Weltmacht Portugal Teil 6: Megalithbauten im Alentejo

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Eine Fahrt durch die Umgebung von Evora ist mit nichts zu vergleichen. Mitten in den Weiden von Schafen, Rindern und Schweinen liegen gigantische Steine. Erst wundert man sich über die Launen der Natur. Dann realisiert man: Das ist Menschenwerk. In der Jungsteinzeit muss Evora ein boomendes Zentrum gewesen sein, wie Südengland vielleicht oder die Bretagne. Der Vorteil daran: Während man sich in Carnac gegenseitig auf die Füßen tritt, kann man im Alentejo den großartigen Hauch der Vergangenheit einsam und in schönster Natur auf sich wirken lassen.

Irgendwo im Nirgendwo: Der Aquädukt von Evora – nicht wie die deutsche Wikipedia behauptet, aus römischer Zeit, sondern erbaut unter König Joao III von 1531-1537. Foto: KW.

Donnerstag, 9.4.2015

Heute holten wir unseren Mietwagen ab. Es war kein kleiner Smart, sondern ein prachtvoller Honda Civic, in dem all unsere Gepäckstücke leicht Platz fanden. Wir hatten uns entschieden, Quartier zu wechseln. Die Leute in der Pousada von Evora waren zwar schrecklich nett, aber die Zimmer auch schrecklich klein. Das neue Ziel war nur knapp 25 Kilometer von Evora entfernt. Wir wollten den Pousadas noch eine Chance geben und hatten eine Übernachtung in der Pousada von Arraiolos gebucht. Schon die Fahrt dorthin war ein Genuss. Obwohl Regen angesagt war, begnügten sich die Wolken damit, malerisch über den Himmel zu ziehen, mal ein bisschen weißer, mal ein bisschen schwärzer. Die Landschaft war grün, Herden von Kühen, Schafen und Pferden präsentierten ihre frisch geborenen Kälber, Lämmer und Fohlen. Dazwischen blühende Bäume und alte Gemäuer, die malerische Akzente setzten, kurz wir fuhren durch eine Bilderbuchlandschaft.

In der Pousada von Arraiolos stellten wir nur schnell unser Gepäck ab, denn wir waren ja aus einem besonderen Grund so nahe bei Evora geblieben. Wir wollten unbedingt die megalithischen Bauten in der Gegend besuchen. Menhire, Dolmen und sogar eine paläolithische Höhle mit Malereien!

Wohlweislich hatte ich mich gleich mit mehreren Karten versorgt, um eine Chance zu haben, wenigstens einen Bruchteil der Sehenswürdigkeiten zu finden. Traditionell sind solche Attraktionen nämlich eher ein wenig versteckt. Wie überrascht waren wir deshalb, dass wir rund 10 Kilometer vor dem ersten Mehir auf einen braunen Wegweiser stießen. Bis zum Schluss war alles ausgezeichnet ausgeschildert, so dass wir, ohne uns ein einziges Mal verfahren zu haben, beim ersten Menhir landeten, dem Menhir von Almendres.

Der Megalithkultur begegnet man in verschiedenen Gegenden Europas. Am bekanntesten dürfte wohl das britische Stonehenge sein, aber auch der Steinkreis von Carnac in der Bretagne gehört zu den großen Wundern der Welt. Wer käme so ohne weiteres auf die Idee, dass im Alentejo ein Zentrum dieser Kultur zu finden ist, die von Archäologen zwischen dem Neolithikum und der Bronzezeit angesiedelt wird. Bereits die erste Liste dieser gigantischen Baudenkmäler, die im Jahr 1734 der portugiesischen Akademie der Wissenschaften vorgelegt wurde, umfasste 315 Dolmen, davon allein 66 rund um Evora. Sie liegen überall herum, mitten in Kuhweiden oder in Vorgärten.

Wir mussten zu unserem ersten Menhir ca. 15 Minuten zu Fuß gehen, wobei der Menhir gar nicht die Hauptsehenswürdigkeit war. Die am hellichten Tag singende Nachtigall war mindestens genauso eindrucksvoll, ganz zu schweigen von den glücklichen Schweinen, die sich direkt neben dem Menhir durch den Boden gruben. Es handelt sich um eine der ältesten Schweinerassen der Welt, um das Iberische Schwein, das den beliebten Spanischen Schinken liefert. Bereits in römischer Zeit sollen diese Schweine sich an den von den Korkeichen herabfallenden Eicheln gemästet haben. Und noch heute wird ein Teil dieser sympathischen Viecher auf freien Weiden gehalten, weil man nur so glaubt, die hohe Qualität des Schinkens gewährleisten zu können.

