Um gleich eines festzustellen: Bernd Kaiser, dem wir schon viele Medaillen-Kataloge verdanken, wollte keinen Katalog aller Medaillen mit Bienen-Motiven herausgeben. Er wollte lediglich das Material, das er mit seinem großen Freundeskreis zusammentragen konnte, publizieren und so einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Herausgekommen ist ein wunderhübsches Buch, das uns in eine Zeit zurückführt, in der es nicht um Renaturierung des Landes, sondern um die Industrialisierung der Landwirtschaft ging.
Das Jahr ohne Sommer und seine numismatischen Folgen
Im April des Jahres 1815 brach der indonesische Vulkan Tambora aus. Nun liegt dieser Vulkan auf der Insel Sumbawa rund 23 Flugstunden von Europa entfernt, und doch war der Ausbruch so gewaltig, dass sich der Himmel Europas verdunkelte. Vor allem in Süddeutschland kam es zu schrecklichen Missernten, die zur letzten großen Hungersnot in Baden, Bayern und Württemberg, im Vorarlberg und der Schweiz führte. Nun fühlten sich die Herrscher nach der Französischen Revolution nicht mehr ganz so sicher wie in den Jahren zuvor. Sie wollten ihr Volk ruhig halten, und dazu gehörte es, solche Hungersnöte in Zukunft zu verhindern. Das bedeutete, dass die Förderung der Landwirtschaft zur Chef-Sache wurde. Zahllose Vereine und Verbände wurden gegründet, um den Landwirten optimierte Anbau- und Zuchtmethoden schmackhaft zu machen. Auch die Imker gehörten zu den „systemrelevanten“ Nahrungserzeugern. Die Medaillen, die Bernd Kaiser in seinem Katalog zusammengestellt hat, sind ein Zeugnis für das Bemühen des Staates, die Honigproduktion nachhaltig zu erhöhen.
Der württembergische Landesverein für Bienenzucht und die Wanderversammlung Deutscher-Österreichischer & Ungarischer Bienenwirte
Wie aber kam es dazu, dass Bernd Kaiser sich ausgerechnet mit Bienen auf (hauptsächlich) württembergischen Medaillen beschäftigte? Wir kennen das unschlagbare Team Bernd Kaiser (Autor) und Adolar Wiedemann (Fotograph) eher als die Spezialisten für die Medaillenfabrik Mayer & Wilhelm. Doch der Sohn des Autors ist ein begeisterter Imker von glücklichen Bienenvölkern, die auf biozertifizierten Streuobstwiesen zwischen Fellbach und Kernen-Rommelshausen Honig sammeln. Und diesem Sohn schenkte Bernd Kaiser eine Broschüre der Bienenmedaillen, die er gesammelt hatte.
Das Werk war primär für den Privatgebrauch gedacht, kursierte aber intern unter den Sammlerfreunden. Und die lieferten immer wieder neue Medaillen zum Thema, bis der Autor sich irgendwann entschloss, nun doch einen neuen Band seiner Katalogreihe herauszugeben.
So kam es also zum Buch, und das sieht man ihm an. Es ist aus einem Nukleus von Material aus Privatsammlungen entstanden. Dabei dominieren zwei Themenkreise: Die Medaillen, die der württembergische Landesverein für Bienenzucht herausgab, und die Stücke der Wanderversammlung Deutsch-Österreichischer & Ungarischer Bienenwirte.
Wir lernen, dass sich die Bienenwirte – so nannte man Imker früher tatsächlich in Anlehnung an die Landwirte – trafen, um sich über die neuesten Techniken zur Ertragssteigerung auszutauschen. Dabei wurden für besonders eindrucksvolle Bienenvölker genauso Preise verteilt, wie für gelungene Schweinerassen oder Karnickelzüchtungen. Vorträge wurden gehalten und neue technische Errungenschaften vorgestellt – so anlässlich eines Vereinstreffens im Jahr 1865 die Honigschleuder.
Wer sich für Kulturgeschichte interessiert, wird in diesem Katalog neben den stereotypen bienenumschwirrten Körben viele interessante Details entdecken. Dazu trägt auch die Tatsache bei, dass der Autor Dokumente und Literaturzitate aus dem 19. Jahrhundert abdruckt, die eindrucksvolle Seitenblicke ermöglichen.
Der Katalog endet mit einigen schwäbischen Fleißmedaillen und etlichen Bienen-Varia.
Zwar nicht vollständig, aber mit viel Begeisterung
Natürlich kann man sich darüber beschweren, dass der Katalog keine Vollständigkeit anstrebt, das Thema nicht systematisch abgegrenzt ist, und so nicht nur württembergische, sondern auch andere Medaillen veröffentlicht werden. Aber ist das wirklich von so entscheidender Bedeutung? Der Katalog wird seine Nutzer dazu anregen, die Bienen in einem anderen Licht zu sehen. Sein Autor hat sorgfältig jedes einzelne Stück erfasst und beschrieben und offeriert zu vielen Medaillen historische Kommentare. Wer sich für die Industrialisierung der Landwirtschaft im 19. Jahrhundert interessiert, wird schnell in den Bann des Buchs gezogen.
Und Menschen, die Bienen und ihre Erzeugnisse lieben, die werden sich auch für diesen Katalog begeistern können. Und damit ist die Zielgruppe groß! Schließlich sind heute 95 % der 130.000 deutschen Imker Freizeitimker, die nicht aus Gewinnstreben, sondern aus Leidenschaft glückliche Bienenvölker halten – wie Volker Kaiser, für den dieses Buch geschrieben wurde.
Sie können den Katalog für 25 Euro in der Münzenhandlung Silvano Rossi erwerben.