Es ist der 7. Juli 2022. Eine etwa 45-jährige Frau mit südländischem Aussehen betritt ein Ladengeschäft in Tübingen. Dieser Laden könnte auch überall sonst sein, die Frau könnte ein Mann, könnte älter oder jünger sein; sie könnte ein südländisches oder eher nordisches Aussehen haben. Eins aber dürfte auf jeden Fall zutreffen: Sie wird sympathisch sein und fast perfekt Deutsch sprechen. Denn in Phase 1 geht es darum, das Vertrauen eines Münzhändlers zu gewinnen, während man gleichzeitig seinen Laden ausbaldowert.
Phase 1: Der Laden wird ausspioniert
In der Tübinger Münzhandlung mit Goldankauf fragt die nette Frau, die von sich selbst sagt, sie stamme ursprünglich aus Kroatien, nach einem Dukaten. Aufmerksam beobachtet sie den Münzhändler. Der muss das Stück aus dem Tresor holen, in dem er die Goldmünzen aufbewahrt. Und das ist genau das, was die Frau erreichen will. Schließlich ist sie hier, um Informationen zu sammeln. Sie checkt ab, ob die wichtigsten Punkte für ihren Coup erfüllt sind.
Sie schaut also, ob der Tresor offen ist oder ihn der Münzhändler erst öffnen muss. Wo steht der Tresor überhaupt? Kann man problemlos vom Kundenraum dorthin gelangen? Gibt es für einen Komplizen die Möglichkeit, den Laden zu betreten, während die Frau den Münzhändler ablenkt? Es sind verschiedene Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um den Trickdiebstahl durchzuführen.
200 Euro zahlt die nette Frau für den Dukaten. Sie zahlt in bar, um das Vertrauen des Münzhändlers zu gewinnen, ein Vertrauen, das sie bald enttäuschen wird.
Phase 2: Den Plan überprüfen
Nicht einmal eine Woche ist vergangen, da steht die nette Frau wieder in dem Tübinger Ladengeschäft. Vorgeblich braucht sie noch einen Dukaten, ein Geschenk. Diesmal hat der Händler keinen Dukaten da. Für sie kein Problem, schließlich ist sie nur deshalb hier, um noch einmal kurz vor dem Fischzug abzuchecken, dass sich in der Zwischenzeit nichts an der Situation verändert hat.
Der Tresor mit den Goldmünzen ist immer noch offen; die zweite Tür in das Ladengeschäft immer noch nicht abgeschlossen. Ihre Beobachtungen beim ersten Besuch haben sich bestätigt. Sie kennt nun einige der Gewohnheiten des Opfers. Und so kann sie ihren Komplizen nach diesem zweiten Besuch mitteilen, dass der Fischzug am nächsten Tag durchgeführt werden kann.
Phase 3: Der Fischzug
Sie kommt also schon am nächsten Tag wieder. Der Münzhändler hat inzwischen einen Dukaten gekauft. Doch sie will nicht nur den Dukaten, sie will auch noch eine zweite Goldmünze. Damit stellt sie sicher, dass der Tresor des Münzhändlers geöffnet ist. Und überhaupt, sie habe da in der Auslage eine Münze gesehen, zu der sie ein paar Fragen hätte. Ob der Münzhändler nicht mal kurz mit ihr vor die Tür gehen könnte, damit sie ihm genau das Tablett zeigen kann, auf dem die Münze liegt. All das wirkt völlig unverdächtig, natürlich. Die Frau ist nett, interessiert, eine Kundin. Und so folgt ihr der Münzhändler, um ihr genau zu erklären, was sie wissen will. Das ist sein Fehler, denn damit macht er für den Komplizen die Bahn frei. Es sind höchstens fünf Minuten, die er außerhalb seines Ladens ist, aber die genügen dem Komplizen, der genau auf diese fünf Minuten gewartet hat.
