Am 2. Februar 2023 führt Künker seine traditionsreiche Berlin-Auktion durch. 730 Lose mit einer Gesamtschätzung von 6 Mio. Euro werden an diesem Tag versteigert, darunter eine große Rarität aus Eichstätt: Ein Donativ im Wert von 8 Dukaten aus dem Jahr 1596, geprägt im Auftrag von Johann Konrad von Gemmingen.
Die Münze zeigt auf der Vorderseite das Bistumswappen von Eichstätt. Es besteht aus dem Stiftswappen, der Krümme des Bischofsstabs, und dem Familienwappen der Gemminger, zwei gelben Balken auf blauem Grund. Die Umschrift lautet in Übersetzung Johann Konrad durch Gottes Gnade Bischof von Eichstätt. Die Rückseite zeigt den gekrönten Reichsadler mit der Umschrift Rudolf II., Römischer Kaiser, immer Herrscher.
Dieser Beitrag widmet sich der Frage, warum Johann Konrad von Eichstätt diese Münze herstellen ließ und welchem Zweck sie diente.
Das Fürstbistum Eichstätt
Auch wenn das Bistum Eichstätt nicht zu den großen geistlichen Herrschaften des Heiligen Römischen Reichs zählte, gehörte es trotzdem zu den Bistümern, in denen der Bischof nicht nur über die geistliche, sondern auch über die weltliche Macht verfügte. Das machte es attraktiv. Um den Eichstätter Bischofssitz konkurrierten nicht nur die regionalen Reichsritterfamilien, sondern auch Fürstenhäuser wie die Wittelsbacher, die hier ihre zweit-, dritt- oder viertgeborenen Söhne zu versorgen hofften. Nur wenigen Domkapiteln gelang es, ihnen zu widerstehen. Dazu gehörte das Domkapitel von Eichstätt.
Domkapitel, Bischof und Koadjutor
Dieses Domkapitel kämpfte in den 1590er Jahren mit einem Problem: Bischof Kaspar von Seckendorff erwies sich als unfähig, die ständig wachsende Verschuldung Eichstätts in den Griff zu bekommen. Da traf es sich gut, dass er mit seiner Köchin in eheähnlicher Gemeinschaft lebte. Das taten damals zwar die meisten Geistlichen, aber hier bot es eine ausgezeichnete Ausrede, um Kaspar aus seinem Amt zu entfernen. Und weil der bayerische Herzog, der einen guten Draht zum Papst hatte, einem seiner Söhne zum Eichstätter Bischofsstuhl verhelfen wollte, sorgte er dafür, dass sich der päpstliche Nuntius einmischte. Wer die Idee, zu Lebzeiten Seckendorffs einen Koadjutor zu wählen, ins Spiel brachte, wissen wir nicht. Es war sicher eine Lösung, allerdings eine für Eichstätts Unabhängigkeit äußerst gefährliche.
Unter einem Koadjutor verstand man nämlich einen bischöflichen Helfer mit Nachfolgefunktion. Das bedeutete, dass die eigentliche Bischofswahl nach dem Tod entfiel. Führte aber ein Bischof zu Lebzeiten diese Wahl durch, konnte er den Zeitpunkt der Wahl bestimmen und so ihren Ausgang beeinflussen. Die Wittelsbacher hatten dieses Amt genutzt, um sich in zahlreichen Bistümern eine Sekundogenitur einzurichten. Und genau deshalb hatte das Domkapitel von Eichstätt noch nie einen Koadjutor gewählt – und sollte es in seiner gesamten Geschichte nur zweimal tun.
Das Domkapitel musste sich also entweder für den gefährlichen Weg, einen Koadjutor zu wählen, entscheiden oder den ungeliebten Kaspar von Seckendorffs behalten. Doch die auf den Eichstätter Bischofsstuhl schielenden Bayern hatten ihre Rechnung ohne die reichsritterliche Solidarität gemacht, durch die sich eine dritte Lösung fand.
Wahl und Amtsantritt Johann Konrads von Gemmingen
Bevorzugter Kandidat des Domkapitels war Johann Konrad von Gemmingen. Kaspar von Seckendorff stimmte seiner Wahl zu, nachdem er einen für ihn günstigen Vertrag mit dem Domkapitel abgeschlossen hatte. Teil der Vereinbarung war die Bestimmung, dass Johann Konrad von Gemmingen sofort die Herrschaft im Bistum Eichstätt zufallen sollte. Domkapitel und Bischof zögerten ihre Einigung aber so lange hinaus, bis der päpstliche Nuntius wieder abgereist war. So verhinderten sie, dass ein Präzedenzfall geschaffen wurde, der die Koadjutorenwahl zur päpstlich sanktionierten Regel machte.
Und eben diese Koadjutorenwahl ist der Grund, warum es mehrere Daten gibt, die eine Amtsübernahme Johann Konrads markieren. Jedes einzelne Ereignis hätte mit einer offiziellen Feier begangen werden können, die vielleicht Grund für eine Münzemission gewesen wäre.
