Der ehemalige Meißner Künstler Emil Paul Börner (1888-1970) gilt als schaffensreichster Gestalter von Münzen und Medaillen aus Porzellan und Steinzeug. Mehr als eintausend umgesetzte Entwürfe können ihm zugeordnet werden. Das von Börner einst gestaltete Notgeld und vor allem die eindrucksvollen Motive seiner Medaillen füllen heute ganze Kataloge. Aber Börner konnte noch viel mehr.
Porzellangeld für das Deutsche Reich und Sachsen
Man könnte fast behaupten, numismatisch betrachtet, ist allein schon der riesige Umfang der geschaffenen Motive zum wichtigsten Schwerpunkt seiner Künstlerlaufbahn geworden. Börner besticht besonders in den 1920er Jahren mit einer beispielhaften Kreativität.
Der Generaldirektor der Porzellanmanufaktur Meißen, Max Adolf Pfeiffer, wollte damals mit der Herstellung von Porzellangeld völlig neue Wege beschreiten. Dabei kam ihm der nach dem Ersten Weltkrieg überall in Deutschland herrschende Mangel an Kleinmünzen gerade recht. In Börner, welcher dort bereits als Porzellanmaler, Plastiker und Formgestalter angestellt war, sah er den richtigen Mann und er sollte nicht enttäuscht werden. Emil Paul Börner hatte bis 1920 schon einige dekorative Porzellanmedaillen entworfen und kannte sich mit dem neuen Medium Medaillen-Keramik aus. Zudem war er mit den Stempelschneidern der Prägestätte in Muldenhütten (E) gut bekannt, hatte ihnen schon oft über die Schultern geschaut und dabei vieles gelernt. Die dort erworbene Praxis galt es nun nur noch für keramische Münzen umzusetzen. Es gelang.
Direktor Pfeiffer wusste genau, mit welcher Begeisterung sich Börner ans Werk machen würde, um einen Münzentwurf auch nahezu prägereif auf das Papier zu bringen. Er betraute ihn mit der Entwicklung eines Münzsatzes für das Deutsche Reich. Schon nach wenigen Tagen legte Börner damals seine ersten Entwürfe für einen kompletten Probensatz Deutsches Reich (10, 20, 50 Pf. sowie 1, 2, 3 und 5 Mark) vor. Für zwei Nominale (20 Pf. und 5 Mark) präsentierte er seinem Generaldirektor gleich mehrere Motive. Es sollte später diese Münzen zudem wahlweise in braunem Steinzeug oder dem weißen Biskuitporzellan geben. Ein weiterer Münzsatz mit neuen Motiven entstand nur wenige Wochen später. Gleichzeitig entwarf und arbeitet der Künstler aber noch an einem dritten Münzsatz aus Steinzeug und Biskuitporzellan (10, 20, 50 Pf. sowie 1, 2 und 3 Mark), der für den Freistaat Sachsen vorgesehen war. Die Proben für das Deutsche Reich wurden inzwischen emsig im Reichstag diskutiert – aber dann doch abgelehnt. Der Freistaat Sachsen und eine große Anzahl deutscher Städte waren allerdings brennend an solchen Münzen mit den gekreuzten Kurschwertern interessiert. Die Manufaktur konnte sich vor Aufträgen gar nicht retten. Börner entwarf und gestaltete unentwegt.
Schaffensreich und voller Ideen
Der Künstler liebte bei seiner Arbeit besonders das Spiel mit Farben und versuchte damit, den Motiven noch mehr Leben einzuhauchen. Daher gibt es von vielen Ausgaben noch zusätzlich einige Farbdekor-Varianten, welche den Spezialsammler besonders erfreuen. Börner wollte dem Kunden damit zeigen, was alles mit dem Medium Porzellan möglich war. Er konnte mit seinen Ideen die Menschen zeitgleich begeistern sowie verzaubern. Dem entwerfenden Künstler gelang es stets, die Münzen neben der obligatorischen Wert-, Jahres- und Herkunftsangabe mit typischen Motiven von Produktionszweigen und ihren Produkten, historischen Bauwerken und regionalen Dingen symbolhaft zu versehen. Das Schwerterzeichen auf jeder Münze verwies auf deren Herkunft aus der Meißener Porzellan-Manufaktur. Börner erwies sich als Meister der Reliefkunst, der auf kleinstem Raum eine künstlerische Aussage dekorativ umzusetzen vermochte.
Geldscheine
Ein weiteres Betätigungsfeld Börners wurde die Gestaltung von Geldscheinen, bestimmt für den inneren Verkehr der Manufaktur in Zeiten der Hochinflation. Aber auch im Auftrag der Amtshauptmannschaft Meißen entwickelte und gestaltete er Geldscheine. Gerade hier zog der Künstler alle Register seines grafischen Könnens. Heute sind derartige Geldscheine kleine Raritäten geworden. Zudem tragen viele Scheine nicht eine aufgedruckte, sondern die eigenhändige Unterschrift von Max Adolf Pfeiffer. Auch von anderen Persönlichkeiten der Porzellanmanufaktur Meißen wurden die Scheine unterschrieben. Jeder Geldschein ist damit praktisch ein Unikat.
