Jerome Eisenberg (1930-2022)

Jerome Eisenberg (1930-2022) auf der Basler BAAF 2012. Foto: Vincent Geerling.
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Wer mit ihm sprach, wusste es nach wenigen Minuten: Dieser Mensch brannte für das, was er tat. Er liebte antike Objekte und hatte das Bedürfnis, diese Liebe mit allen anderen zu teilen, und das völlig gleichgültig ob es sich um einen reichen Sammler handelte oder um einen kleinen Jungen, der zum ersten Mal in seinem Leben ein Ushebti in der Hand halten durfte. Jerome Martin Eisenberg lebte mit den Royal Athena Galleries in New York seine Leidenschaft, und er trat vehement dafür ein, den Handel mit archäologischen Objekten – seien es Münzen, sei es antike Kunst – ethisch verantwortlich zu betreiben. Es hat ihn in seinen letzten Lebensjahren tief verletzt, dass mancher Kritiker des Antikenhandels nicht verstehen konnte oder wollte, dass ethisch verantwortungsvoll in den 1960er Jahren etwas anderes bedeutete als heute.

Eine Kindheitsliebe fürs ganze Leben

Jerome Eisenberg, geboren am 6. Juli 1930, gehörte zu denen, die sich nie fragten, was sie mit ihrem Leben anfangen sollten. Er erzählte gerne, dass er seine Antikenbegeisterung einem Besuch im Boston Museum of Fine Arts verdankte, und dass er bereits als 11-jähriger Junge zusammen mit seinem Vater mit antiken Münzen handelte.

Nach Ableistung seines Militärdiensts 1951 gründete Jerome Eisenberg eine Münzhandlung in Boston. Hatte er seinen Bachelor in Geologie noch an der Boston University gemacht, bildete er sich an verschiedenen amerikanischen Universitäten und bei Jiří Frel an der Karls-Universität in Prag in Kunstgeschichte und Archäologie weiter. Wobei die akademische Ausbildung nur der Startpunkt war. Die meisten seiner fundierten Kenntnisse erwarb Jerome Eisenberg in der Praxis, bei der Untersuchung und Beschreibung Zehntausender von antiken Objekten.

Jerome Eisenberg gehörte zu den besten Kennern seines Fachs mit einem unbestechlichen Auge, das er oft einsetzte, um „echt“ von „falsch“ zu unterscheiden. Berühmt wurde er in der Fachwelt mit seinem Beitrag zum Diskos von Phaistos, den er – genau wie die Schlangengöttin von Knossos – für eine Fälschung des Schweizer Restaurators Emile Gilliéron hielt. Gilliéron ist unter Kennern dafür bekannt (oder vielmehr berüchtigt), dass er die Fresken von Knossos nicht auf Grund eines Befundes, sondern mit viel künstlerischer Freiheit „wiederherstellte“.

Jerome Eisenberg war seit 1955 ein Sponsor der American Numismatic Society und seit 1998 ihr Mitglied. 1996 holte ihn das Institut für Klassische Archäologie der Universität Leipzig als „visiting professor“ nach Leipzig, damit er sein Wissen einer jüngeren Generation weitergeben sollte.

Jerome Eisenberg an seinem Stand auf der BAAF Basel 2013. Foto: Vincent Geerling.

Royal Athena Galleries – mehr als 60 Jahre unter Jerome Eisenberg

1958 eröffnete Jerome Eisenberg die Royal Athena Galleries in New York, die er erst Ende Oktober 2020 schloss, als er sich im Alter von 90 Jahren zur Ruhe setzte. In den 62 Jahren, die zwischen Eröffnung und Schließung liegen, publizierte er zahllose Kataloge mit Antiquitäten, die er mustergültig beschrieb und so für Sammler verständlich machte. Jerome Eisenberg war stolz darauf, in seinen Royal Athena Galleries mehr als 40.000 Objekte gehandelt zu haben, von denen kein einziges – und darauf legte er besonderen Wert – seines Wissens eine zweifelhafte Provenienz gehabt habe.

Um seinen Sammlern ein tieferes Verständnis für die Antike und ihre Erzeugnisse zu vermitteln, gründete Jerome Eisenberg 1990 die Zeitschrift „Minerva“, die er viele Jahre lang als Chefredakteur leitete und zu einer Institution machte.

Jerome Eisenberg wird mit dem Orden della Stella della Solidarietà ausgezeichnet. Foto: IADAA.

Ein Kampf für einen sauberen Antikenhandel

Man kann es durchaus als eine Tragödie bezeichnen, dass ausgerechnet ein Mann, der sich dafür einsetzte, einen ethisch verantwortungsvollen Antikenhandel zu betreiben, in den letzten Jahren seines Lebens dafür angegriffen wurde, sich in der Vergangenheit nicht an heutigen Standards orientiert zu haben.

Jerome Eisenberg trat nämlich für einen integren Antikenhandel ein – und das nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Er gehörte 1993 zu den Gründungsmitgliedern der International Association of Dealers in Ancient Art (IADAA), die sich mit ihrem strengen Verhaltenskodex für einen gewissenhaften Kunsthandel einsetzt. Jerome Eisenberg wurde immer wieder zu Kongressen und Veranstaltungen eingeladen, um dort über die Regeln eines ethisch verantwortungsvollen Handels mit antiken Objekten zu sprechen. Er selbst hat sich immer hohe Standards gesetzt. Dass selbst seine für die 1960er und 1970er Jahre enorm hohen moralisch-ethischen Standards den heutigen Anforderungen einiger Aktivisten nicht mehr genügen, wirft nur in den Augen derer einen Schatten auf sein Lebenswerk, die nicht wissen, dass alle Werte ständig in einem Prozess des Wandels befindlich sind, und dass die Möglichkeiten der Vergangenheit, eine Provenienz zu recherchieren, nicht mit einer heutigen Recherche vergleichbar sind.

Wenn Jerome Eisenberg nachträglich erfuhr, dass er oder ein Händlerkollege über die Provenienz eines Objekts getäuscht worden war, setzte er alles daran, dieses Objekt seinem ursprünglichen Besitzer zurückzugeben. Die MünzenWoche durfte 2012 darüber berichten, dass Jerome Eisenberg mit dem Orden della Stella della Solidarietà Italiana und dem Titel Ufficiale vom Präsidenten der Republik Italien ausgezeichnet worden war, weil er immer wieder instrumental an der Rückführung von antiken Objekten beteiligt war, die illegal in Italien ausgegraben oder aus italienischen Museen gestohlen wurden.

Es machte ihn tief traurig, dass eine zunehmend feindlicher gesinnte Öffentlichkeit ihm trotz seiner sorgfältigen Ankaufspolitik vorwarf, einige illegal exportierte Objekte gehandelt zu haben. So sagte er einmal einem Journalisten: „Ich habe versucht, alle amerikanischen Vorschriften und alle internationalen Verträge zu Kulturgütern peinlich genau zu befolgen. Leider bin ich damit gleichzeitig ein Idealist und ein Heuchler, denn ich habe zweifellos unwissend einige Objekte legal von Galerien und Auktionshäusern in England, Deutschland, Frankreich und der Schweiz erworben, die irgendwann illegal aus ihrem Land exportiert wurden.“

Jerome Martin Eisenberg verstarb an seinem Geburtstag, dem 6. Juli 2022, an den Folgen einer Lungenentzündung. Wir von der MünzenWoche verneigen uns vor dem Lebenswerk eines Kollegen, der mit seiner Arbeit die Welt des Antikenhandels zum Positiven verändert hat.