In Schweden ist man sehr traditionsbewusst, wenn es um die Zuerkennung des Doktorgrades geht. Am 10. Dezember 2021 verteidigt die Kandidatin Ylva Haidenthaller ihre numismatische Arbeit zur Erlangung des Doktorgrades und folgt dabei einem Ritual, dessen Wurzeln in die Frühzeit der europäischen Kulturgeschichte zurückreichen …
Historische Disputationen
Luther soll seine 95 Thesen an die Schlosskirche in Wittenberg geschlagen haben. Das erscheint zunächst skurril oder effektheischend. Doch der streitbare Theologe folgte dem damals üblichen Prozedere. Man machte mit einem „Flyer“, wie wir heute sagen würden, auf seine Ansichten aufmerksam und stellte sie zur Debatte. Bei einem Treffen mit einem intellektuellen Gegner, der Disputation, kam es dann zum Schlagabtausch. Auch die höheren Weihen der Universität wurden erst verliehen, nachdem der Prüfling ein solches Treffen heil überstanden hatte. Und es konnte mit harten Bandagen gekämpft werden. Daher sagte der Ablauf einer solchen Disputation meist mehr über die Qualität eines Gelehrten aus, als seine veröffentlichte Arbeit.
Ganz anders heute: Wer heute in Numismatik oder einer anderen geisteswissenschaftlichen Disziplin promoviert, legt vor allem eine schriftliche Arbeit vor. In einer nichtöffentlichen Prüfung wird entweder Fachwissen abgefragt oder der Prüfling muss in einer kleinen Gruppe ein paar Fragen beantworten. Danach muss der Prüfling oft noch so manchen Rat in sein Erstlingswerk einarbeiten, bevor die Arbeit vom Gutachter zur Veröffentlichung freigegeben wird.
Schweden: Verteidigung gegen den Advocatus diaboli
Schwedens Universitäten dagegen folgen noch immer dem alten Brauch, wie uns Ylva Haidenthaller bestätigt hat. Am 22. November 2021 hat sie nicht nur einen Aushang ans „Schwarze Brett“ gehängt, sondern ihre komplette Arbeit mit einem langen Nagel daran genagelt! Da wundert es nicht, dass das „Schwarze Brett“ dort „Spikbräda“, also „Nagelbrett“ heißt …
Die Arbeit muss also vor dieser Ankündigung schon veröffentlicht sein, der Kandidat oder die Kandidatin verteidigt sie im Anschluss vor der gesamten Fakultät, ja jeder darf beiwohnen. Und diese Gespräche können sehr anstrengend sein. Nach einer kurzen Einleitung darf der Prüfling („Respondent“) noch auf ein paar letzte Fehler hinweisen, dann fasst der sogenannte Opponent, eine Art Advocatus diaboli, die Arbeit zusammen und stellt seine kritischen Fragen. Das kann sich durchaus über 2 Stunden hinziehen. Die externen Prüfer ziehen sich danach zur Beratung zurück und vergeben dann die Note.
Wenn Sie eine solche schwedische Defensio von Ylva Haidenthallers Dissertation über „Die Medaille im frühneuzeitlichen Schweden: Bedeutungen und Praktiken“ virtuell miterleben möchten, dann können Sie das tun! Die Prüfung wird übrigens auf Englisch abgehalten am 10.12.2021 um 13 Uhr. Für den Zoomlink, kontaktieren Sie einfach Ylva Haidenthaller direkt.
Ylva Haidenthallers Buch steht als OpenAccess-Publikation online zur Verfügung.