Die Römer auf dem Schöckl

Sujetbild der Ausstellung „Die Römer auf dem Schöckl“ mit einem Überblick über das römische Fundmaterial vom Ostgipfel. Foto: D. Modl.
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Seit 2015 erforscht die Universität Graz die römische Fundstelle auf dem Schöckl. Die Ergebnisse bestätigen die Existenz eines Höhenheiligtums und werden bis zum 31. Oktober 2020 in einer Ausstellung mit numismatischem Schwerpunkt im Universalmuseum Joanneum präsentiert.

Blick auf den Schöckl von Südosten im Winter 2017. Foto: R. Koeberl.

Der Schöckl – Ausflugsziel und Forschungsobjekt

Der 1445 m hohe Schöckl gilt als „Hausberg“ der steirischen Landeshauptstadt Graz und wird jährlich von tausenden Besucherinnen und Besuchern als Ausflugsziel und Naherholungsgebiet erklommen. Hier kann man bei bester Luft vom Alltag verschnaufen und bei einer Wanderung durch die gemütliche Almlandschaft oder beim fantastischen Rundblick die Seele baumeln lassen. Erforderte die Besteigung des Schöckls einst Abenteuerlust und Wagemut, ist er heute ein leicht, per Seilbahn zu erreichendes Touristenziel, das für Familien, Wanderer und auch Extremsportler/innen allerlei Möglichkeiten für Unternehmungen bietet.

Seit 2015 erforscht das Institut für Antike (vormals: Institut für Archäologie) der Karl-Franzens-Universität Graz die römische Fundstelle auf dem Schöckl. Die Funde bestätigten die Existenz eines großflächigen Höhenheiligtums auf dem und rund um den Ostgipfel.

Neben einem ausgedehnten Survey sind es vor allem die jährlichen Grabungskampagnen zwischen 2016 und 2019, die Informationen zum antiken Kultgeschehen lieferten und zumindest zwei Aktivitätszonen erkennen lassen. Einerseits auf dem Ostgipfel, wo ein mindestens 11 mal 10 m großes, in seinem Grundriss untypisches Kultgebäude mit aufwändigen Wandmalereien nachgewiesen werden konnte, und andererseits ein 30 m westlich davon liegender Weiheplatz, wo eine auffällige Fundhäufung im planierten Vorbereich einer Doline festgestellt wurde. Die mehrfach auf dem Schöckl vorkommenden Karsttrichter und Höhlen sowie die exponierte Lage des Ostgipfels und der phänomenale Rundblick an dieser Stelle dürften wohl maßgeblich für die Ortswahl des Kultplatzes in der Antike gewesen sein.

Sujetbild der Ausstellung „Die Römer auf dem Schöckl“ mit einem Überblick über das römische Fundmaterial vom Ostgipfel. Foto: D. Modl.

Eine reiche Fundstätte – auch für Münzen!

Unter den Weihegaben der beiden Aktivitätszonen finden sich schwarze Glasarmreifen, hunderte bunte Glasperlen, beinerne Haarnadeln, eiserne Fingerringe, silberne Lunula-Anhänger, Fibeln, Münzen, Votivfiguren und -spiegelrahmen aus Blei sowie fragmentierte Terrakottafiguren und Bruchstücke von Keramik- und Glasgefäßen. Besondere Bedeutung kommt dabei den Münzen zu, die den Kaisern von Titus (79–81 n. Chr.) bis Constantius II. (337–361 n. Chr.) zuzuordnen sind und helfen, die Kultaktivitäten auf dem Schöckl zu datieren.

Im Zuge des Surveys im Jahr 2015 und der archäologischen Grabungen zwischen 2017 und 2019 wurden auf dem Schöckl insgesamt 91 römische Münzen geborgen. 13 von ihnen wurden im Verlauf der systematischen Begehungen aufgesammelt, die 2015 im gesamten Ostgipfelbereich stattfanden. Bei den Grabungen, die auf dem Weiheplatz am Rand des Sattels zwischen dem Ostplateau und dem Schöcklkopf durchgeführt wurden, konnten 42 Münzen entdeckt werden. Die Grabungen im Bereich des Kultbaues auf dem Ostgipfel brachten 36 Münzen zutage.