Der schlüpft durch die zweite Tür in das Ladengeschäft. Das sieht der Ladenbesitzer nicht, denn die Frau hat ihn sorgfältig so dirigiert, dass er mit dem Rücken zur zweiten Türe steht und auf das zu erklärende Tablett schaut. Der Komplize kann also völlig unbeobachtet um den Tresen zum offenen Tresor gehen und ihn ausräumen. Dabei achtet er nicht auf die Münztabletts mit seltenen Stücken. Ihn interessiert vor allem das Edelmetall und das Bargeld. Denn das kann bei einem Verkauf kaum nicht nachverfolgt werden. Er nimmt also die BeBa-Tabletts mit den Goldmünzen aus dem Tresor, das Bargeld, sowie einige verdächtig nach Bargeld aussehende Kuverts und Mäppchen, nicht zu vergessen das für den Versand fertig gemachte Schmelzgold. Und ehe die letzte Frage der Frau beantwortet ist, ehe sich der Münzhändler wieder umwendet und in seinen Laden zurückgeht, hat der Komplize mit seiner Beute das Ladengeschäft verlassen.
Phase 4: Die Flucht
Es sind nur wenige Minuten, die es braucht, bis der Münzhändler merkt, dass er bestohlen worden ist. Doch diese Minuten genügen den Trickbetrügern, sich mit ihrer Beute davonzumachen. Sie haben ihre Flucht gut vorbereitet – ob per Auto, per Fahrrad oder zu Fuß. Sie wissen, dass ihnen nur wenige Minuten bleiben, und die nutzen sie, um die Ware an ein anderes, unverdächtiges Bandenmitglied weiterzugeben. Selbst wenn die Polizei nun die ursprüngliche Kundin erwischen würde. Was hätte sie schon getan? Ein paar Fragen zu einer Münze gestellt.
Warnzeichen für Trickdiebstahl
Bleiben Sie also wachsam! Die Vorgehensweise von Trickbetrügern ist so unterschiedlich wie die Ladengeschäfte von Münzhändlern es sind, aber das Muster ähnelt sich. Zur Vertrauensbildung wird immer eine sympathische, unverdächtige Person geschickt, die ein nicht allzu teures Objekt kauft. Diese Person kommt nach nicht allzu langer Zeit wieder. Fragen Sie sich selbst: Wie häufig gehen Sie dreimal hintereinander in ein und dasselbe Geschäft, um etwas zu kaufen? Sie kaufen doch auch alles auf einmal. Allein die schnelle Wiederholung des Besuchs eines Ihnen vorher unbekannten Kunden in Ihrem Geschäft ist ein deutliches Warnsignal.
Und dann gibt es da immer noch den Leichtsinn – oder sprechen wir von Bequemlichkeit – von vielen Kollegen. Natürlich ist es lästig, den Tresor immer wieder für einen Kunden zu öffnen. Aber lieber bleibt eine kleine Auswahl der gängigen Goldmünzenarten während des ganzen Tages außerhalb des Tresors, als dass man einem Dieb Zugang zum gesamten Tresorinhalt gewährt.
Dazu kommt die Vorstellung, dass wir uns gegenüber dem Kunden öffnen wollen. Offene Türen während der Öffnungszeiten. Nein. Machen Sie das nicht. Vor allem nicht, wenn Sie normalerweise alleine in Ihrem Laden sind. Es wird keinen ernsthaften Kunden davon abhalten, bei Ihnen etwas zu kaufen, wenn er vor seinem Eintreten klingeln muss. Für einen Trickbetrüger dagegen ist das ein echter Hinderungsgrund.
Verbrechen als Teil unserer Gesellschaft
So traurig es ist, jede Gesellschaft hat ihre Verbrecher, die davon leben, andere auszubeuten. Niemand ist vor dem Verbrechen gefeit. Ich erinnere bloß an den Raub, der kürzlich während der TEFAF mit Vorschlaghammer und Maschinenpistole durchgeführt wurde. Den hätten auch die besten Sicherheitsmaßnahmen nicht verhindern können.
Aber eines sollten wir im Auge behalten: Wir sollten es den Verbrechern auch nicht zu leicht machen. Deshalb möchte ich mich herzlich bei dem Kollegen Dr. Michael Brandt bedanken, der – obwohl es für ihn sicher schmerzlich ist – seine Erfahrungen mit Ihnen teilt, damit Sie nicht die gleichen Fehler machen. Vielleicht wird das Betrüger-Team ja sogar gefasst, während es denselben Trick in ihrem Geschäft versucht durchzuziehen. Wenn Ihnen etwas verdächtig vorkommt, dann zögern Sie nicht, die Polizei einzuschalten.
Eine Liste der entwendeten Objekte haben wir in der letzten Ausgabe der MünzenWoche publiziert.
Sehr viel brachialer geht zur Zeit eine Gang in den USA vor.