Weltmacht Portugal Teil 7: Beja, Königin der Ebene?

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Das Alentejo ist nicht wirklich der Nabel der Welt. Trotzdem ist es wunderschön mit seiner Bilderbuchlandschaft. Der optische Eindruck verliert allerdings etwas, wenn das Wetter auf Dauerregen umschaltet.

 

Freitag, 10. April 2015

Eigentlich wollten wir ja nach Troia fahren. Ich hatte so viel Gutes über die Ausgrabung gehört. Man habe dort eine römische Fabrik zur Herstellung von Garum entdeckt! Das einzige Problem: Wie in den Reiseführern zu lesen, ist die Grabung nur auf telefonische Anmeldung zu besichtigen. Das mag ja schön und gut sein, wenn man hervorragend Portugiesisch spricht, aber mit meinen Rumpfsprachkenntnissen! Wir entschieden uns also, nicht 300 Kilometer auf Verdacht zu fahren, um dann wieder einmal vor verschlossenen Türen zu stehen. Stattdessen planten wir einen Tagesausflug nach Beja, das mein Reiseführer als die „Königin der Ebene“ bezeichnet.

Nun sagen wir es mal so: Als wir in Beja ankamen, war es etwas schwierig, das Königliche dieser Stadt auf Anhieb zu entdecken. Beja sah trist aus, dazu das trübe Wetter, das jeden Moment drohte, in Regen überzugehen. Eine Touristeninformation oder wenigstens einen Stadtplan mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten fanden wir natürlich auch nicht auf Anhieb. Stattdessen hingen überall in der Stadt unter dem Info-I drei Plakate mit tollen Landschaftsaufnahmen aus dem Alentejo. Extrem nützlich!

Der Fehler bestand wahrscheinlich darin, dass wir es wieder einmal geschafft hatten, genau zur Mittagspause in Beja anzukommen. Jedenfalls öffneten sich plötzlich alle möglichen Türen, und jede Menge Leute strömten auf die Straße, um nach hause oder in die umliegenden Bars und Patisserien zu gehen. Wir taten es ihnen gleich, tranken Café bzw. Cola und aßen dazu drei Pasteten, wofür wir die fürstliche Summe von guten vier Euros bezahlten. Das Leben ist für uns billig in Portugal.

Um 14.00 machten dann pünktlich alle Museen wieder auf. Leider waren wir zu dem Zeitpunkt von dem strömenden Regen, der auf uns herunterprasselte, – nein, wie hatten immer noch keinen Schirm gekauft – ziemlich entnervt. Dabei gab es wirklich einiges zu entdecken in Beja, das zeitweise sogar – an diesem verregneten Freitag wirklich sehr schwer zu glauben – als Residenz der portugiesischen Könige gedient hatte.

Pax Iulia. Augustus. As, 15-14. Aus Auktion Lanz 158 (2014), 405.

Beja existierte schon in römischer Zeit. Das versteht man schnell, wenn man sich ansieht, was für eine beherrschende Lage es über der Ebene des Alentejo einnimmt. Gleich drei antike Schriftsteller erwähnten die Stadt: Ptolemaios als Pax Iulia, Strabo als Pax Augusta und Plinius als Colonia Pacensis. Münzen sind natürlich auch bekannt! Iulius Caesar hatte während seines spanischen Feldzugs die Stadt von den Kelten erobert und hier eine römische Kolonie eingerichtet, die ihren Namen nach ihm trug. Beja oder Pax Iulia erhielt seinen Namen, weil Caesar hier Frieden mit den Lusitaniern schloss und die Stadt zu einem Conventus in der Provinz Lusitania erhob.

Im Stadtbild sieht man nicht viel davon. Doch immerhin sind zwei Stadttore geblieben, die jetzt wunderbar in die große Mauer der Festung eingebaut sind, die sich über der Stadt erhebt, und die man relativ leicht findet. (Wegen ihrer Größe ist sie nicht zu übersehen.)