Die Bedeutung der Münzen für die Datierung der Kultaktivitäten auf dem Schöckl

Während es sich bei den Münzen vom Südwesthang größtenteils um Sestertii handelt, die zwischen 176 und 244 n. Chr. geprägt wurden, weist die Münzreihe des Ostgipfels folgende zeitliche Schwerpunkte auf: Die Buntmetallprägungen stammen überwiegend aus traianisch-hadrianischer Zeit, die Antoniniane wurden größtenteils nach der Reform des Aurelianus geprägt, die Folles enden bereits in den späten 320er-Jahren. Dieser Trend von späten Antoninian- und frühen Follisprägungen setzt sich auf dem Weiheplatz fort. Von den 19 dort im Rahmen der Grabungen gefundenen Antoninianen stammen nur fünf aus den Jahren der Regierung des Valerianus I., Gallienus und Claudius II. Gothicus, während 14 unter späteren Soldatenkaisern geprägt wurden. Von den 18 Folles stammen sieben aus der Zeit, die zwischen der Einführung dieses Nominales im Jahr 294 n. Chr. und dem Jahr 310 n. Chr. liegen, während aus den 340er-Jahren lediglich zwei Exemplare stammen. Auch die Zeit nach der Reform des Jahres 348 n. Chr. ist auf dem Weiheplatz mit nur zwei Münzen vertreten.

Aus diesen zeitlichen Schwerpunkten der Münzreihen darf für den Ostgipfel und den Weiheplatz eine Phase verstärkter Aktivitäten angenommen werden, die sich von der Zeit der Regierung des Kaisers Aurelianus (270–275 n. Chr.) bis in die 330er-Jahre erstreckte. Für den Ostgipfel legen die Münzen der hohen Kaiserzeit darüber hinaus Aktivitäten in der ersten Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. nahe, die möglicherweise mit den Jahren der Regierung des Kaisers Hadrian (117–138 n. Chr.) noch etwas genauer gefasst werden können. Demgegenüber steht das Münzspektrum des Südwesthangs, aus dem vorsichtig geschlossen werden darf, dass in diesem Bereich die Aktivitäten vornehmlich in der ersten Hälfte des 3. Jhs. n Chr. erfolgten.

Rekonstruierte Opfersituation auf dem Schöckl. Foto: R. Pritz

Münzen als Opfer für die Götter

In der Antike gehörte neben dem Trank- oder Speiseopfer die Opferung von Gegenständen zu den gängigen Formen der religiösen Kommunikation, um die Bedeutung des an die Götter gerichteten gesprochenen Wortes zu verstärken. Um die Aufmerksamkeit der Götter zu erregen, wurden auch Münzopfer dargebracht. Münzen konnten als Gaben für die Götter in Quellen oder Flüsse versenkt, in Gruben deponiert oder in Kultbauten niedergelegt werden.

Bei den Münzen, die auf dem Schöckl im Bereich des Weiheplatzes und des Kultbaus gefundenen wurden, ist von einer solchen sakralen Verwendung als Opfergabe auszugehen. Auf dem Weiheplatz wurden die Münzen in kleine Vertiefungen oder unter Steine gelegt. Im Kultbau wurden sie vor allem entlang der Westwand der mittleren Mauer gefunden, wo sie von den Opfernden niedergelegt oder hingeworfen worden waren.

Viele der geborgenen Münzen weisen einen ausgezeichneten Erhaltungszustand auf. Mehrere Exemplare bieten noch ihren ursprünglichen Überzug aus Silbersud. Es darf deswegen angenommen werden, dass für die Opferung besonders schöne Stücke ausgewählt wurden, die erst wenige Abnutzungsspuren durch den Geldumlauf aufgewiesen haben.

