Weltmacht Portugal Teil 8: Die Königsschlösser von Sintra und Mafra

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gewidmet Frau Schäfer von der Heidelberger Münzhandlung

Während das Alentejo selbst unter Portugal-Kennern als Geheimtipp gilt, steht Sintra als Weltkulturerbe auf dem Programm jedes Bildungsreisenden. Zu Recht. Allerdings würde ich ernsthaft davon abraten, es an einem Sonntag zu besuchen.

Einfahrt zur Pousada von Cascais. Foto: KW.

Sonntag, 12. 4. 2015 – Sintra

Wir fuhren von Arraiolos nach Cascais. Und standen Höllenängste aus. In Portugal gibt es nämlich Autobahnen, die nicht nur Gebühren kosten. Für den erhöhten Nervenkitzel kann man diese Gebühren nicht wie in Italien, Frankreich und dem Rest der zivilisierten Welt an einer Zahlstation begleichen. Deshalb bietet jede Autovermietung für einen leichten Aufpreis ein Gerät an, das diese Gebühren automatisch begleicht. Natürlich hatten auch wir so ein Gerät gemietet. Aber wenn man sich dann den imaginären Zahlstellen nähert und die mehrsprachigen Drohungen liest, was alles passieren kann, wenn man seine Gebühr nicht korrekt begleicht, dann läuft einem schon ein Schauer über den Rücken.

Irgendwann realisierten wir, dass unser Gerätlein funktionierte. An einer der Stationen mit(!) Zahlstelle schaltete nämlich eine Ampel auf grün und zeigte 60 Cent für eine Strecke von gefühlten 100 Kilometern. So viel Angst für so wenig Geld!

Blick auf die Altstadt von Sintra. Foto: KW.

Wir erreichten am späten Vormittag Cascais, den beliebtesten Badeort aller Bewohner von Lissabon, und standen in einem Wald von Schildern. Jedes Hotel war angezeigt. Nur unsere Pousada nicht. Aber wofür verfüge über eine jahrelange Erfahrung als Reiseleiter? Ich durchschaute sofort, dass das „Pestana Hotel“ die Pousada sein musste. Schließlich werden seit 2003 alle Pousadas von dieser Hotelgruppe gemanagt. Also folgten wir dem Wegweiser „Pestana Hotel“ durch die Wirren der Stadt. Erst als wir vor einem total modernen Kasten standen, kamen mir leise Zweifel.

Um es kurz zu machen. Es war nicht die Pousada. Wir mussten den ganzen Weg noch einmal zurückfahren. Und Wegweiser gab es nicht, weil das Ding sich mitten im Stadtzentrum in einer alten, weithin sichtbaren Festung befand. Aber das muss man erst einmal wissen…

Da es noch früh am Tag war, beschlossen wir, das nahe gelegene Sintra zu besuchen. Und da waren wir erst einmal überrascht. Die Straße entwickelte sich von einer Küstenstraße zu einer ziemlich steilen Bergstraße mit vielen engen Windungen. Romantische Täler, ein üppiges Grün, kein Wunder, dass früher diejenigen, die es sich leisten konnten, im Sommer aus dem heißen Lissabon flohen, um im nahe gelegenen Sintra die kühlere Luft zu genießen.

Wo heute das Maurische Kastell steht, war schon im Neolithikum eine Siedlung. Zahlreiche Dolmen zeugen davon, dass auch an den benachbarten Orten Menschen siedelten. Bronzezeit, Eisenzeit, es müssen schon in vorgeschichtlichen Perioden viele und reiche Menschen in dieser Region gelebt haben. Und das blieb so unter den Römern. Varro und der antike Geograph Ptolemaios berichteten in ihren Schriften über die Gegend unter der Bezeichnung die heiligen Mondberge.

Auch die Araber mochten das kühle Sintra und legten hier im 8. Jahrhundert ein Kastell an.

Der königliche Palast. Foto: KW.

