Die angesehene unabhängige US-Forschungsorganisation RAND zeigt in einer umfangreichen Studie, dass verbreitete Ansichten über den illegalen Handel mit Altertümern weitgehend falsch sind.
Illegaler Handel mit Altertümern ist viel kleiner als gedacht
RAND zufolge führte das Fehlen belastbarer Indizien zu wilden Spekulationen über den illegalen Handel und wie diesem zu begegnen sei. Dabei sei der illegale Handel mit Altertümern im Gegensatz zu den bisherigen Vorstellungen viel weniger umfangreich als gedacht. Er nutzt eher Schwachstellen aus, als dass er organisiert vorgeht, seine Akteure sind weit zerstreut.
„Die von uns zusammengetragenen Daten legen nahe, dass der Markt für alle Altertümer, sowohl legal als auch illegal, sich höchstens auf mehrere hundert Millionen Dollar pro Jahr beläuft und nicht, wie zuweilen geschätzt, auf Milliarden von Dollar … Wir denken, dass Forscher, die argumentieren, dass der Markt größer sei als wir hier annehmen, deutlicher darlegen müssen, auf welchen Wegen diese Güter verkauft werden.“
Sind die Medien schuld?
Der am 12. Mai vorgelegte Bericht „Tracking and Disrupting the Illicit Antiquities Trade with Open-Source Data“ wirft Bloggern, Journalisten und Juristen vor, das Problem aufgebauscht zu haben, um Schlagzeilen zu erzeugen, Finanzierungen einzutreiben und einen Wechsel in der Politik und den rechtlichen Rahmenbedingungen zu erzeugen. Die (falsche) Behauptung, dass der illegale Handel mit Altertümern mit Waffen- und Drogengeschäften in Verbindung stehe, lässt sich weitgehend auf eine Person zurückführen: einen der profiliertesten Kreuzritter gegen den illegalen Handel, den New Yorker Assistant District Attorney Matthew Bogdanos.
Diesbezüglich widersprechen die Ergebnisse des Berichts deutlich den Äußerungen von Catherine de Bolle, der Exekutivdirektorin von Europol, zu der jüngsten Operation Athena II.
Der ehemaligen Stabschefin der Antiquities Coalition, Katie Paul (ATHAR Project), wirft der Bericht vor, Daten und Screenshots über einen „RAND-Login bei einem externen Datenanbieter ohne Rücksprache oder Erlaubnis“ veröffentlicht zu haben, was mindestens „ethisch fragwürdig“ sei.
Die Fakten zum illegalen Antikenhandel
Mithilfe des RAND Homeland Security Operational Analysis Center kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass der illegale Handel mit Antiken eher spontan und nicht organisiert geschieht und ein weitaus geringeres Problem darstellt als bislang angenommen. Die Abnehmer kommen aus der ganzen Welt, nicht nur aus den Ländern des Westens – und er spielt sich kaum im Darknet ab.
Verschiedene Hinweise, wie auch die niedrigen Verkaufsquoten von legal gehandelten Altertümern in Auktionen und Galerien, legen nahe, dass „Auktionen nur sehr begrenzt dazu geeignet sind, illegal zu verkaufen. Auktionen mit Altertümern sind nur ein kleiner Markt, der trotz stark beworbener Termine nicht immer Käufer findet. Das widerspricht dem in den Medien kursierenden Bild eines boomenden Markts mit gesteigerter Nachfrage, der einen milliardenschweren Schwarzmarkt trägt.“
Aktuelle Gegenmaßnahmen sind ineffektiv
Die bisherigen Versuche, den illegalen Handel zu verhindern, sind fehlgerichtet, ineffektiv, teuer und unrealistisch, teilweise weil sie von falschen Voraussetzungen ausgehen.
Transnationale Operationen wie Athena und Pandora bewertet der Bericht so: „Teure Güter und zentrale Akteure in Netzwerken können durch Polizei und Zollbehörden erfolgreich identifiziert und die Schuldigen strafrechtlich verfolgt werden. Solche Operationen sind allerdings zeitintensiv, teuer und oft verbunden mit grenzüberschreitender Koordinierung, die nicht leicht zu bewerkstelligen ist. Hingegen könnte man den illegalen Markt auf einer breiteren Basis und billiger angreifen, wenn man das Vertrauen der Kriminellen in die Technik, die sie verwenden, untergräbt.“ Aufgrund der vielzähligen voneinander abweichenden Gesetzesgrundlagen empfiehlt RAND, klar begrenzte Problembereiche auszuwählen.
„… wenn der Markt aber aus eher spontan handelnden Opportunisten besteht, dann gibt es nur wenige Zentralknoten, die man angreifen könnte, um den ganzen Markt auszuheben. Kosten- und ressourcenintensive Ermittlungen könnten sich ohnehin als ineffizient erweisen bei einem Markt, der aus Händlern besteht, die nur in kleinem Maßstab operieren. In diesen Fällen wären breiter angelegte Störmanöver besser geeignet, die verdeutlichen, wie riskant dieses Geschäft ist und wie groß die Schäden sind, die beim Plündern von Fundorten entstehen. So ließen sich einzelne Akteure gezielter beeinflussen.“
Was sollen wir tun?
Der Bericht empfiehlt zum Beispiel Desinformationskampagnen: „Durch das gezielte Ausstreuen von Nachrichten online – zum Beispiel in Facebook-Gruppen, die von Kriminellen in ihrer Lieferkette genutzt werden – könnte man destabilisierende Informationen in die Schwarzhandelsnetze einschleusen.“
Der IADAA-Vorsitzende Vincent Geerling sagte dazu: „Dies ist ein niederschmetternder Bericht einer der angesehensten unabhängigen Forschungsorganisationen in den USA, die seit 75 Jahren den Bundesbehörden Handlungsempfehlungen gibt. Einerseits freue ich mich über die Ergebnisse, die auf solider Recherche, Auswertung und Belegen beruhen und das stützen, was wir seit Jahren sagen. Gleichzeitig ist es aber auch schockierend zu sehen, wie über so viele Jahre ein Rummel entstand und Ungenauigkeiten ungeprüft übernommen wurden, so viel Zeit und Geld in einen falschen Ansatz investiert wurden; einen Ansatz, der die Schwachen nicht schützte, sondern legale Marktinteressen schädigte.“
Hier lesen Sie den Bericht (auf Englisch).
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Der Artikel wurde zuerst im Newsletter der International Association of Dealers in Ancient Art (IADAA) veröffentlicht. Hier können Sie den kostenlosen IADAA-Newsletter abonnieren.
IADAA berichtet regelmäßig über falsche Informationen zum illegalen Handel mit Kulturgütern und antiker Kunst und setzt sich gegen fehlgeleitete politische Ansätze ein. Zum Beispiel finden Sie bei uns IADAA-Artikel zum WHO-Zollbericht von 2019 und der neuen EU-Einfuhrverordnung zu Kulturgütern.