Mehrere Münzen tragen auf der Rückseite eine Darstellung des blitzebewehrten Himmelsgottes Iuppiter. Dieser Umstand allein genügt freilich nicht als Beweis, dass im obersten Reichsgott der Kultinhaber des Höhenheiligtums auf dem Schöckl gesehen werden kann. Um die Frage zu beantworten, welche Gottheit aus dem römischen oder indigenen Pantheon auf dem Schöckl im Mittelpunkt der Verehrung stand, bedarf es vielmehr eindeutiger Funde wie zum Beispiel epigraphischer Hinweise, die derzeit aber noch ausstehen.

Antoninus III. (Caracalla) (212–217 n. Chr.), AR-Tetradrachme, 215–217 n. Chr., Emesa, Vs.: •AYT K•M•AN ••• TΩNEINOC C – E•B•, Kopf mit Lorbeerkranz nach rechts, Rs.: ΔΗΜΑΡX(IKHS) ΕΞ(OYCIAC) YΠΑΤOC TO Δ, Adler mit ausgebreiteten Schwingen, den Kopf nach links gewendet und im Schnabel einen Lorbeerkranz haltend, unter dem Schnabel der Buchstabe Omikron, zwischen den Fängen des Adlers die Büste des Sonnengottes Shamash mit Strahlenkrone und Kürass. Fundort: Sattel/Weiheplatz. Foto: UMJ/N. Lackner.

Die Tetradrachme des Caracalla aus Emesa in Syrien

Einzigartig für die Steiermark ist der Fund einer silbernen Tetradrachme, die in den Jahren 215 bis 217 n. Chr. in der syrischen Stadt Emesa, dem heutigen Homs, für den römischen Kaiser Antoninus III. – besser bekannt als Caracalla – geprägt wurde. Sie wurde in einer großen Grube gefunden und lag wohl nicht mehr an der Stelle, an der sie vom Besitzer bzw. der Besitzerin auf dem Weiheplatz in einer religiösen Handlung niedergelegt worden war. Diese Niederlegung könnte bereits wenige Jahre nach der Herstellung der Münze in Syrien erfolgt sein, weil sie nahezu prägefrisch ist. Ihr/e Besitzer/in hat sie wohl aus dem Osten des Römischen Reiches direkt nach Noricum mitgebracht.

Die Vorderseite der Großsilbermünze zeigt die lorbeerbekränzte Büste des Herrschers, die von der griechischen Umschrift AYT(OKPATΩP) K(AICAP) M(ARKOC) AN – TΩNEINOC C – EB(ACTOC) umgeben ist. Die Rückseite nimmt ein Adler mit ausgebreiteten Schwingen ein. Er hat seinen Kopf nach links gewendet und hält im Schnabel einen Lorbeerkranz. Unter dem Schnabel ist der Buchstabe Omikron angebracht. Zwischen den Fängen des Adlers ist die Büste des in Emesa verehrten Sonnengottes Shamash dargestellt, der eine Strahlenkrone und einen Kürass trägt. Die griechische Umschrift der Rückseite ΔΗΜΑΡX(IKHS) ΕΞ(OYCIAC) YΠΑΤOC TO Δ gibt an, dass Kaiser Caracalla zum Zeitpunkt, als die Münze geprägt wurde, Inhaber der tribunizischen Amtsgewalt und zum vierten Mal Konsul war.

Die Ausstellung kann bis zum 31. Oktober 2020 Dienstag–Sonntag zwischen 10 und 17 Uhr besucht werden. Die Sonderausstellung wird kuratiert von Manfred Lehner, Daniel Modl, Karl Peitler und Robert Pritz.

 

Für weitere Informationen besuchen Sie die Website des Archäologiemuseums Schloss Eggenberg.

Und hier finden Sie die Website des Universalmuseums Joanneum.

Ist der Weg nach Graz zu weit für Sie? Spannende Angebote des Universalmuseums Joanneum lassen sich auch von der Couch aus erleben!