New Yorker Antiquitätengeschäft Mallett bankrott wegen Mietschulden

„Time to say goodbye“ heißt es für die Stanley Gibbons Group, die für den bei ihr verbliebenen Rest des Antiquitätengeschäft Mallett Insolvenz anmelden musste, um ausstehende Mietschulden in Millionenhöhe zu begleichen.
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Chapter 11 ist ein Sanierungsverfahren in den USA, in dem ein insolventes Unternehmen sich bemüht, durch eine Umorganisation wieder auf die Beine zu kommen. Ein solches Verfahren wurde jetzt für das New Yorker Antiquitätengeschäft Mallett eröffnet – von Umorganisation ist da aber schon keine Rede mehr, es geht nur noch darum, möglichst schnell Vermögen flüssig zu machen und den Schaden zu begrenzen. Auf den ersten Blick hat das nichts mit der Münzwelt zu tun, doch ein zweiter Blick enthüllt, wie schnell Unternehmen in Haftung genommen werden, weil sie zu komplexen Unternehmensgruppen gehören.

Mallett – eine komplizierte Geschichte

Die Antikenhandlung Mallett Antiques wurde 1865 in London gegründet und hat sich seither auf europäische Möbel spezialisiert. 2003 fasste Mallett mit zwei Filialen auch in New York Fuß. 2014 wechselte Mallett zur The Fine Art Auction Group, das seinerseits im Jahr zuvor von Stanley Gibbons übernommen worden war. Bei Stanley Gibbons wiederum könnten Münzsammler hellhörig werden. Das Traditionsunternehmen im Bereich Briefmarken expandiert nämlich seit Jahrzehnten und hatte ebenfalls 2013 Noble Investments aufgekauft, zu der die renommierte Londoner Münzhandlung Baldwin’s gehörte.

Solche Übernahmen sind nicht immer langfristig angelegt. Schon nach vier Jahren trennte sich Stanley Gibbons wieder von Mallett Antiques. Allerdings verblieb die New Yorker Filiale bei Stanley Gibbons, wie die gut informierte Antiques Trade Gazette weiß. Und das hat jetzt Folgen für den ganzen Konzern.

Verbindlichkeiten und Abhängigkeiten

Wir alle kennen aus unserer Umgebung Fälle, in denen kleine Läden ihre Miete nicht zahlen konnten, weil während und zwischen den Lockdowns der letzten eineinhalb Jahre kein normaler Geschäftsbetrieb möglich war. So etwas ist auch der bekannten Modemarke Stella McCartney passiert, die gleich im April 2020 die Mietzahlungen für ihr Geschäft in bester New Yorker Lage einstellte. Vielleicht erraten Sie schon, wo die Luxusmarke Untermieterin war. Richtig: in den Räumen von Mallett New York. Rund 127.000 US-Dollar kostet das pro Monat. Die Modedesignerin Stella McCartney meint allerdings, dass sie überhaupt keine Miete schulde. So kam es, dass Mallett seinerseits seinen Zahlungen als Mieter nicht nachkommen konnte. Das Mietverhältnis vorzeitig zu kündigen war ebensowenig möglich wie eine Stundung.

Da die verschiedenen Unternehmen in der Stanley Gibbons Group zur gegenseitigen finanziellen Unterstützung verpflichtet sind, standen im August 2021 Außenstände in Höhe von 4,3 Millionen Britischen Pfund (ca. 5 Millionen Euro bzw. 5,89 Millionen US-Dollar) im Raum, denen gerade einmal 2,5 Millionen Britischen Pfund (ca. 2,9 Millionen Euro bzw. 3,4 Millionen US-Dollar) an Vermögenswerten von Mallett New York gegenüberstanden. An dem Punkt hätten auch die anderen Unternehmen der Stanley Gibbons Group herangezogen werden müssen, möglicherweise auch Baldwin’s. Gleichzeitig sind aber auch Unternehmen der Stanley Gibbons Group ihrerseits Gläubiger von Mallett.

Dieses Wirrwarr im Beziehungsgeflecht wird noch komplizierter durch einen weiteren Player. Unternehmensgruppen brauchen regelmäßig mehr Geld als sie haben: um andere Unternehmen aufzukaufen oder einfach ihre Anteilseigner zufriedenzustellen. An der Stelle kommen Investoren ins Spiel, die vor allem Gewinn erwirtschaftet sehen wollen. Im Februar 2020, also zu Beginn der Pandemie, schloss Stanley Gibbons eine Übereinkunft ab mit dem Londoner Lebensversicherungsunternehmen The Phoenix Group. Phoenix hält seitdem die Mehrheit mit 58,09 Prozent Anteilen an Stanley Gibbons und hätte offenbar seinerseits Verbindlichkeiten bei dem insolventen Unternehmen anmelden können. Wie die Londoner Börse in einer Meldung erklärte, gibt es allerdings eine schriftliche Vereinbarung (Letter of Intent), in der Phoenix weiterhin Unterstützung zugesagt hat. Der Lebensversicherer wartet ab und legt Stanley Gibbons keine Steine in den Weg.

Schadensbegrenzung ist die Devise

Mallett hingegen soll schnellstmöglich seine Aktivposten veräußern, was durch das geregelte Insolvenzverfahren ermöglicht wird. Der CEO von Stanley Gibbons, Graham Shircore, erläuterte die Entscheidung so: „Wir haben immer gehofft, mit allen Parteien, die mit der New Yorker Niederlassung in Verbindung stehen, eine Einigung zu finden. Leider war dies aufgrund einer der Parteien nicht möglich. Um die anderen Vermögenswerte der Gruppe zu schützen und künftige Verbindlichkeiten möglichst gering zu halten, haben wir uns entschieden, ein Insolvenzverfahren nach Chapter 11 für Mallett Inc einzuleiten. Phoenix hat deutlich gemacht, dass es unsere Unternehmensgruppe weiter unterstützen will und wir hoffen, dass das Chapter-11-Verfahren in den USA so schnell wie möglich abgeschlossen wird und auf eine Weise, die für die Gläubiger – unter denen sich auch andere Unternehmen unserer Gruppe befinden – möglichst zufriedenstellend ist.“

So kann der fehlende Umsatz eines Modegeschäfts in New York Auswirkungen auf den Münzhandel nehmen. Diesmal scheint eine solche Folge abgewendet zu sein. Doch die Verbindlichkeiten innerhalb von großen Firmengruppen werden immer schwerer zu durchschauen.

 

2013 berichteten wir über die Pläne von Stanley Gibbons, Baldwin’s zu übernehmen und über den folgenden Aufkauf von Noble Investments (inklusive Baldwin’s).

Die Antiques Trade Gazette berichtete über das Insolvenzverfahren bei Mallett.

Die Londoner Börse veröffentlichte dazu eine Pressemeldung.

Im Internet findet sich auch die genaue Vereinbarung zwischen Phoenix und Stanley Gibbons.

Das Thema Investoren im Münzgeschäft wurde im letzten Jahr noch einmal befeuert, als die beiden großen unabhängigen Münzzertifizierer von Investoren übernommen wurden, zuerst PCGS, danach NGC.