Harvey G. Stack (1928-2022)

Harvey G. Stack (1928-2022) war einer der Gründerväter und der Chronist des modernen amerikanischen Münzhandels. Foto: Stack’s Bowers Galleries.
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Am 3. Januar 2022 starb Harvey G. Stack im Alter von 93 Jahren. Er war ein echter Münzbegeisterter, der seine tiefe Liebe zur Numismatik lebte. Er gehörte zu denen, die nicht anders können: Er musste seinen Enthusiasmus mit anderen teilen, gerne auch mit jüngeren Menschen, denen er seinen großen Schatz an Erfahrung großzügig zur Verfügung stellte. Wann immer wir einen Artikel veröffentlichten, der ihm gefiel und seine Meinung zum Ausdruck brachte, erhielten wir ein ellenlanges Mail, das selbst als Artikel hätte durchgehen können. Was hatte er für einen Spaß, als er uns selbst den Text für seinen Eintrag zum „Who’s who“ lieferte!

Noch am 22. Dezember vergangenen Jahres schrieb uns Harvey ein Mail, wie er sie eben immer schrieb: Begeistert, in Großbuchstaben, und das, was ihm wichtig erschien, fett hervorhebend. Ich kann es einfach noch nicht glauben, dass wir diese Mails nie wieder bekommen werden.

Kindheit in einer aufstrebenden Münzhandlung

Harvey G. Stack wurde am 3. Juni 1928 geboren. Nur fünf Jahre später eröffneten sein Vater Morton und sein Onkel Joseph Stack ihre Münzhandlung, die bereits 1935 eine erste Auktion durchführte. Wer weiß, wie es bei Neugründungen zugeht, kann sich gut vorstellen, wie oft der kleine Harvey bereits als Schüler in der Münzhandlung mithelfen musste. Er lernte die Arbeit von der Pike auf: Von den lästigen Routinearbeiten, wie sie eben in allen Münzhandlungen so anfallen, bis hin zu den anspruchsvolleren Tätigkeiten wie dem Bestimmen von Münzen. Harvey hatte Spaß daran, deshalb war es für ihn keine Frage, dass er genauso wie seine zwei Cousins nach einer Ausbildung an der New York University in die Münzhandlung eintreten würde. Das war 1947, als der amerikanische Münzhandel eine Blütezeit erlebte. Viele bedeutende Münzhändler jüdischen Glaubens waren aus Europa geflohen und hatten in New York eine neue Heimat gefunden. Stack’s bot einigen von ihnen Arbeit. So kam es, dass der junge Harvey nicht nur von seinem Vater in der amerikanischen Numismatik ausgebildet wurde, sondern die europäische Numismatik von einigen der bedeutendsten deutschen Numismatiker lernen konnte. Wir nennen an dieser Stelle nur Vladimir Clain-Stefanelli, der in Berlin für die Preußische Akademie der Wissenschaften am Griechischen Münzwerk mitgearbeitet hatte, und Henry Grunthal, einen gebürtigen Kölner, der 1938 in die Vereinigten Staaten emigrierte.

Ein Freund und Anwalt aller Sammler

Harvey Stack erhielt bald verantwortungsvollere Aufgaben. Er wurde zu einem beliebten Ansprechpartner für Kunden, die im „Clubhouse“ verkehrten, wie die Büros von Stack’s – damals 123 West 57th Street – gerne genannt wurden. Sehr stolz war Harvey immer darauf, dass er bereits als 23-jähriger damit betraut wurde, die Josiah K. Lilly Collection aufzubauen. Dies ist durchaus bemerkenswert, denn der bedeutende Philanthrop und Geschäftsmann Lilly gehörte mit fast 60 Jahren zu einer anderen Generation. Gemeinsam schufen sie eine der, vielleicht die größte Sammlung von Goldmünzen. Sie enthielt vor allem Prägungen der Vereinigten Staaten, aber auch der Antike und Europas. Diese Sammlung war so bedeutend, dass sich das Smithsonian Institute, wo inzwischen Vladimir Clain-Stefanelli die numismatische Abteilung leitete, nach Lillys Tod entschloss, dessen Sammlung anzukaufen.

