Die Sammlung Scher gilt als die bedeutendste Sammlung von Porträtmedaillen der Renaissance in privater Hand. Sie vereint Meisterwerke der Epoche und übertrifft hinsichtlich ihrer Größe und der Qualität ihrer Objekte einige der größten Museen der Welt. Seit 2016 steht fest, dass auch die Sammlung Scher bald in einem Museum liegen wird. Die langjährige Zusammenarbeit der New Yorker Frick Collection mit dem engagierten Sammler Stephen K. Scher hat für das Museum Früchte getragen: Ein bedeutender Teil der Sammlung ging als Geschenk an diese Institution. Ein weiterer Teil der Sammlung wurde dem Museum versprochen. Um welche Meisterwerke es sich dabei handelt, zeigt ein umfangreicher Katalog, der vom Sammler selbst herausgegeben und von der Frick Collection publiziert wurde. Doch dieses schwergewichtige Werk ist mehr als ein Katalog. Es ist eine wissenschaftliche Einführung in die Kunst der Medaille und eine gedruckte Liebeserklärung an dieses Objekt.
884 Medaillen, meist mit Porträt, oft aus der Renaissance
Der Katalog umfasst 884 Medaillen, wobei der Schwerpunkt wie nicht anders zu erwarten auf den Porträts der Renaissance liegt. In sieben Kapiteln – Italien; Deutschland und Österreich; Frankreich; die Niederlande; England; Russland und Skandinavien; Schweiz, Mexiko und die Vereinigten Staaten – werden die Medaillen eingeordnet nach der Nationalität ihres Schöpfers präsentiert. Bekannte Kenner steuern die Einleitungen zu jedem Kapitel bei: Ulrich Pfisterer für Italien, Martin Hirsch für Deutschland und Österreich, Mark Jones für Frankreich, Jan Pelsdonk für die Niederlande, Christopher Eimer für England, Marie-Astrid Pelsdonk für Russland und Skandinavien. Ohne Einleitung bleibt nur das letzte Kapitel über die Schweiz, Mexiko und USA, in dem einige wenige, nichtsdestotrotz wundervolle Stücke von Medailleuren aus den genannten Nationen zusammengefasst sind.
Die Währung des Ruhms
Fast überflüssig zu erwähnen, dass der Katalog genauso meisterhaft ist, wie wir es erstmals 1994 in dem zu einem Standardwerk gewordenen Buch „Currency of Fame“ erlebt haben. Jedes Stück ist detailliert beschrieben, die oft lateinischen Inschriften sind übersetzt. Alle Medaillen sind 1:1 mit hervorragenden Fotos abgebildet, die wirklich illustrieren, mit was für Kunstwerken wir es zu tun haben. Jeder Medaille ist neben den Literaturhinweisen ein kleiner historischer Text beigegeben, der alle Informationen liefert, um die Medaille historisch einzuordnen.
Kurze Biographien aller beteiligten Künstler und ein umfassendes Literaturverzeichnis (62 S.!) helfen bei eigenen Recherchen. Besonders erfreulich ist der wirklich umfangreiche Index, der das Auffinden einzelner Medaillen wesentlich erleichtert. Schön, dass die Autoren sich die Arbeit gemacht haben!
Medaillen ausgewählt von einem Ästheten
Wer aber glaubt, dass sich Stephen Scher auf Renaissancemedaillen beschränkt hätte, den belehrt der Katalog eines Besseren. Der besessene Ästhet war für alles Schöne zu haben, ob es sich dabei um die meisterhafte Medaille aus der Hand von Augustus Saint-Gaudens mit der Darstellung des Autors der Schatzinsel, Robert Louis Stevenson handelt, oder um die Medaille eines französischen Künstlers aus dem Jahr 1965, die den (damals noch) einsamen Hafen von Alicante zeigt.
Die Stilsicherheit, mit der der Sammler noch unter den fabrikgefertigten Massenprodukten des 19. Jahrhunderts die umwerfenden Ausnahmen auswählt, kann man nur bewundern. Dieser Katalog zeigt einmal mehr, in welch großem Maße eine Sammlung die Persönlichkeit des Sammlers spiegelt.
Auf den Spuren eines Studenten…
Und deshalb ist für mich das absolute Highlight des Katalogs nicht eine der wissenschaftlichen Einführungen, auch wenn jede einzelne von einer profunden Kenntnis der Materie zeugt. Es ist die Einleitung des Autors, in der er schildert, wie er zu seinem Sammelgebiet gefunden hat. Jeder, der vom Sammelvirus befallen ist, wird mit dem jungen Studenten mitleiden, der sich in einem Florentiner Antiquitätenladen in eine Medaille von Sigismondo Malatesta verliebt, die er bei seinem beschränkten Reisebudget im Laden liegenlassen muss.
Dieser Katalog ist deshalb mehr als ein Buch, das auf einem Bücherregal eingeordnet wird. Er ist die Papier gewordene Liebe eines Sammlers zu den Objekten seiner Leidenschaft. Und es ist geradezu wie das Happy End einer glücklichen Liebesbeziehung, dass diese Sammlung zusammenbleiben wird, um in Zukunft viele Menschen zu erfreuen, wenn sie die Objekte in der Frick Collection besichtigen!
Sie können das Buch direkt bei der Frick Collection erwerben oder beim Verlag Giles.
Wenn Sie mehr über Sigismondo Malatesta, also den Mann wissen wollen, in dessen Medaille sich Stephen Scher in Florenz verliebte, finden Sie in der MünzenWoche einen Artikel über ihn.
Wenn Sie das 1994 erschienene Buch „The Currency of Fame: Portrait Medals of the Renaissance“ noch nicht besitzen: Oxbow offeriert zur Zeit eine Paperback-Ausgabe für 14,95 Pfund.
Stephen Scher dürfte sich sofort bei den neun Münzsammlertypen wiederfinden. Schauen Sie mal unter Nr. 3. Der Ästhet.