Diniz I., 1279-1325. Dinheiro. Aus Auktion Künker 137 (2008), 3519. Foto: Lübke & Wiedemann.

Sie wurde von Diniz I. im 13. Jahrhundert errichtet, und zwar auf den Fundamenten der römischen Stadtmauer, der westgotischen Befestigungen und des arabischen Kastells. Beja ist eine der wenigen Städte, in denen tatsächlich alle drei Kulturen ihre Spuren hinterlassen haben.

Ein Blick in das hoch gepriesene Regionalmuseum Núcleo Visigótico. Foto: KW.

Vor allem auf die zahlreichen Relikte der westgotischen Epoche von Beja, vor der Eroberung durch die Umayyaden im Jahr 713, ist man sehr stolz. In dieser Zeit war die Stadt nämlich relativ bedeutend. Aus Pax wurde Paca und aus dem Conventus eine Bischofsstadt, die sogar einen heiligen Bischof produzierte (den heiligen Aprigio, kein Heiliger, den man sich unbedingt merken müsste). Tatsächlich besitzt Beja das bedeutendste Ensemble westgotischer Architekturteile, das in Portugal überhaupt vorhanden ist. Es ist, sind wir ehrlich, nicht gerade wahnsinnig beeindruckend.

Pilaster aus dem 7. Jh. n. Chr. Etwas gaaaaaanz Besonderes (auch wenn’s nicht so aussieht). Foto: KW.

Versammelt sind die Überreste in der Kirche des heiligen Amarus, einem von nur fünf vorromanischen Bauten in ganz Portugal. Wie gesagt, dieses Museum wurde exakt um 14.00 geöffnet, so dass wir die vielleicht 50 Architekturteile aus westgotischer Zeit bewundern konnten. Kunstgeschichtlich war das sicher ein Highlight. Leider hat die westgotische Epoche nicht unbedingt die eindrücklichsten Kunstwerke hervorgebracht, so dass wir nach 10 Minuten mit der Besichtigung des ganzen Museums fertig waren.

 

 

 

Convento de Nossa Senhora da Conceicao. Foto: KW.

Unser nächster Weg führte uns zur wichtigsten Sehenswürdigkeit von Beja, dem Kloster „Unsere liebe Frau von der Empfängnis“. Hier lebten einst Klarissinnen und mit dem Kloster ist eine der ekelhaftesten Liebesgeschichten Portugals verbunden. Ein fünfzehnjähriges Mädchen namens Mariana Alcoforado, das die Eltern zum Klosterleben verdonnert hatten, verliebte sich eines Tages, als es beim sehnsuchtsvollen Blick aus dem Fenster einen jungen, hübschen Franzosen sah. Es war ein Edelmann, wobei edel ein Wort ist, das man mit dem Typen wirklich nicht verbinden sollte. Der Bruder Marianas hatte Mitleid mit seiner ins Kloster verbannten Schwester und arrangierte ein Treffen zwischen dem Franzosen und ihr.

Kreuzgang des Klarissinnen-Klosters. Foto: KW.

Zwei Jahre dauerte die Schwärmerei der Nonne, ehe der Franzose sang- und klanglos in die Heimat verschwand. Die inzwischen 17jährige schrieb ihm weiter heißblütige Briefe, die ihr Geliebter in der Kneipe seinen Mitsäufern zum Besten zu geben pflegte. Sie werden sich großartig darüber amüsiert haben. Einer der Zuhörer amüsierte sich nicht. Er sah vielmehr die Tragik in der Geschichte der Verlassenen und verfasste die 1669 erstmals veröffentlichten, sogenannten Lettres Portugaises, fiktive Briefe der jungen Nonne an den untreuen Liebhaber, die durch die deutsche Übersetzung aus der Feder Rainer Maria Rilkes auch in die deutsche Literaturgeschichte eingingen.

