Die einflussreichsten Persönlichkeiten der Numismatik?

Die 60 einflussreichsten Persönlichkeiten der Numismatik, so lautet der Titel der Jubiläumspublikation von Coin World.
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Happy Birthday, Coin World, herzliche Gratulation zum 60jährigen Bestehen. Was für ein Grund zu feiern! Wir, das Team der MünzenWoche sind ein bisschen neidisch mit unseren kläglichen zwölf Jahren. Und was für eine großartige Idee, das eigene Jubiläum zu feiern, indem man die 60 einflussreichsten Persönlichkeiten der Numismatik in den vergangenen 60 Jahren ehrt! Großartig!

Wie groß ist die numismatische Welt?

Ich habe also neugierig Euer Heft geöffnet, um zu sehen, wer in den vergangenen Jahrzehnten die Numismatik nachhaltig verändert hat, und da bin dann schon ein bisschen erschrocken. Wir Europäer haben nämlich kaum etwas zur Numismatik beigetragen. Es haben gerade einmal zwei(!) Europäer den Weg in Eure Liste gefunden: Ulrich Künker, der in der Tat viel dazu beigetragen hat, dass Münzsammeln in Deutschland heute noch möglich ist, und Chris Webb, den ich leider nicht gut genug kenne, um zu verstehen, in wie weit sein Einfluss reichte. Die anderen sind ausschließlich Amerikaner, wobei Michael Chou vielleicht als Bindeglied zwischen der amerikanischen und der asiatischen Welt gelten kann.

Die Kriterien

Gut, dann möchte ich verstehen, warum wir Europäer so kläglich versagt haben. Wieso ist es uns nicht gelungen, die numismatische Welt zu beeinflussen? Welche hohen Hürden gab es, um unter die einflussreichsten Persönlichkeiten der Numismatik aufgenommen zu werden? Dankenswerterweise hat der Herausgeber William T. Gibbs genau aufgeschlüsselt, nach welchen Kriterien Ihr Eure Auswahl getroffen habt:

  1. Die Kandidaten mussten noch leben.
  2. Mitglieder von Coin World konnten nicht gewählt werden.
  3. Ein Kandidat konnte jeder sein, der eine Auswirkung auf das Hobby des Münzsammelns hatte.

Das war’s. Und der Verleger Rick Amos führt dankenswerterweise noch genauer aus, was wir unter einer Auswirkung auf das Hobby verstehen sollten: Die Ideen der Kandidaten mussten innovativ sein, ihr Beitrag das Hobby bereichert und besser gemacht haben.

Die echten Kriterien?

Wie traurig, dass das Team von Coin World kaum Europäer (und keine Asiaten, Afrikaner oder Australier) gefunden hat, die sich mit ihren innovativen Konzepten um den numismatischen Markt verdient gemacht haben.

Aber das mag vielleicht am Kreis der Persönlichkeiten gelegen haben, die von Coin World in Betracht gezogen wurden. Dass selbst die so Ausgezeichneten ihre Wahl als merkwürdig empfanden, können wir der Tatsache entnehmen, dass – und das gibt der Redakteur William T. Gibbs in seinem Vorwort ganz offen zu – sie erst das Coin-World-Anzeigen-Team überzeugen musste, in dieser Broschüre zu posieren. Mit anderen Worten: die Personen, die für Coin World die Anzeigen verkaufen, haben den Geehrten erklären müssen, warum sie es verdient haben, als einer der 60 einflussreichsten Numismatiker der vergangenen 60 Jahre geehrt zu werden. Autsch.

Wer waren die Menschen, die den Münzhandel wirklich veränderten?

Ich bin viel zu kurz dabei, um wirklich durchschauen zu können, wer die Numismatik nachhaltig verändert hat, aber ein paar Kandidaten aus den letzten 30 Jahren fallen mir durchaus ein. Einer wäre sogar ein Amerikaner, allerdings einer, der dafür berühmt ist, dass er für seine Plattform keine Werbung schaltet: A. J. Gatlin hat mit seinem Coin Archive den Markt völlig durcheinandergewirbelt. Dank ihm sind Preise heute durchsichtig und die Preisfindung ein Kinderspiel, was dem Münzsammeln ganz neue Personenkreise erschlossen hat. Wenn das Coin Archive keine Invention ist, dann weiß ich wirklich nicht, was eine Invention sein soll.

Und dann gibt es natürlich den geistigen Vater von Sixbid, Dr. Hubert Lanz. Wenn wir heute unsere Münzen über alle möglichen nationalen und internationalen Auktionsplattformen kaufen, dann verdanken wir das der Idee eines deutschen Münzhändlers und der Programmierung von Wilfried Danner.

Der hat übrigens so ganz nebenbei auch die Münzfotographie revolutioniert. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir uns früher über die miserablen Fotos verschiedener Auktionshäuser amüsiert haben. Heute kann selbst eine ungelernte Reinigungskraft hervorragende Bilder machen, dank fertig zusammengestellter Foto-Anlagen. Der erste, der nicht nur auf die Idee kam, sondern seine Erfindung auch international vermarktete, war meiner Erinnerung nach Wilfried Danner. Aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren.