Das wurde im Jahr 1147 von Afonso Henriques erobert, zusammen mit den Kreuzrittern, die hier auf dem Weg ins heilige Land Station gemacht hatten (vgl. dazu Portugal Teil 4). Wegen des fruchtbaren Lands in Kombination mit den zerklüfteten Tälern, die Weltabgeschiedenheit im Überfluss boten, siedelten sich zahlreiche Klöster hier an.

Der König hielt seine Hand auf Sintra, schließlich eignete sich das Land hervorragend, um von den steilen Hügeln aus die benachbarten Gebiete zu bedrohen. Spätestens seit dem 14. Jahrhundert stand hier ein königlicher Palast, der immer wieder im Zentrum der portugiesischen Geschichte stand.

Zahlreiche Bauten des 19. Jahrhunderts stehen in Sintra. Foto: KW.

Hier beschloss Joao I. die Eroberung von Ceuta. Hier wurde Afonso V. geboren, hier starb er. Und hier wurde Joao II. zum König ausgerufen.

So richtig schick aber wurde Sintra erst im 19. Jahrhundert. Damals ließ sich Fernando II ein portugiesisches Neuschwanstein von Wilhelm Ludwig von Eschwege bauen.

 

Maria II., 1834-1853. 7.500 Reis 1834, Lissabon. Aus Auktion Künker 256 (2014), 256. Foto: Lübke & Wiedemann.

Dass ein deutscher Bergbauingenieur mit dieser Aufgabe betraut wurde, lag daran, dass der königliche Gemahl von Maria II. eigentlich der deutsche Prinz Ferdinand August Franz Anton von Sachsen-Coburg-Gotha war. Deutschland lieferte damals vielen Königreichen die Herrscher. Man denke nur an Großbritannien und Prince Albert. Ferdinand bewährte sich jedenfalls so gut, dass ihm nach dem Tod seiner Gattin und der Volljährigkeit seines Sohnes die griechische und die spanische Krone angeboten wurde, was er beides ablehnte, um die Opernsängerin Elise Friederike Hensler zu heiraten und mit ihr in Sintra zu leben.

Die Anwesenheit so hochrangiger Dauergäste zog zahlreiche Adlige in die Gegend. Die von den Gedanken der Romantik beeinflussten Reisenden aus England, Deutschland und den Vereinigten Staaten, die in Scharen nach Sintra pilgerten, konnten sich vor Begeisterung gar nicht einkriegen. „Das Städtchen Sintra, das vermutlich in jeder Hinsicht entzückendste von Europa, enthält Schönheiten aller Art; natürliche und künstliche Paläste und Gärten erheben sich inmitten von Felsen, Katarakten und Abgründen.“ So schwärmt niemand geringerer als Lord Byron, der mit Sicherheit schon so einiges in seinem Leben gesehen hatte.

Seit 1887 transportierte eine Eisenbahn die Erholungssuchenden nicht gerade preiswert, dafür aber schnell von Lissabon nach Sintra.

Seit 1995 ist das Ensemble von Sintra Weltkulturerbe, so dass mittlerweile nicht nur Hunderte von Tagesausflüglern an Wochenenden die Straßen verstopfen, sondern auch die riesigen Busse mit den Hunderten von Touristen aus den vor Lissabon ankernden Kreuzfahrtschiffen.

Wir entschieden uns bei all den möglichen Schlössern und Adelssitzen, die wir hätten bewundern können, für den alten, historischen Königspalast. Erstens lag er leicht erreichbar im Stadtzentrum (ein nicht zu verachtendes Argument für erfahrene Reisende), zweitens verursacht die Architektur des 19. Jahrhunderts bei mir in der Magengrube immer so ein leichtes Unbehagen. Alles ist so perfekt, dass man manchmal in Versuchung gerät, das nachgeahmte Mittelalter für echter zu halten als die realen Ruinen, die nebenan stehen. Man denke nur an die Haut Königsburg im Elsass oder die Wartburg in Thüringen. Fragen Sie 1.000 Passanten, und alle werden ihnen sagen, dass Burgen im Mittelalter genau so ausgesehen haben…

Da ist der alte Königspalast für mich wesentlich eindrücklicher. In einem Eckturm wurde zum Beispiel von Manuel I. der Wappensaal eingebaut mit seiner prachtvollen Decke, die in der Mitte das königliche Wappen zeigt, und darum herum die Wappen der wichtigsten Adelsfamilien des Landes.

