1871-1909: Zeit der Fälschungen – Teil 1: Gefälschte Reichsmünzen

Gesetzblatt von 1871. Foto: Angela Graff
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Mit der Einführung der deutschen Reichsmünzen (1871-1909) kam die Zeit der Fälscher. Das Gesetz über das Ausprägen von Reichsgoldmünzen vom 4. Dezember 1871 brachte die Einführung der Goldwährung im gesamten Deutschen Reich. Zusätzlich wurde am 9. Juli 1873 ein ergänzendes Münzgesetz erlassen, das das Ausprägen von Gold-, Silber-, Nickel- und Kupfermünzen in Mark und Pfennig regelte. Eine Ausprägung von anders lautenden Münzen für das Reichsgebiet war verboten. Endlich hatten die Behörden alles unter einen Hut bekommen und das zukünftige System der Reichsmünzen genau definiert. Nun ging es daran, die sich noch im Umlauf befindlichen Landesmünzen einzuziehen. Zeitgleich begann leider auch die Zeit der Geldfälscher, die heute durchaus als „fruchtbar“ bezeichnen werden kann.

1871 gab es noch sieben Hauptwährungssysteme

Durch die Einführung von Mark und Pfennig war es möglich geworden, der bestehenden Währungsvielfalt im deutschen Lande den Kampf anzusagen. Es begann eine bis in das Jahr 1909 andauernde Periode der stufenweisen Außerkurssetzung von Hellern, Kreuzern, Schwaren, Groschen, Schillingen, Pistolen, Gulden und Talern. Der alte Dreißig-Taler-Fuß sowie der 52 ½-Guldenfuß hatten ausgedient. Durchaus turbulent ging es in diesen Jahren zu, die Zeitungen waren voll mit Meldungen über das Ungültigwerden von altem Papiergeld und Münzen.

Zeitungsmeldung über das Ungültigwerden von Papiergeld. Foto: Angela Graff

Wie oft drehten die Leute damals ein altes bekanntes Geldstück in den Händen herum. War es jetzt überhaupt noch gültig, konnte man beim Kaufmann noch etwas dafür bekommen? Eine gewisse Skepsis gab es ebenfalls gegenüber den neu geprägten Mark- und Pfennigstücken. „Taler bleibt Taler und ein Groschen ist ein Groschen, also wozu Mark und Pfennig?“ So dachten viele. Besonders laut war die Ablehnung im Königreich Bayern. Hier bestand man sogar auf der Änderung des Münzgesetzes, da der bayrische Heller für die Regulierung der Bierpreise äußerst wichtig war. „Kreizsacklzement! Do Heller bleibt!“, war fast überall aus den Wirtshäusern mit blauweißer Fahne zu hören. Und wirklich, der bayrische Heller bekam eine Gnadenfrist. Er durfte im Wert von einem halben Pfennig noch bis zum 1. Juni 1909 zirkulieren.

Fälscher bedienten sich der „Photographie“

Während in Bayern noch diskutiert wurde, machten die Geldfälscher inzwischen mobil. Die Nachrichten über Entdeckungen von gefälschten Münzen und Banknoten überschlugen sich förmlich. Die schnelle Weiterentwicklung der Fotografie kam den Gangstern dabei zur Hilfe, denn sie erleichterte so manches. So wurde immer öfter von „Photographen“ berichtet, die verhaftet wurden, weil sie mit ihrer modernen Technik eben nicht nur Menschen und Landschaft „knipsten“. Einige wollten einfach mehr und hatten sich einer Fälscherbande angeschlossen. Zwar war die Fotografie damals noch recht kostspielig, doch wer sich dem Nachmachen von Geld widmete, lebte ja nicht gerade vom Ersparten. Im März 1872 war folgende Meldung im „Illustrirten Anzeiger über gefälschtes Papiergeld und unächte Münzen“ von Adolf Henze zu lesen:

„Dresden. In Pirna ist man durch die Verhaftung eines Photographen Jentzsch einer sehr weit verbreiteten Falschmünzer-Verbindung auf die Spur gekommen. Das Haupt derselben, auf dessen Anlass Jentzsch in Struppen das Geld gefertigt, war ein Schlossermeister aus der Lössnitz bei Aue, der jedoch, rechtzeitig gewarnt, nach Amerika entflohen ist. Das meist auf photographischem Wege nachgemachte Papiergeld sollen Zehnguldennoten der Oesterreichischen Nationalbank zu Wien und Zehnthalernoten der Weimaischen Bank, und namentlich von den ersteren nicht unbedeutenden Quantitäten verausgabt sein.“