Apropos Korkeichen. Die standen überall. Schließlich ist das Alentejo eine der wichtigsten Regionen weltweit für die Herstellung von Korken, wie wir ihn so gerne aus den Weinflaschen ziehen. 100 bis 200 Kilogramm Kork kann ein einzelner Baum während seiner Lebenszeit liefern, wenn er sorgfältig gepflegt wird.

Geschält wird nur der Stamm, und zwar bis zum Splint. Nur so kann immer wieder eine neue Schicht der Rinde wachsen, aus der man den Kork gewinnt. Diese Schicht wird alle neun bis zwölf Jahre geerntet.

Gab es bis vor kurzem riesige Probleme für die Winzer, weil nicht genügend Naturkork zur Verfügung stand, fürchten die Naturschützer heute exakt das Gegenteil: Da immer mehr Wein mit Plastik verschlossen wird und Kork auch nicht mehr so häufig als Isoliermaterial Verwendung findet, könnten die lichten Korkwälder bald nicht mehr rentieren. Dann würde man sie aufgegeben, was so seltenen Tieren wie dem Pardelluchs und dem Kaiseradler (nein, wir haben weder das eine noch das andere gesehen) den Lebensraum rauben würde.

Nur wenige Kilometer von dem Menhir entfernt liegt der Kromlech von Almenderes. Während man in Carnac Eintritt zahlen muss, um in das abgezäunte Gelände zu kommen und sich dort das Erlebnis mit Hunderten von Touristen teilen muss, waren wir in Almenderes mit dem neolithischen Bauwerk ganz allein. Eine Tafel machte alle Touristen freundlich darauf aufmerksam, dass man nach Möglichkeit nicht auf die Steine klettern solle und dass es im nahe gelegenen Ort auch eine öffentliche Toilette gäbe, ein zarter Hinweis darauf, dass mancher Besucher kein Gespür für die einstige Heiligkeit des Ortes hat.

Tatsächlich war es ein unglaubliches Erlebnis, vor diesem Bauwerk zu stehen, das zwischen 4000 und 2.800 v. Chr. entstanden sein dürfte. 92 zum Teil Tonnen schwere Steine wurden hierher verbracht, nacheinander, über einen langen Zeitraum, vielleicht um als Stätte zu dienen, an der Rituale durchgeführt wurden, die irgendwie mit dem Wechsel der Jahreszeiten in Verbindung standen. Wir gingen langsam durch den Kreis, suchten die wenigen mit Reliefs verzierten Steine (bei den meisten waren wir uns nicht sicher, ob es sich um natürliche Verwitterung oder um künstliche Bearbeitung handeln könnte) und genossen die unglaubliche Weltferne des Platzes. Wir hatten Glück. Als wir wieder zu unserem Auto zurückkehrten, stiegen gerade zwei interessant gewandete Damen mit wilder Frisur und einigen Accessoires aus einem Taxi, die darauf schließen ließen, dass hier wieder einmal ein „Kraftort“ durch ein keltisierendes Ritual zum Leben erweckt werden sollte. Na ja, der Kromlech von Almenderes dürfte in seiner Geschichte schon Schlimmeres gesehen haben.

 

Ebenfalls ganz nahe bei Evora befindet sich die paläolithische Gruta do Escoural mit ihren Felsenritzungen und den Malereien. Leider ist sie nicht immer offen. Oder sagen wir besser, sie ist in der Regel geschlossen. Wer sie besuchen will, muss sich vorher anmelden. Natürlich hatten wir versucht, dies zu tun. Am Tag vorher, in der Fremdenverkehrsinformation von Evora. Doch leider liegt die Höhle zwar bei Evora, gehört aber zu einem anderen Verwaltungs-Bezirk. So fühlte man sich in Evora nicht zuständig. Wir fragten natürlich nach Details, zum Beispiel ob wir hoffen dürften, dass wir am Telefon jemanden hätten, der Englisch oder Französisch spräche (von Deutsch wagten wir nicht mal zu träumen). Nun, das glaube er nicht, aber hier sei die Telefonnummer, wurde uns in schönstem Englisch mitgeteilt. Nun ja, besahen wir uns also wieder einmal ein wunderschönes Tor mit einem interessanten Schloss.

