15-12-2015 – 01-01-1970
Auktion 235: Kunst der Antike
Etruskische Kunst in großer Auswahl bei Gorny & Mosch
Die Etrusker, sie scheinen uns bis heute ein wenig geheimnisvoll, weil sie anscheinend keinen Wert darauf legten, ihre Leistungen der Nachwelt in umfassenden Geschichtswerken zu überliefern. Stattdessen sprechen sie durch ihre Kunst zu uns. Und die kann mit dem Besten mithalten, was in Griechenland entstand. Ja, viele Themen der etruskischen Darstellungen stammen direkt aus dem griechischen Gedankengut. In zahllosen Bildern fühlen wir die etruskische Lebensfreude und bekommen den Eindruck, dass dieses Volk uns in seiner hedonistischen Weltauffassung sehr nahe ist. Wer über solche Fragen philosophieren will, hat dazu beste Gelegenheit, indem er den aktuellen Katalog des Auktionshauses Gorny & Mosch durchblättert. Dort wird in Auktion 235 am 16. Dezember 2015 in München etruskische Kunst aus mehreren anspruchsvollen Sammlungen angeboten.
Los 53: Deckel eines etruskischen Klappspiegels. 3. Jh. v. Chr. Das Bildfeld füllt eine Dreiergruppe mit Dionysos, Eros und Mänade. Grüne Patina, Schließmechanismus fehlt. Taxe: 11.000,- Euro. Provenienz: Deutsche Privatsammlung. Erworben im Schweizer Kunsthandel durch L. Mildenberg in den 1970er/1980er Jahren. Publiziert in: I. Jucker, Italy of the Etruscans. Ausstellung Jerusalem (1991) 116 f. Kat.-Nr. 126.
Ein gutes Beispiel dafür ist ein bereits mehrfach publizierter etruskischer Klappspiegel aus dem 3. Jh. v. Chr. Er zeigt eine lebensfrohe Dreiergruppe: In der Mitte versucht der nackte Dionysos, der sich in seiner Trunkenheit kaum mehr auf den Beinen halten kann, zu gehen. Er wird dabei gestützt von einem nackten Eros. Ihnen beiden voran schreitet eine die Kithara schlagende Mänade. Das wunderschöne Stück ist mit 11.000 Euro geschätzt.
Los 24: Diskobol. Etruskisch, 2. Viertel des 5. Jh. v. Chr. Bronzevollguss. Exzellenter Stil, grüne Patina, intakt. Taxe: 35.000,- Euro. Provenienz: Erworben 1974-1990 von Dr. Leo Mildenberg für die Sammlung R.G., Deutschland. Publiziert in: Italy of the Etruscans. Ausstellung Jerusalem (1991), 135 f. Kat.-Nr. 150.
Ein anderes Beispiel ist eine etruskische Statuette aus dem 2. Viertel des 5. Jh. v. Chr. Das 8 cm hohe Stück zeigt einen Knaben beim Schwung holen, um seinen Diskus möglichst weit zu schleudern. Ein Vergleichsstück wohl aus der gleichen Werkstatt steht heute in der Berliner Antikensammlung. Geschätzt ist dieses hochrangige Kleinkunstwerk von exzellentem Stil mit 35.000 Euro. Es stammt aus der Sammlung R.G. Dieser Sammler wurde von Dr. Leo Mildenberg beraten, der in weiten Kreisen nicht nur als Münzhändler bekannt ist, sondern auch wegen seiner bedeutenden Sammlung von antiken Tierdarstellungen.
Los 31: Etruskische Kore. Mittelitalien, ca. 480-460 v. Chr. Bronzevollguss. Herrliche grüne Patina, intakt. Taxe: 4.500,- Euro. Provenienz: Erworben 1974-1990 von Dr. Leo Mildenberg für die Sammlung R.G., Deutschland. Bei Gorny & Mosch 222, 2014, 37.
Inspiriert von Mildenberg kaufte der Sammler R.G. auch eine etruskische Kore, eine vollplastische Bronzestatuette von 9,4 cm Höhe, die zwischen 480 und 460 entstanden ist. Mag das Bildnis auf den ersten Blick archaisch wirken, weist es doch schon auf die kommende Zeit der griechischen Hochklassik voraus. Geschätzt ist das Objekt mit seiner herrlichen grünen Patina mit 4.500 Euro.
Los 484: Protome einer jungen Frau. Etruskisch, 4.-3. Jh v. Chr. Leicht unterlebensgroßer Kopf einer jungen Frau mit Lockenfrisur capite velato. Taxe: 1.000,- Euro. Provenienz: Aus der Sammlung Dr. V.Z., Schweiz, erworben in den 1950er/1960er Jahren, von 1986 bis 2001 als Leihgabe in der Archäologischen Sammlung der Universität Zürich zu Ausstellungszwecken.
Mit lediglich 1.000 Euro ist ein Objekt geschätzt, das fast 20 Jahre lang als Leihgabe in der archäologischen Sammlung der Universität Zürich zu sehen war. Es handelt sich um die Protome einer jungen Frau mit verhülltem Haupt in Terrakotta. Das Stück entstand im 4. oder 3. Jahrhundert v. Chr. Es stammt aus einer schweizerischen Privatsammlung, aus der auch andere Terrakottastatuetten und weitere interessante Keramikobjekte angeboten werden, von denen ein großer Teil öffentlich ausgestellt worden ist.
Los 506: Etruskische Lekythos der Sokra-Gruppe. 375-350 v. Chr. Pseudo-Rotfigurig mit aufgelegtem roten Schlicker. Taxe: 1.500,- Euro. Provenienz: Aus einer bayerischen Privatsammlung, erworben in den frühen 1990er Jahren.