1955 erhielt Harvey Stack seine offizielle Erlaubnis als Auktionator und wurde Miteigentümer von Stack’s. Neben seinen vielen Aufgaben fand er die Zeit, sich vor Gericht gegen eine strengere Regulierung des Imports von Goldmünzen zu wehren. Bis 1967 dauerte der Prozess, in dem Harvey tatsächlich Recht bekam, was für alle amerikanischen Münzsammler und -händler von enormer Bedeutung war.

Er galt seitdem als wichtiger Akteur des Münzhandels, weswegen er als Sachverständiger vor einem Subkomitee des Kongresses aussagte, als der Hobby Protection Act von 1973 diskutiert wurde. Auch war er in den 1970er Jahren maßgeblich daran beteiligt, die Sheldon Skala von 1949 für alle Münzen nutzbar zu machen.

Aber ganz besonders lagen ihm die modernen Münzen der US Mint am Herzen. Noch kurz vor seinem Tode konnte er sich furchtbar ereifern, wenn er die aktuellen Entscheidungen der Münzstätte für einen Fehler hielt. Er fühlte sich eben mit verantwortlich, seit er 1976 zu einem Mitglied der United States Assey Commission ernannt worden war. In dieser Funktion gehörte er zu den Fürsprechern des 50-State-Quarter-Programms, das zu einem gewaltigen Erfolg wurde. Es brachte unzählige neue Sammler zum Hobby und fand in vielen Staaten der Welt Nachahmer.

Harvey Stack mochte dieses Foto und wird vielen so in Erinnerung bleiben. Foto: Stack’s Bowers Galleries.

Verantwortung und Weitblick

Harvey Stack fühlte sich als Inhaber einer erfolgreichen Münzhandlung immer für den gesamten Münzmarkt verantwortlich. Er übernahm zahlreiche ehrenamtliche Funktionen und unterstützte die großen und kleinen numismatischen Vereine und Gesellschaften moralisch und finanziell.

Als wir 2021 seinen Who’s-who-Eintrag veröffentlichten, schrieb er uns stolz, dass er seit mehr als 70 Jahren im Münzhandel tätig sei und immer noch in alle wichtigen Entscheidungen eingebunden werde. Seine Erfahrung wurde eben geschätzt. Harvey Stack war ein Realist mit einer Vision. Deshalb unterstützte er die Vereinigung von Stack’s mit Bowers & Merena. Heute gehören die Stack’s Bowers Galleries zu den Top-Playern auf dem internationalen Münzmarkt.

Mindestens genauso stolz darf Harvey Stack in meinen Augen darauf sein, dass es ihm gelungen ist, seinen Sohn Larry und seine Tochter Susan dafür zu begeistern, die Firma mittlerweile in der dritten Generation zu führen.

Chronist der Geschichte des Münzhandels

Harvey, der große Erzähler, hat uns ein unerschöpfliches Erbe hinterlassen. Anlässlich seines 85. Geburtstages im Jahr 2013 begann er, seine Erinnerungen aufzuschreiben. Wir durften noch im vergangenen Jahr seine brillante Schilderung seiner Erlebnisse während 9/11 veröffentlichen. Alle seine Beiträge findet man auf der Homepage von Stack’s Bowers unter einem eigenen Menüpunkt. Versäumen Sie nicht, die Erinnerungen eines großen Numismatikers und Zeitzeugen zu lesen.

Wir alle werden Harvey G. Stack vermissen. Unser Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen, seiner Frau Harriet, seinen Kindern Larry und Susan, seinen Enkeln und Großenkeln.

Seine Seele möge eingebunden sein in das Bündel des Lebens!