Joanneum schenkt Libyen die „Faustina“

Die Übergabe der „Faustina“, links: Kulturlandesrat Christopher Drexler, rechts: Jalal Alashi, Botschafter Libyens in Österreich, Foto: Libysche Botschaft.
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Am 4. März 2021 übergab Kulturlandesrat Christopher Drexler gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Direktor des Universalmuseums Joanneum Wolfgang Muchitsch eine aus Libyen stammende Skulptur, die sogenannte „Faustina“, in Wien dem libyschen Botschafter Jalal Alashi als Geschenk des Landes Steiermark. Nachdem der Frauenkopf aus Marmor 1967 in der Nähe von Graz gefunden und vom Museum gekauft wurde, bemühte sich die Abteilung Archäologie & Münzkabinett des Joanneums seit 2009 aktiv um die Aufklärung der Herkunft und die Rückgabe des Objekts.

Unterzeichnung des Schenkungsvertrags, links: Kulturlandesrat Christopher Drexler, rechts: Jalal Alashi, Botschafter Libyens in Österreich, Foto: Libysche Botschaft.

„Faustina“: Schenkung statt Restitution

Christopher Drexler, Landesrat für Kultur, Europa, Sport und Personal in der Steiermark: „Es ist mir ganz besonders wichtig, dass in unseren Museen des Landes eine aktive Auseinandersetzung mit dem Thema der Restitutionen stattfindet. Auch wenn es sich beim antiken Frauenkopf „Faustina“ um keinen erwiesenen Restitutionsfall handelt, sind die genauen Umstände nach wie vor ungeklärt, wie das Kunstwerk seinen Weg in die Steiermark gefunden hat. Wir wollen daher Verantwortung übernehmen und dafür Sorge tragen, dass die in der Zeit des Zweiten Weltkrieges aller Wahrscheinlichkeit nach geraubte „Faustina“ an ihren nachgewiesenen Ursprungsort zurückkehrt und der Bevölkerung sowie der Forschung in Libyen zugänglich gemacht wird.“

Jalal Alashi, Botschafter des Staates Libyen in Österreich: „Wir möchten unsere höchste Wertschätzung für den Beschluss der steirischen Landesregierung zum Ausdruck bringen, demnach die Schenkung dieser Statue an den Staat Libyen genehmigt wurde. Wir freuen uns über die außerordentlich guten Beziehungen zwischen unseren befreundeten Staaten, ebenso wie über die Möglichkeit, die Kooperation in allen Bereichen auch in Zukunft fortführen zu können.“

Wolfgang Muchitsch, wissenschaftlicher Direktor des Universalmuseums Joanneum: „Es ist immer wieder erstaunlich, wie lange es braucht, um im Zweiten Weltkrieg erlittenes Unrecht aufzuarbeiten. Dazu braucht es den analytischen Blick einer jüngeren Generation an Wissenschaftler*innen, die die eigene Sammlung und deren Provenienz kritisch hinterfragen. Umso mehr freut es mich, dass es nach vielen Jahren erfolgloser Kontaktaufnahme mit den Museumskolleg*innen in Libyen nunmehr gelungen ist, diesen Fall zu einem positiven Abschluss zu bringen.“

„Faustina“, 175-190 n. Chr., Foto: Universalmuseum Joanneum/B. Schliber-Knechtl.

Der mysteriöse Fund der „Faustina“

1967 wurde in Unterpremstätten ein weiblicher Porträtkopf von exzellenter Bildhauerarbeit aus weißem Marmor gefunden. Der damalige Landesarchäologe Walter Modrijan erwarb den Kopf für 7.000 Schilling für das Landesmuseum Joanneum. Relativ bald war klar, dass es sich aufgrund der hohen Qualität – die durch ein Gutachten des Kunsthistorischen Museums Wien festgestellt wurde ‒ nicht um ein einheimisches Erzeugnis handeln konnte. Im Jahr 1969 veröffentlichte Walter Modrijan in der archäologischen Zeitschrift des Universalmuseums Joanneum „Schild von Steier“ einen ersten Bericht mit einer Abbildung als „Kopf vom Kaiserwald“. Bereits 1960 jedoch war der Kopf in einem Buch über die römische Porträtplastik der Kyrenaika (Nordafrika) als „im Krieg verschollen“ publiziert worden. 1973 gelang es dem deutschen Archäologen Klaus Fittschen, den von Modrijan 1969 vorgelegten Kopf mit dem verschollenen Kopf aus Apollonia in Libyen gleichzusetzen. Das Porträt einer jungen Frau entstand zwischen 175 und 190 n. Chr. in Apollonia (Susah, Libyen) und wurde dort in der östlichen Basilika gefunden.

Herkunft und Rückgabe der „Faustina“

Seit 2009 betreibt die Abteilung Archäologie & Münzkabinett aktiv die Aufklärung des Sachverhaltes. In jahrelanger Recherche bereitete die Archäologin Barbara Porod gemeinsam mit der Verantwortlichen für Restitution und Provenienzforschung am Joanneum, Karin Leitner-Ruhe, die Rückgabe nach Libyen vor. Bis zum Zweiten Weltkrieg hatte sich der Frauenkopf nachweislich im Museum von Apollonia in Libyen befunden. Die rechtliche Prüfung des Landes Steiermark ergab, dass der Frauenkopf zwar im Eigentum des Landes Steiermark steht, jedoch keine Hinweise darüber vorliegen, dass der im Kaiserwald gefundene Porträtkopf unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zwischen 1941 und 1943 außer Landes gebracht wurde.

Auf der Grundlage dieser rechtlichen Expertise fasste die Kommission zur Rückgabe und Verwertung von Kunstgegenständen und Kulturgütern, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ihren Eigentümer*innen entzogen worden sind, in ihrer Sitzung am 1. Juli 2020 den Beschluss, dass es sich bei diesem antiken Frauenkopf, der sogenannten „Faustina“, nicht um einen Restitutionsfall im Sinne des entsprechenden Landesverfassungsgesetzes handelt. Gleichzeitig empfahl die Kommission die Schenkung an den völkerrechtlich anerkannten Staat Libyen. Dem diesbezüglichen Antrag von Landesrat Christopher Drexler an die Steiermärkische Landesregierung wurde im Januar 2021 stattgegeben, sodass der Kopf nun am 4. März 2021 in der Botschaft des Staates Libyen in Wien an den Botschafter Jalal Alashi übergeben werden konnte. Im Schenkungsvertrag, der bei der Übergabe unterzeichnet wurde, ist festgehalten, dass der Staat Libyen für eine den international geltenden Museumsstandards entsprechende Erhaltung des Objekts zu sorgen hat. Ebenso ist die sogenannte „Faustina“ der Öffentlichkeit – präferiert in einem Museum –zugänglich zu machen und mit einem Hinweis zu versehen, dass es sich um eine Schenkung des Landes Steiermark handelt. Die öffentliche Zugänglichkeit muss auch für Forschungs- und Studienzwecke gewährleistet sein.

 

Auf seiner Website lernen Sie mehr über das österreichische Universalmuseum Joanneum.

Immerhin war der Kopf so während des letzten Bürgerkriegs in Libyen geschützt. Eine Münzsammlung, der „Schatz von Bengasi“ ging damals komplett verloren und tauchte später wieder stückchenweise im Handel auf.