Vorbei an der Höhle von Escoural fuhren wir weiter nach Sao Brissos, wo im 17. Jahrhundert ein Dolmen zu Ehren eines in Evora als heilig verehrten Bischofs in eine kleine Kapelle verwandelt worden war. Leider war die Kapelle geschlossen, aber schon der steinerne Eingang war eindrücklich genug.

Inzwischen waren die Wolken dichter und schwärzer geworden, und wir hatten den Eindruck, sehr mutig zu sein, als wir ohne Schirm die kleine Wanderung begannen, die uns zum letzten und bedeutendsten Teil unserer Tour führte: zum großen Dolmen von Zambujeiro.

Wir stellten unser Auto mitten zwischen zwei Bauernhöfen ab und wanderten zwischen den verschiedenen Kuhherden rund eine halbe Stunde bis zum Megalithgrab.

Was wir dort sahen, verschlug uns schlichtweg den Atem. Wir hatten nicht gewusst, dass es sich dabei um eines der größten Megalithgräber überhaupt handeln würde, das von poetischen Autoren bereits als „Kathedrale der Steinzeit“ beschrieben worden ist. Entdeckt hatte man es 1964. Ein Bauer hatte sich über einen riesigen Stein beschwert, der ihn beim Pflügen störte. Als man die 20 Tonnen schwere Steinplatte sprengte, stellte man überrascht fest, dass sie zu einem neolithischen Grab gehörte.

Glücklicherweise konnte nach diesem ersten Schaden eine geordnete Ausgrabung vorgenommen werden, bei der Perlen, Steinbeile, Keramik, Klingen und 154 ritzverzierte Schieferplattenidole gefunden wurden. Sie waren verteilt auf den ca. 10 Meter langen Gang und die mit rund 9 Meter Durchmesser gigantische Kammer.

Wenn man sich die Steine ansieht, aus denen dieses enorme Bauwerk errichtet wurde, kann man nur vor Ehrfurcht schaudern, wie viel Energie, Kraft, Geschicklichkeit und Planung investiert wurden, um dieses gewaltige Monument zu errichten.

Der aufregende Tag hatte uns rechtschaffen hungrig gemacht. Und da die Pousada von sich behauptete, eine gute Küche zu besitzen, entschieden wir uns, hier zu essen. Das war ein Fehler. Das Team vom Service war sichtlich überfordert. Der Küchenchef hatte eine etwas eigenartige Auffassung davon, was Touristen an Lokalkolorit ertragen. Schon das Amuse-Gueule, eine an sauren Schwartenmagen erinnernde, undefinierbare Substanz, die uns ohne jede Erklärung vor die Nase geklatscht wurde, war geeignet, eine Abmagerungskur dringend angeraten erscheinen zu lassen. Als man mir dann zu meinem gegrillten Gemüse einen Klumpen Reis vorsetzte, der sich problemlos komplett auf die Gabel spießen ließ, ohne dass ein einzelnes Reiskorn herniederfiel, fand ich es doch ein wenig zu daneben. Während wir gefühlt eine halbe Stunde warteten, bis der Ober wieder einmal in unsere Richtung schaute, hatte ich meinen Teller mit dem Gemüse fast fertig gegessen. Nur drei kleine Stückchen Gemüse lagen noch darauf, als ich dem Ober endlich meinen Reistrick vorführen durfte. Der zog mir sofort den Teller weg und brachte ihn mir nach einer Viertel Stunde wieder mit frisch gekochtem Reis und den inzwischen kalt gewordenen drei Gemüsestückchen. Ach ja. Drei Tage übernachteten wir in dieser Pousada. Drei Mal hätten wir im Restaurant zu Abend gegessen, wenn denn das Essen etwas getaugt hätte. Aber es gibt so viele Fehler auf dieser unserer Welt, dass man einen nicht zweimal machen muss.

Die nächste Folge führt uns nach Beja, das wohlmeinende Autoren schon als die „Königin der Ebene“ bezeichnet haben. Nun, Königinnen sollen ja auch nicht mehr das sein, was sie mal waren.

 

Hier finden Sie alle Folgen der Serie „Weltmacht Portugal“.