Die Scheine der Manufaktur sind grundsätzlich nur einseitig bedruckt und sollten an die Angestellten der Manufaktur ausgegeben werden. Da der Wert des damaligen Geldes galoppierend, oft innerhalb weniger Stunden sank, wollte man den Angestellten wenigstens einen gewissen Wert in die Hände geben. Mit diesen Geldscheinen konnte man Produkte der Manufaktur, also Porzellan erwerben. Das Porzellan aus Meißen war schließlich weltweit beliebt und hatte seinen Wert behalten. Mit dem Erwerb von Porzellan war den Angestellten die Möglichkeit gegeben, auf dem freien Markt dringend benötigte Lebensmittel zu tauschen oder zu erwerben. Diese Tatsache sprach sich sehr schnell herum und bald gab es genug Händler, welche diese Geldscheine auch direkt akzeptierten. Die Motive der Scheine sprechen durch die Grafiken von Börner eine deutliche Sprache der damaligen Zeit.
Professor in Dresden
Die Deutsche Keramische Gesellschaft ehrte Börner im Jahre 1930 mit der Böttger-Denkmünze für sein bisheriges künstlerisches Schaffen. Am 1. April 1937 erhielt er eine Professur an der Dresdner Akademie für Kunstgewerbe. Hier fand er vorerst ein neues Tätigkeitsfeld, bis er dann 1942 noch zusätzlich eine Lehrtätigkeit an der Staatlichen Kunsthochschule Dresden annahm. Nebenher arbeitete er als freischaffender Künstler. In seinem Wohnhaus in Meißen unterhielt er noch ein kleines Atelier. Bis zum Ende des Krieges sollte der Künstler allerdings kein größeres Projekt mehr beginnen. Er war offenbar mit seiner Lehrtätigkeit ausgelastet, hielt sich aber gleichzeitig aus allen politischen Aktivitäten heraus. Mit der Bombardierung Dresdens im Februar 1945, die mit unzähligen Opfern und sinnloser Zerstörung in die Geschichte eingegangen ist, war ein Unterricht an Akademie und Kunsthochschule nicht mehr möglich.
Börner widmete sich, soweit es ihm möglich war, nur noch der Arbeit als freischaffender Künstler. Um 1952 kam es erneut zum Kontakt mit der Manufaktur Meißen und dem Porzellan. Aber auch zur KPM in Berlin und zu anderen Manufakturen pflegte er Kontakt und kam so an Aufträge. Auch die Arbeiten aus dieser Zeit sind zartgliedrig modelliert und tragen mit ihren pausbackigen Köpfen die altbekannte Handschrift des Künstlers.
Als sich das 250. Jubiläum der Porzellanmanufaktur Meißen im Jahre 1960 näherte, gehörte Börner mit zu den Künstlern, welche Entwürfe für eine geplante Jubiläums-Kollektion lieferten. Danach wurde es zunehmend still um Börner. Er zog sich offenbar völlig in sein Privatleben zurück. Nach einer kurzen, schweren Krankheit verstarb der Künstler am 7. November 1970 in seiner geliebten Heimatstadt Meißen.
In seinem schaffensreichen Leben hinterließ Emil Paul Börner wahre Meisterleistungen der Keramik, welche noch heute in der Stadt Meißen, in Europa und rund um den Globus erlebbar und vor allem auch hörbar sind. Börner und sein Mitarbeiter Max Hermann Dietze gaben zum Beispiel den Glocken aus Porzellan im Jahre 1929 endlich eine Stimme. Von Börner stammt der Glockenschmuck für zwei Bronzeglocken im Meißner Dom sowie die zum Teil überlebensgroß gefertigten Porzellankunstwerke in der Kriegergedächtnisstätte von Meißen. Fast die gesamte künstlerische Ausgestaltung der Feierhalle im Krematorium Meißen und dessen Umfeld stammt von diesem Künstler und, und, und …
Wer heute durch die Porzellanstadt Meißen geht, wird leider feststellen, dass man Emil Paul Börner dort offenbar vergessen hat. Keine Straße, keine Gasse, kein Weg weist mehr auf den schaffensreichen Künstler hin. Sammler von Münzen und Medaillen aus Keramik kennen und schätzen allerdings diesen ungewöhnlich kreativen Künstler und seine typischen Werke umso besser.
Eine Biografie über den ehemaligen Künstler Emil Paul Börner aus Meißen ist online verfügbar.
Auch im südostasiatischen Siam gibt es eine lange Tradition von Porzellantoken und -geld.
Mehr über unseren Autor numiscontrol, alias Reiner Graff, erfahren Sie in unserem Who’s Who.
Einen Überblick zu 2-Euro-Raritäten gab er bereits in diesem Artikel. Besonders beliebt sind zudem seine Beiträge „1871-1909: Zeit der Fälschungen“, „Die Wertentwicklung der ersten Euromünzen des Vatikans“ und „Unentdeckte Schätze bei Umlaufmünzen“.
Der Sammelexperte hat es sich zur Aufgabe gemacht, gerade Anfänger an die Welt der Münzsammlungen heranzuführen – hier finden Sie seine „Grundlagen für Sammler“ sowie seine Serie „Münzpflege leicht erklärt“.
Außerdem liefert er jedes Jahr eine Weihnachtsgeschichte, so zuletzt zu einem Klingelbeutel …