Auf gefälschtes Papiergeld wurde damals in der Presse aufmerksam gemacht. Foto: Angela Graff

„Gypsform“ und Zahlteller-Probe

In der Presse häuften sich Meldungen über Fälschungen der neuen 1- und 2-Mark-Stücke. So wurde bekannt, dass solche Münzen in Thorn (Pommern), dem heutigen Toruń, angehalten worden waren. Man war sich zwar einig, dass die Falsifikate äußerst „plump“ ausgefallen waren, trotzdem blieben sie gefährlich. Ja, die Gefahr einer Verwechslung war durchaus gegeben, denn auf den oft zitierten falschen Klang war nicht immer Verlass. Der uns heute noch bekannte „Zahlteller“ aus Marmor oder Keramik war früher an jedem Ort zu finden, an dem mit Münzen bezahlt wurde. Man ließ die einzelnen Stücke „klingen“, indem sie auf den Stein oder Teller geworfen wurden. Eine Münze mit einem recht dumpfen Klang war sofort verdächtig und musste näher betrachtet werden. Trotzdem, gerade die neu geprägten deutschen Goldstücke, die Kronen (20 Mark in Gold) und Halbkronen (10 Mark in Gold), sorgten oft für Aufsehen. Am 1. September 1876 sah man sich sogar genötigt, folgende Erklärung zu veröffentlichen.

„Berlin. Die klanglosen Zehnmarkstücke sind, obschon sie keinen Klang haben, dennoch echt. Es sind in neuster Zeit mehrfach Kronen und Halbkronen vorgekommen, welche klanglos sind und deshalb als unächt gehalten werden. Wir wollen an dieser Stelle wiederholen, dass ein Geldstück keinen Klang haben, und doch ächt sein kann. Es gibt zwei Vorkommnisse, welche den ächten Münzen den Klang benehmen: 1. Wenn eine ächte Münze mit Quecksilber zusammengelegen, oder 2. Wenn die Münze inwendig eine Spalte hat. Diese zweite Erscheinung kommt nicht selten vor.“

Falschgeldwarnung in einer Zeitung von damals. Foto: Angela Graff

20 Pfennig waren einmal viel Geld

Heute hört sich eine Summe von 20 Pfennig nicht nach viel an, doch früher war das fast ein kleines Vermögen. Kein Wunder, denn im Jahre 1876 wurden 20-Pfennig-Stücke noch aus 900er Silber geprägt. Seit der Einführung hatten sich offenbar zahlreiche Fälscher an das Nachmachen dieser Münzen gewagt. Auch hier musste in den Zeitungen an die Aufmerksamkeit der Bürger appelliert werden.

„Berlin. Jemehr neues Reichsgeld unter die Menge kommt, desto häufiger tauchen auch falsche Münzen auf. Namentlich Fünfzigpfennigstücke und Zwanzigpfennigstücke scheinen besonders nachgeahmt worden zu sein. Erstere bestehen aus Nickel und sehen, so lange sie noch neu sind, den ächten täuschend ähnlich. Befühlt man jedoch dieselben genau, so merkt man schon an der eigenthümlichen Weiche des Geldstückes, dass es nicht echt ist. Zwanzigpfennigstücke werden theils aus einer pappenen Masse, theils aus Compositionsmetall hergestellt. Bei der Niedlichkeit und möchte man sagen fast Gewichtslosigkeit dieses kleinen Geldes ist es hier sehr schwer, sofort ächtes und falsches zu unterscheiden. Man sei also aufmerksam, besonders aber wenn man eine grössere Anzahl solcher Zwanzigpfennigstücke bekommt, da dann die Täuschung fast nie entdeckt wird.“

Im zweiten Teil werde ich auf die Problematik der Außerkurssetzung und der gleichzeitigen Neueinführung von einheitlichem Papiergeld in Deutschland eingehen. Auch hier kam es zu Fälschungen en masse.

Eine Biografie über den ehemaligen Verleger Adolf Henze aus Leipzig ist online verfügbar.

Unser Autor numiscontrol gibt Sammelbegeisterten regelmäßig Tipps und Hilfestellungen rund um das Thema Münzen. In diesem Artikel erfahren Sie alles, was Sie über Münzpflege wissen sollten und hier finden Sie eine Zusammenstellung der wichtigsten Grundlagen für Sammler.

Auch zu bestimmten Sammelgebieten hat numiscontrol einiges zu sagen, wie beispielsweise zur Wertentwicklung der Euromünzen des Vatikans, unentdeckten Schätzen bei Umlaufmünzen oder dem DDR-Münzgeld.

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