der Mitte des Lebens. Sein oder Nichtsein?“. Foto: Staatliche Münzsammlung München, Nicolai Kästner
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Den Nachwuchswettbewerb der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst (DGMK) hatte er mit Freude verfolgt. Die letzten Wochen stand er mit uns in Verbindung, als es um das Medaillenschaffen zwischen 2007 und 2020 ging. Die vier Arbeiten, die er für den Ausstellungskatalog „Hand Große Kunst“ ausgewählt hatte, schenkte er in einer großzügigen Geste der Staatlichen Münzsammlung München.

Darunter ist die Arbeit „Gerade in der Mitte des Lebens. Sein oder Nichtsein?“ aus dem Jahr 2011. Sie ist eines seiner Werke, in denen er sich nicht auf die Farbe des Metalls beschränkte, sondern seine Bronzen mit Glasapplikation und Kolorierung bereicherte. Das rechteckige Relief ist eine Auseinandersetzung mit einer Selbstaussage der DGMK („über uns“), in der es heißt: „Im Leben die eigene Mitte zu finden und zu halten, ist nicht leicht.“

Thomas Diehn schrieb zu dieser Medaille: „Ist eine befriedigende berufliche Position und ein geeigneter Partner gefunden – kurz gesagt, die wichtigsten Unsicherheiten des Lebens in seiner Mitte beseitigt oder gelöst, stellt sich für nicht wenige Menschen die Frage, wie das Leben weiter auszurichten ist. Sich weiter intensiv dem Ausbau der Karriere widmen, ganz in der Familie aufgehen, wie bisher weitermachen? Ist das Leben, wie ich es führe, auf Dauer wirklich befriedigend und erstrebenswert? Auch noch in zehn oder 20 Jahren? Allmählich dringt die Endlichkeit des Daseins und die Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Wahlmöglichkeiten stärker ins Bewusstsein. Falls ich voll auf den Beruf „setze“, wie wird es mir dann im Alter ergehen, wenn ich „freigestellt“ bin? Wähle ich weitere Anpassung und Verinnerlichung an externe „Normen“ und „Wertvorstellungen“ oder stärkere Entwicklung eines eigenen Lebensstils? Leben und Ausrichtung nach selbstgewählten oder fremdbestimmten Maßstäben? Lebe ich wirklich mein eigenes Leben? Glücklich ist zu schätzen, der sich solch „Luxussorgen“ machen kann – obgleich der Betroffene sich subjektiv in der beschriebenen Lage sicherlich nicht besonders glücklich schätzen wird.“

Thomas Diehn schuf Medaillen, und er fragte sich auch in seinem jüngsten Text für den Ausstellungskatalog, „wie weit der Hersteller der Werke diese als Element seiner eigenen „Lebenskunst“ wahrnehmen kann.“ Und er sammelte Medaillen. Für ihn war auch die Betrachterperspektive wichtig: „Kann also durch eine entsprechende Gestaltung eines Werkes sein Betrachter – sofern er dafür empfänglich ist und sich darauf einlässt – für sein eigenes Leben durch Assoziation, durch Interpretation, durch Anregung seiner Phantasie hinsichtlich von Alternativen bzgl. seiner Einstellungen und Verhaltensweisen eine substantielle Bereicherung, sogar einen Zuwachs an Sinn seines Lebens erfahren?“

Die Lebenskunst von Thomas Diehn ist beendet. Vor zwei Wochen erst hatte er die unerwartete Diagnose erhalten. In Telefongesprächen regelte er seinen Nachlass und forderte zum Besuch auf. Ich hatte versprochen, auf dem Rückweg von dem Transport unserer Leihgaben nach München vorbeizukommen. Die max. drei Monate, die die vorsichtige Diagnose des Arztes gelautet hatte, blieben ihm aber nicht, und nun stand ich mit der Witwe an seinem Totenbett und erwies ihm die letzte Ehre. Unvorbereitet traf der Tod Thomas Diehn nicht. Wir sind es, die mit unserem vergeblichen Wunsch nach weiteren engagierten Gesprächen zurückbleiben.

 

Die Werke von Thomas K. Diehn finden Sie auf seiner Website.

Einige der Medaillen und Plaketten von Thomas K. Diehn sind in der Sonderausstellung „Hand Große Kunst“ präsentiert.