Dies im Hinterkopf kann man das Regionalmuseum, das heute im ehemaligen Klarissinnenkloster untergebracht ist, nicht mehr mit ganz nüchternen Augen sehen. Selbst eine schreiende und brüllende Schulklasse zerstörte die ruhige und weltabgewandte Stimmung in dem wunderschönen kleinen Kreuzgang nicht ganz.

Der dustere Kapitelsaal. Foto: KW.

Höhepunkt der Besichtigung ist der Kapitelsaal mit Kacheln aus Sevilla, die bereits im 16. Jahrhundert hergestellt wurden. Sehen konnte man sie nicht wirklich. An einem nicht gerade sonnendurchfluteten Tag war die Beleuchtung nicht ausreichend. Doch immerhin ist die Decke beleuchtet und bemalt, allerdings nicht gerade qualitätvoll.

Danach hatten wir genug. Im strömenden Regen kehrten wir in die Parkgarage zurück, fuhren nach Evora und kauften dort im Supermarkt ein. Noch einmal würden wir sicher nicht in dieses ärgerliche Restaurant in der Pousada gehen!

Stockfisch aus Norwegen. Foto: KW.
Hadrian. Denar, 134-138. Rv. Hispania vor dem Kaiser kniend, vor ihr das passende Symboltier, der Hase. Aus Auktion Rauch 94 (2014), 887. Foto: Lübke & Wiedemann.

Stattdessen aßen wir auf dem Balkon und seufzten darüber, dass wir mitten auf dem Land eine Pastete aus Spanien, einen Frischkäse aus einer Großkäserei in Lissabon und einen Pudding aus Deutschland erstanden hatten. Spannend, Produkte aus der Region hatten wir im Supermarkt nicht gesehen. Selbst der Stockfisch kam aus Norwegen!

Wie auch immer. In himmlischer Ruhe saßen wir auf dem Balkon, sahen den Häschen beim Herumlaufen zu (Ja, Hispania war die Provinz, die auf den Denaren des Hadrian den Hasen zeigt!) und genossen das Leben.

 

 

Samstag, 11. April 2015 – Arraiolos

Als wir heute aufwachten, strahlte die Sonne. Allerdings nicht für lange. Schnell sog sie die ganze Feuchtigkeit auf, und es entstand ein Nebel, der sogar das nahe gelegene Arraiolos auf dem gegenüberliegenden Hügel verhüllte, als hätte es das Städtchen nie gegeben.

Wir hatten heute nach dem Frühstück vor, die nähere Umgebung zu erkunden. Das erste Ziel lag gerade einmal 10 Schritt vor dem Eingang der Pousada. Die wunderschöne Kirche des Konvents ist komplett mit Fliesen ausgestattet. Der Orden, der ursprünglich im Kloster „Unsere liebe Frau von der Empfängnis“ untergebracht war, ist hierzulande ziemlich unbekannt. Aber die vielen Fliesen in der Kirche erzählten ihre eigene Geschichte. Sie sprachen vom Orden der Brüder des hl. Johannes von Gott.

Ihr Gründer ist bei uns ziemlich unbekannt, und das völlig zu Unrecht, denn er gehört eindeutig zu den sympathischeren Heiligen. Er wurde ganz in der Nähe von Arraiolos geboren, in Montemor-o-Novo, direkt an der nächsten Autobahneinfahrt. Sein Beinamen „a deus“ weist darauf hin, dass es sich bei diesem Johannes wohl um ein Findelkind handelte, das als Landsknecht unter Karl V. Karriere machte. Er soll bis nach Genua, Innsbruck, Linz und sogar Wien gekommen sein. 1538 ließ sich Johannes in Gibraltar nieder, wo er eine florierende Buchhandlung führte. Und kaum ein Jahr später hatte dieser Johannes eine religiöse Eingebung. Nach einer Predigt verschenkte er all sein Hab und Gut und landete erst einmal im Irrenhaus. Die Zeiten des hl. Franz von Assisi, wo man für solchen „Irrsinn“ noch verehrt wurde, waren eben lange vorbei.