Überhaupt lohnt es sich in diesem Palast nach oben zu sehen. Im Saal der Galeeren sind an der Decke die verschiedenen Schiffstypen dargestellt, mit denen Portugal seinen Überseehandel trieb.

Natürlich gibt es auch sonst noch beachtenswerte Details, zum Beispiel die vielen Porträts mit Figuren der portugiesischen Geschichte. So zum Beispiel der durch Schiller so berühmt gewordene Don Carlos, der als Sohn der Erbprinzessin Maria von Portugal nicht nur spanischer, sondern auch portugiesischer Thronerbe war, ehe er unter ziemlich verdächtigen Umständen starb.

Einseitige Medaille von Pompeo Leoni 1557 auf Don Carlos. Auktion Baldwin 67 (2010), 2602.

Während sein Vater Philipp II. ihn in Schillers Drama dem Großinquisitor ausliefert, wurde Don Carlos im realen Leben von seinem Vater der Verschwörung beschuldigt. Man machte einen Sturz über eine Treppe für seinen Ungehorsam verantwortlich. Damals habe er eine schwere Verletzung erlitten, die nur dank einer Trepanation, ausgeführt von dem damals weltbekannten Anatomen Vesalius, nicht tödlich gewesen sei. Nach diesem Unfall wäre er völlig unberechenbar geworden, so dass er die Niederländer unterstützen wollte. (Komisch, die Niederländer hielten das nicht für ein Zeichen seines Wahnsinns…) Kurz vor seiner Flucht aus Madrid wurde der Thronerbe von seinem Vater persönlich gefangen gesetzt. Er starb unter so ungeklärten Ursachen, dass der Kaiserhof in Wien einen Sondergesandten schickte, um sich vor Ort über das Geschehen zu informieren. Heute nimmt man an, dass der Prinz in Gefangenschaft eine Art Essstörung entwickelte und verhungerte.

Und wenn wir schon beim Essen sind. Der absolute Höhepunkt von Sintra ist die Küche, deren Schornsteine auch von außen die Fassade des königlichen Palastes prägen. Hier kann man sich darüber kundig machen, wie früher für mehrere Hundert Menschen gekocht wurde. Neben zwei gigantischen Backöfen gibt es einen fast 40 Meter langen Herd, auf dem fast 20 riesige Töpfe nebeneinander schmurgeln können.

Das Cabo da Roca. Foto: KW.

Nicht zu vergessen ein gigantischer, in die Wand eingelassener Wärmeofen, in dem die gekochten Gerichte über Stunden hinweg warm gehalten wurden.

Jeder, der Sintra besucht, fährt weiter zum Cabo da Roca, zum westlichsten Punkt des europäischen Kontinents.

Was praktisch bedeutet, dass sich eine einzige Menschenschlange über die Wege an den Klippen entlang windet.

 

 

 

Man ist nicht allein am Cabo da Roca. Foto: KW.

Aber das ist noch nichts im Vergleich zu der Autoschlange, die sich an diesem Sonntagspätnachmittag von Sintra nach Cascais zurückschlängelte. Mit Geschwindigkeiten bis zu 15 Stundenkilometer rasten die Großpapas dahin, um der Großmama und dem Enkel, die wunderbare Aussicht zu zeigen. Dahinter stauten sich Autobusse, Sportwagen und wir, so dass wir für die vielleicht 30 Kilometer auf der Küstenstraße von Sintra nach Cascais rund anderthalb Stunden brauchten.

Das Abendessen im Restaurant Luzmar: Eine wunderbare Cataplana. Foto: KW.

Dass der Tag trotzdem noch als voller Erfolg abgespeichert werden kann, verdanken wir Frau Schäfer von der Heidelberger Münzhandlung, die uns schon vor der Abreise wärmstens ans Herz legte, unbedingt eine Cataplana zu essen. Eigentlich versteht man unter einer Cataplana nichts anderes als einen fest verschließbaren Topf. Doch die Portugiesen nennen auch das, was sie darin garen, Cataplana. Mit Vorliebe kochen sie darin einen wunderbaren Eintopf aus allerlei Meeresgetier und reichlich Curry. Dazu der herrlich leichte Vinho Verde, und das Leben sieht prachtvoll und lebenswert aus, selbst wenn man vorher anderthalb Stunden mit 15 Stundenkilometern gefahren ist.