In das Frauengemach einer jungen Etruskerin entführt uns eine Lekythos aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. Sie zeigt eine sitzende junge Frau mit Spiegel und Schale, die eine sie besuchende Frau empfängt. Geschätzt ist dieses Objekt aus einer bayerischen Privatsammlung mit 1.500 Euro.
Übrigens sollten sich die Etruskerfreunde auch die Lots genauer ansehen. Dort wird viel Interessantes zu günstigen Preisen angeboten. Greifen wir ein einziges Los, Nr. 719, heraus. Unter dieser Nummer findet der Kenner drei frühetruskische Impasto-Gefäße aus dem 8. bis 7. Jahrhundert v. Chr., alle waren zwischen 1986 und 2001 als Leihgabe im Museum der Archäologischen Sammlung der Universität Zürich ausgestellt. Geschätzt sind alle drei Stücke zusammen mit lediglich 850 Euro.
Natürlich findet der Sammler neben den etruskischen Kunstwerken das volle Spektrum der antiken Kunst: Griechen, Römer, Byzantiner, Vorgeschichte und Ägypten, Steinskulptur, Bronzestatuetten, Geräte, Waffen, Keramik, Glas, Schmuck, Siegel und Gemmen und vieles mehr. Die Preise reichen vom unteren dreistelligen Bereich bis zu sechsstelligen Schätzungen.
Wir stellen abschließend einige weitere interessante Stücke vor:
Man muss kein Vermögen besitzen, um eine spannende Sammlung anzulegen. Dies beweist eine bayerische Privatsammlung von Ziegelfragmenten mit Legionsstempeln.
Los 459: Ziegelfragment mit Stempel der Legio II Italica mit Erwähnung des Dux Pannoniae. Zweites Drittel des 4. Jhs. n. Chr. Taxe: 800,- Euro. Provenienz: Ex bayerische Privatsammlung; erworben ex Slg. Fritzemeier in den 1970er Jahren.
Das wohl interessanteste Stück ist mit 800 Euro geschätzt. Es nennt nicht nur die Legio II Italica, sondern auch den Dux Pannoniae, Ursicinus, der von Kaiser Valentinian (364-375) mit Ausbesserungsarbeiten am Donaulimes betraut wurde.
Los 74: Apulische Knopfhenkelschale (Lekane) des Unterwelt-Malers. 330-320 v. Chr. („late style“). Rotfigurig, Details in Rot, Weiß u. Gelb. Taxe: 25.000,- Euro. Provenienz: Aus der süddeutschen Privatslg. A. und W. H., erworben in den 1970er und frühen 1980er Jahren. Publiziert: R. Lindner, Der Raub der Persephone in der antiken Kunst (1984) S. 27 f. mit Taf. 6-7.
Mit 25.000 Euro ein wenig teurer ist eine apulische Lekane, deren Malerei von Archäologen dem Unterwelt-Maler zugeschrieben wird. Das prachtvolle Stück mit seinen hervorragend erhaltenen Farben zeigt die Entführung der Persephone durch Hades. Der dreiköpfige Kerberos leitet das Gespann in die Unterwelt. Über dem Gespann schwebt Eros und Hesperos, der Abendstern. Sie deuten an, dass jede junge Frau im abendlichen Umzug vom heimatlichen Haus ins Heim ihres Bräutigams das Schicksal der Persephone miterlebte. Auch Persephone wurde ja durch ihre Entführung zur Gemahlin des Hades, was der gemeinsame Nimbus zeigt, der auf dieser Schale die Köpfe von Entführer und Entführter vereint. Normalerweise wurden Schalen mit ähnlicher Darstellung im Hochzeitsritual für die Brautwaschung benutzt. Diese Schale dürfte allerdings einem jungen Mädchen ins Grab mitgegeben worden sein, vielleicht um den Wunsch auszudrücken, sie möge ihre Hochzeit im Jenseits nachholen.
Los 283: Goldener Schlangenarmreif. Hellenistisch, ca. 330-300 v. Chr. Taxe: 45.000,- Euro. Provenienz: Aus österreichischer Privatsammlung vor 1980.
Ein wunderschöner Schmuck ist ein hellenistischer Schlangenarmreif aus Gold, dessen beide Enden in naturalistischen Schlangenköpfen enden. Geschätzt ist das seltene Stück mit 45.000 Euro.
Los 338: Goldene Scheibenfibel mit Almandin-Einlagen. Langobardisch, 6.-7. Jh. n. Chr. Runde Scheibenfibel in Cloisonné-Technik mit Stegwerk aus Gold und Almandineinlagen auf gewaffelter Goldfolie. Taxe: 20.000,- Euro. Provenienz: Ex Sammlung A.P., seit den 1990er Jahren.
Auf seine Art ebenso prachtvoll ist eine goldene Scheibenfibel mit Almadin-Einlagen der Langobarden aus dem 6. bis 7. Jahrhundert n. Chr. Hier beträgt die Taxe 20.000 Euro.
Insgesamt 859 Lose werden in dieser umfassenden Auktion angeboten. Stöbern lohnt sich, vor allem bei den Lots, die geradezu Kult geworden sind. Hier können Kenner spannende Objekte zu sehr günstigen Preisen erwerben.
Der Katalog kann im Internet eingesehen werden.
Gerne schickt Gorny & Mosch auch einen Katalog zu. Bestellungen unter Gorny & Mosch, Giessener Münzhandlung, Maximiliansplatz 20, D-80333 München, Tel. +49 / (0)89 / 24 22 643-0, Fax +49 / (0)89 / 22 85 513. Die nächste Auktion „Kunst der Antike“ ist für den Juni 2016 geplant. Einlieferungen werden bis März 2016 entgegengenommen.