Die darauf folgenden Wochen im Irrenhaus prägten Johannes von Gott. Als er es wieder verlassen durfte, verwendete er seine gesamte Energie darauf, selbst Krankenhäuser für psychisch Kranke zu errichten, um ihnen eine menschenwürdige Pflege angedeihen zu lassen. Sogar die oberste Gesellschaftsschicht war von seinem Wirken beeindruckt. So spendete Philipp II. von Spanien persönlich Geld für weitere Hospitäler. Johannes soll am 8. März 1550 ums Leben gekommen sein, weil er einem Buben, den ein Hochwasser führender Fluss mit sich gerissen hatte, das Leben zu retten versuchte. Wie gesagt, endlich einmal ein Heiliger, mit dem man sich glatt identifizieren könnte.

Arraiolos selbst dürfte noch wesentlich älter sein als Evora und Beja zusammen. Man geht davon aus, dass die Burg mit ihrer ungewöhnlichen, kreisrunden Anlage seit der Bronzezeit dauerhaft besiedelt war.

Von all dem ist heute nichts mehr zu spüren. Arraiolos ist ein Kaff. Es gibt ein paar Bars und einige Restaurants, aber nach einem Lebensmittelgeschäft muss man lange suchen. Junge Leute? Fehlanzeige. An diesem herrlichen, sonnigen Samstag Vormittag hatten sich nur alte Männer auf dem Hauptplatz versammelt, um in Ruhe ihren Kaffee respektive ihr Bierchen zu trinken. Es war laut. Jeder schien jeden zu kennen. Und quer über den Marktplatz flogen die Scherzworte hin und her. Wir saßen vielleicht eine Stunde da und genossen die Atmosphäre. In dieser Stunde sahen wir insgesamt zwei jüngere Menschen. Die Frau, die an der Bar bediente, und ein junger Mann, der den Platz überquerte und jedem der älteren Männer die Hand schüttelte.

Die Situation änderte sich auch nicht, als wir quer durch die Stadt liefen, um auf die Burg zu steigen. Ob in den Gemüsegärten beim Arbeiten, auf der Bank vor der Haustür beim Ausruhen oder im Supermarkt beim Einkaufen. Das Durchschnittsalter lag weit über 65. Nun ja, wenn man sich so umsah, dann blieb die Frage auch offen, was ein junger Mensch in diesem Dorf tun sollte.

Das wurde im nächsten Dorf namens Pavia nicht besser. Auch dort hielten wir auf dem Dorfplatz an. Diesmal setzten wir uns in keine Bar, sondern bewunderten einen Dolmen, der in eine Kirche umgewandelt worden war. Beobachtet wurden wir von mindestens 20 Männern, alle im Rentenalter.

Wir fuhren weiter durch Pavia und landeten bei der Hauptkirche (geschlossen) und dem daneben liegenden Friedhof. Weil wir schon einmal da waren, gingen wir hin und waren fasziniert. Alle Gräber bestanden aus Marmor. Die reichsten Familien hatten sich kleine Kapellen erbauen lassen, in denen die Holzsärge offen auf marmorne Regale gestellt wurden. Ziemlich ungewöhnlich, fanden wir.

Mit einigen Umwegen auf der Suche nach gut versteckten Dolmen (nein, wir fanden sie nicht) genossen wir den herrlichen Tag und die noch schönere Landschaft. Blühende Wiesen, darin Korkeichenhaine, Kuhherden, Schafherden, Alleen und Stauseen. Bei Sonne ist dieses Land einfach zauberhaft. (Bei strömendem Regen hält sich der Zauber ziemlich in Grenzen. Nur gut, dass für Morgen noch einmal Sonne angesagt ist…)

Die nächste Folge führt uns in die Sommerfrische der portugiesischen Könige, nach Cascais und Sintra. Sie ist besonders Frau Schäfer von der Heidelberger Münzhandlung gewidmet.

 

Hier finden Sie alle Folgen der Serie „Weltmacht Portugal“.