Montag, 13. April 2015 – Mafra

Heute morgen ging es nach Mafra, dem die meisten Kunstreiseführer breitesten Raum geben. Er ist für sie das Symbol von Portugals „Zweitem Goldenen Zeitalter“, wobei die meisten Mitteleuropäer noch nie von diesem „Zweiten Goldenen Zeitalter“ gehört haben.

Brasilien. Joao V. 12.800 Reis 1731, Minas Gerais. Aus Auktion Künker 160 (2009); 4595. Foto: Lübke und Wiedemann.

Alles begann damit, dass Ende des 17. Jahrhunderts ein paar Forschungsreisende im Inneren Brasiliens, das seit Jahrhunderten unter portugiesischer Herrschaft stand, auf Gold stießen. Vorher war die Gegend mehr oder weniger unberührt und damit nicht gerade lukrativ gewesen. Nun buddelten plötzlich Tausende von Glücksrittern im Bundesstaat Minas Gerais, der seinen Namen nach eben diesen Minen trägt.

Zeitgenössische Darstellung des Kriegs der Emboabas. Quelle: Wikipedia.

Natürlich kam es schnell zum Streit wegen des neuen Reichtums. Die Bewohner von Sao Paolo beharrten darauf, ihnen allein stünde das Recht zu, die neuen Minen auszubeuten. Die neu zugezogenen Bergleute sahen das natürlich etwas anders. So kam es zum Krieg dos Emboabas, der mehrere hundert Tote kostete, ehe der König von Portugal als lachender Dritter daraus hervorging, weil er die Kontrolle über die Minen einfach komplett der Krone unterstellte.

Von da an strömte das Gold von Brasilien nach Portugal, in Spitzenzeiten bis zu 25 Tonnen (sic!) jährlich. Und der König nutzte das Geld für Extravaganzen sondergleichen. Der Palast von Mafra gehört dazu. Infrastrukturelle Maßnahmen weniger, so dass Portugal, als die jährlichen Goldlieferungen zurückgingen und irgendwann ganz versiegten, genauso arm dastand wie zuvor.

Der Palast von Mafra aber ist geblieben. Er ist ein gigantisches Zeugnis von geschmacklosem Protz wie er mit einem Zuviel an Geld häufig einhergeht. Allein die Außenfassade ist 230 Meter lang!

880 Säle und Zimmer, 4.500 Türe und Fenster, 29 Innenhöfe. Schon die Nachkommen Joaos V. hatten echte Probleme, was sie mit diesem völlig überdimensionierten Häuschen anfangen sollten. Sie kriegten die Zimmer einfach nicht voll, und stellten darin ihren ganzen unnützen Plunder ab.

Trotz des einquartierten Klosters – zuerst Franziskaner, dann Domherren des Augustinerordens, dann wieder Franziskaner – war Mafra einfach für jeden vernünftigen Zweck zu groß. Deshalb diente es seit 1834 dem Militär als Quartier und in Teilen als Museum.

Die Bibliothek von Mafra. Foto: KW.

Als absoluter Höhepunkt gilt die berühmte Bibliothek von Mafra. Nun, um ehrlich zu sein, wir haben schon schönere gesehen. Aber vielleicht hatte uns das ganze Imponiergehabe des Baus auch für seine versteckten Schönheiten unempfindlich gemacht.

Auch die nächste Folge ist zwei überdimensionierten Bauten gewidmet, allerdings wurden sie von Leuten mit besserem Geschmack errichtet. Wir besuchen das Kloster von Batalha und die ehemalige Burg der Tempelritter von Tomar, deren Hauptaltar an die Grabeskirche von Jerusalem erinnert.

 

Hier finden Sie alle Folgen der Serie „Weltmacht Portugal“.