Am 18. November 1593 wählte ihn das Domkapitel zum Koadjutor. Die päpstliche Bestätigung folgte am 28. Februar 1594. Die feierliche Inbesitznahme des Bistums begann am 24. Mai des gleichen Jahres, und die kaiserliche Bestätigung seiner weltlichen Macht datiert auf den 23. August 1594. Die eigentliche Bischofsweihe feierte Johann Konrad am 2. Juli 1595, nachdem der abgesetzte Kaspar von Seckendorff am 2. April des gleichen Jahres verstorben war.
Und das stellt uns vor ein Problem: Wir können keinen einzigen dieser vielen Termine mit dem bei Künker angebotenen Donativ von 1596 in Verbindung bringen.
Das Zeugnis des Philipp Hainhofer
Wir haben Glück, dass uns eine andere Quelle weiterhilft. Philipp Hainhofer, ein schillernder Diplomat und Kunstagent reiste vom 16. bis zum 27. Mai 1611 nach Eichstätt. Er hat uns eine detaillierte Schilderung seines Besuchs hinterlassen. Für unsere Zwecke besonders interessant ist sein Bericht vom 20. Mai, an dem ihn Fürstbischof Johann Konrad von Gemmingen empfing.
Für uns etwas ungewohnt ist der Zeitpunkt der Audienz, nämlich 6 Uhr morgens. Vor Einführung des künstlichen Lichts nutzten auch Fürsten die langen Tage vor der Sommersonnwende aus. Der Fürstbischof hatte sich in Schale geworfen. Er trug ein kostbares Gewand aus braunem Damast, gefüttert mit Marderfell. So saß er hinter einem Schreibtisch in der Kunstkammer, wo die berühmten Eichstätter Sammlungen aufbewahrt wurden. Johann Konrad von Gemmingen war ein begeisterter Sammler, der durch seine kulturellen Ambitionen die Bewunderung seiner Zeitgenossen erwarb. Noch heute kennen wir seinen Garten, den er auf den Bastionen der Willibaldsburg anlegen ließ, und dessen Bestände in dem reich bebilderten Buch Hortus Eystettensis von 1613 veröffentlicht wurden.
Dass der Fürstbischof den Diplomaten in seiner Kunstkammer traf, war nur logisch. Schließlich war die offizielle Begründung für die Anwesenheit Hainhofers, dass er im Namen des zurückgetretenen bayerischen Herzogs Wilhelm V. unterwegs sei und plane, für Philipp II. von Pommern-Stettin interessante Sammlungsstücke zu erwerben. Tatsächlich warb Hainhofer wohl im Auftrag des bayerischen Herzogs Maximilian I. für den Beitritt Eichstätts zur 1609 gegründeten katholischen Liga. Er tat dies vergebens. Das Eichstätter Domkapitel hatte zu hart für seine Unabhängigkeit gekämpft, um auf diesem Weg unter bayerischen Einfluss zu geraten. Erst kurz vor Ausbruch des 30-jährigen Krieges sah sich der Nachfolger Konrads gezwungen, dies zu tun.
So hielt sich Johann Konrad von Gemmingen bedeckt und zeigte seinem kunstinteressierten Gast eine Kostbarkeit nach der anderen. Aber natürlich übergab er Philipp Hainhofer das übliche diplomatische Geschenk. Philipp Hainhofer schildert diesen Vorgang folgendermaßen (in modernes Deutsch gebracht): In einer breiten Schublade [des Schreibtischs] liegt ein Haufen Goldmünzen, und zwar zehn- und sechsfache Dukaten, die Ihre Fürstliche Gnaden zu Beginn ihrer Regierung prägen ließ. Von denen verehrte sie mir mehrere, um sie zu meinen anderen Münzen der Fürsten zu legen.“
Johann Konrad ließ also zu Beginn seiner Herrschaft im Jahr 1596 eine Anzahl von diplomatischen Geschenken herstellen, die er nicht auf einmal bei einem großen Fest verteilte, sondern nach und nach, immer wenn ein diplomatisches Geschenk notwendig wurde.
Diese Münzen sind übrigens im Inventar der Sammlung Hainhofers gelistet und zwar als „etliche Goldmünzen, 10 und 6 Dukaten schwer, vom Anfang der Regierung des Bischofs Johann Konrad von Eichstätt, dessen Gesch[enk] 20. Mai 1611.“
Aus anderen Quellen wissen wir, dass Johann Konrad dem bayerischen Rat Dr. Franziscus Soll eine goldene Münze schenkte, weil der sich für die Eichstätter Interessen einsetzte. Auch der Sohn des Pfalzgrafen Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg erhielt anlässlich seines Besuchs eine schwere Goldmünze. Ob die zahlreichen Exemplare dieser Serie, die sich heute im KHM Wien befinden, das ja die Nachfolgeinstitution der kaiserlichen Sammlung ist, auch als Geschenke an die Habsburger kamen, kann man höchstens vermuten. Immerhin waren die Habsburger die natürlichen Verbündeten des Eichstätter Bischofs gegen den bayerischen Herzog.
Und damit erhalten wir durch die Eichstätter Münzen von 1596 einen guten Einblick in die Praxis des diplomatischen Geschenkaustauschs, wie er auch von Johann Konrad von Gemmingen gepflegt wurde.
Literatur:
- Irene Reithmeier, Johann Konrad von Gemmingen. Regensburg (2010).
- HAB, Cod. Guelf. 23.3 Aug. 2°, fol. 1r–86r; publiziert und transkribiert.
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