Wer waren die Menschen, die die Münzprägung verändert haben?

Erfreulicherweise sind unter den 60 einflussreichsten Persönlichkeiten nicht nur Münzhändler und Grading-Institute, sondern auch diejenigen, die die Sammlermünzen herstellen, die Münzprägeanstalten, allerdings natürlich nur – Surprise! Surprise! – die amerikanische Münzstätte. Nicht, dass sie nicht wirklich phantastische Gedenkmünzen prägen würden, aber das ist ja nicht die Fragestellung des Hefts.

Überlegen wir also, wer die internationale Gedenkmünzenprägung wirklich nachhaltig beeinflusst hat, und da fallen mir gleich mehrere Namen ein, allen voran Dietmar Spranz von der Münze Österreich. Er ist der Spiritus Rector der MDC, der Mint Directors Conference, in der sich Münzstätten aus der ganzen Welt austauschen. Wenn sich heute die Gedenkmünzen weltweit so unglaublich ähnlich sehen, liegt das auch daran, dass die MDC allen die gleichen Impulse weiterleitet.

Jahrelang haben indisch-stämmige Australier Prabir De und jetzt sein Nachfolger Dr. Manfred Matzinger von der Münze Österreich das Technical Committee der MDC geleitet. Darin tauschen sich die leitenden Münztechniker auf internationaler Basis über Fragestellungen und ihre Lösungen aus. Wenn also jemand echten Einfluss hat auf das Aussehen von Münzen, dann sind es die Leiter der Gremien, in denen die leitenden Techniker aller Münzstätten über ihre neuen Ausgaben diskutieren.

Medailleure? Haben Medailleure wirklich noch einen Einfluss auf das Aussehen von Münzen? Och nö. Sie sind die ausführenden Organe von Marketing-Abteilungen und müssen sich strikt an die Vorgaben der technischen Teams halten, wenn sie inzwischen nicht sowieso durch ein Computerprogramm ersetzt worden sind. Und wenn es um Technik geht, gibt es einen Mann, mit dessen Beratung unzählige Münzstätten eingerichtet wurden: Dieter Merkle von Schuler Pressen. Und wenn Sie sich wundern, dass das Relief von Münzen auf einmal höher wird, dann kann ich Ihnen verraten, wer dahinter steckt: Markus Schlein von Sack & Kiesselbach mit seinen ölhydraulischen Pressen, die ganz andere Reliefs ermöglichen als die für die Massenprägung eingesetzten Münzpressen nach dem Kniehebelprinzip.

Und wenn wir schon bei Techniken sind. Wollen wir überlegen, wem wir die meisten Spezialtechniken verdanken, die heute auf Münzen selbstverständlich sind? Dann sollten wir vielleicht mal in Liechtenstein vorbeischauen, wo Michael Vogt viele Jahre lang technische Innovationen von seinen Prägepartnern gefordert hat. Die Kunden lohnten seinen Einsatz, und viele Münzstätten auf der ganzen Welt ehren CIT Coin Invest, indem sie ihre Produkte imitieren. Ich sage nur: Farbe auf Münzen und Hochreliefprägung.

Dass der Markt für zeitgenössische Münzen heute derart international ist, hat nicht nur mit dem Internet zu tun, sondern vor allem mit einer internationalen Münzmesse, auf der sich schon lange vor dem Internet Einkäufer aus der ganzen Welt mit staatlichen und privaten Münzstätten trafen. Nein, auch wenn diese Münzmesse einen englischen Namen trägt, wird sie nicht in den Vereinigten Staaten durchgeführt, sondern in Deutschland. Und geistiger Vater der World Money Fair ist ein Schweizer, Albert Beck.

Liebes Coin World Team, ich höre jetzt besser auf. Es war wirklich eine tolle Idee, die Ihr hattet. Und wenn Ihr Euer Werk „Die 60 einflussreichsten Numismatiker aus der USA im Bereich der US-Numismatik“ genannt hättet, dann wäre das ein tolles Heft geworden. So aber ist das Ergebnis eine Ohrfeige für all diejenigen unter ihnen, die tatsächlich Einfluss auf die Entwicklung der Numismatik hatten.

Das Problem an der Sache ist nämlich, dass unter Euren Geehrten tatsächlich etliche sind, die diese Ehrung verdienen. Und deshalb ist es mir ein echtes Anliegen festzuhalten, dass ich mit diesem kritischen Beitrag keine einzige der aufgelisteten Personen diskreditieren wollte. Nichtsdestotrotz entwertet es die eigene Leistung, wenn der Verdacht aufkommt, man sei nicht wegen seiner Leistung, sondern aus anderen Gründen unter die 60 einflussreichsten Personen der Numismatik aufgenommen worden.

 

Alles Gute zum Geburtstag – und macht bitte nicht weiter so.

Hier können Sie die Biographien der von Coin World Geehrten selbst lesen.