1871-1909: Zeit der Fälschungen – Teil 2: Gefälschte Reichskassenscheine zu 50 Mark

50-Mark-Reichskassenschein von 1874 als Probedruck. Foto: Münzkabinett, Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz / Münzkabinett Berlin / CC BY-NC-SA
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Nachdem wir uns im ersten Teil der Serie mit Reichsmünzen beschäftigt haben, wollen wir uns nun näher mit den drei ersten Sorten der Reichskassenscheine mit dem Aufdruck 11. Juli 1874 befassen. Diese Scheine sind heute äußerst selten und erzielen Liebhaberpreise. Ein Leckerbissen für Geldscheinsammler also. Aber passen Sie auf: Auch diese Scheine wurden im großen Stil gefälscht! Auf welche Merkmale sollten Sie besonders achten? Welche Details sind verdächtig? Anhand der hier veröffentlichten Erkenntnisse wird der interessierte Sammler in der Lage sein, derartige „Blüten“ leichter zu erkennen. Auch 146 Jahre nach Ausgabe der ersten Reichskassenscheine – davon ich bin überzeugt – verstecken sich noch viele unentdeckte Fälschungen in zahlreichen Sammlungen.

Ein bisschen Geschichte

Im Jahre 1874 wurden die Reichskassenscheine ausgegeben, nicht von einer Bank, sondern von der Reichsschuldenverwaltung. Mit diesen Scheinen konnten die bisher umlaufenden regionalstaatlichen Banknoten ersetzt werden. Ihre Emission wurde im Gesetz betreffend die Ausgabe von Reichskassenscheinen vom 30. April 1874 genau geregelt. Auch deren Stückelung zu 5, 20 und 50 Mark wurde dort festgelegt. Damit war endlich die Durchsetzung einer einheitlichen Reichswährung – der „Mark“ – geglückt.

Etwas später, im Jahre 1875, folgten die Banknotenausgaben der Reichsbank. Interessant ist die Tatsache, dass sowohl Reichskassenscheine als auch die verausgabten Reichsbanknoten vorerst nicht als gesetzliche Zahlungsmittel galten. Es gab allerdings die Verpflichtung, solche Geldscheine in den Geschäftsstellen der Reichsbank und den noch existierenden Länder- und Privatnotenbanken uneingeschränkt in Zahlung zu nehmen. Die Reichsbanknoten selbst wurden erst ab 1. Januar 1910 zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt.

Die ersten drei Reichskassenscheine von 1874 wurden sofort gefälscht

Die Geldscheinfälscher, so sollte man meinen, müssen schon lange in den Startlöchern gestanden haben. Anscheinend hatten sie nur auf die Ausgabe der Scheine gewartet, um sofort mit der schmutzigen Arbeit zu beginnen. Alle drei Scheine wurden von den Fälschern täuschend gut kopiert, denn sie fielen im Umlauf zunächst gar nicht auf. Erst zu Beginn des Jahres 1878 tauchten in Berlin einige Fälschungen zu 50 Mark auf und wurden angehalten. Obwohl das verwendete Papier nicht ganz der Farbgebung eines echten Scheines entsprach und auch das gesamte Geldscheinformat etwas kleiner ausfiel, wurden sie erst sehr spät entdeckt.

Gefälschte Reichskassenscheine zu 50 Mark

In der Nummer 1/1878 vom „Illustrirten Anzeiger für Contor und Bureau“ von Adolf Henze wurde ausführlich vom Auftauchen der falschen Reichskassenscheine zu 50 Mark berichtet. Weitere Meldungen sollten folgen. Zunächst waren es anscheinend nur wenige Scheine – trotzdem wurden sie wegen ihrer guten Qualität als Gefahr eingestuft. Ein besonderes Augenmerk wurde auf die Schrift der Strafandrohung gerichtet, weil darin gleich mehrere fehlerhafte Buchstaben zu finden waren. Ein weiteres Merkmal war der Schriftzug „FÜNFZIG MARK“ unter der mittig platzierten guillochierten Rosette im Unterdruck. Der reliefartige Großbuchstabe „Z“ befand sich direkt vor dem Namen „Hering“ und trat bei echten Scheinen deutlich hervor. Auf Fälschungen dagegen war er kaum wahrnehmbar und das reliefartige Aussehen fehlte. Die vier Adler an den Ecken des Geldscheins trugen zudem auf den Fälschungen ein eher spitzes und viel zu kleines Herzschild. In der Nummer 3/1879 war folgender Artikel zu lesen:

„Falsche Reichskassenscheine zu 50 M sind in Berlin in größerer Zahl in Umlauf. Ueber die hauptsächlichsten Merkmale wird Folgendes berichtet: Das Papier der echten Scheine hat eine grünlichere Farbe, das Format der echten Scheine ist um ein geringes kleiner; das Panzerhemd der rechtsseitigen Figur reicht bei den echten Scheinen bis zum Halse, während dasselbe bei den unechten Scheinen nur bis zur Mitte des betreffenden Flügels geht; die Linien der Schraffierung des rechten Fusses der rechtsseitigen Figur sind bei den Falsificaten weiter von einander als bei den echten Scheinen, auch fehlen an demselben die die Zahlen markirenden Striche; die Diamantschrift im untern Rande: Wer Kassenscheine etc., ist auf den echten Scheinen klar und deutlich zu lesen, auf den falschen ist die Schrift verzogen und das Wort ‚Strafe‘ fast unleserlich. Das Wasserzeichen ‚50‘, welches sich in dem rechten und linken lithographirten Rande der echten Scheine deutlich lesbar befindet, erscheint in den falschen Scheinen verwischt und unleserlich; das auf dem Revers des Scheines befindliche abgekürzte Wort ‚Ausgef.‘ Ist auf den falschen Scheinen fast unleserlich; die Buchstaben ‚s‘ und ‚g‘ sind kaum zu erkennen.“

Warnung über gefälschte Reichskassenscheine in einer damaligen Zeitung. Foto: Angela Graff.

Bekanntmachung der Reichsschuldenverwaltung

Am 2. April 1879 sah sich dann auch die Reichsschuldenverwaltung zu folgendem Aufruf gezwungen:

„Die Reichsschulden-Verwaltung macht bekannt: In neuer Zeit sind falsche Reichskassenscheine, und zwar in Stücken zu fünfzig, zwanzig und fünf Mark, zum Vorschein gekommen und angehalten worden. Wir sichern demjenigen, welcher einen Verfertiger oder wissentlichen Verbreiter solcher Falschstücke zuerst ermittelt und der Polizei- oder Gerichtsbehörde dergestalt nachweist, dass der Verbrecher zur Untersuchung und Strafe gezogen werden kann, eine nach Umständen zu bemessende Belohnung bis auf Höhe von 5000 Mark zu. Berlin, den 2. April 1879, Reichsschuldenverwaltung. Löwe. Hering. Rötger.“

Andere Zeitungen aus dieser Zeit berichten, dass die gefälschten 50-Mark-Scheine von geschickten Händen stammen müssen, weil vermehrt Kaufleute damit betrogen wurden. Obwohl sich gerade die Kaufleute mit Geld sehr gut auskannten, wurden Fälschungen oft erst an den öffentlichen Kassen erkannt und dort angehalten. Die Qualität der „Blüten“ sei recht ordentlich gewesen, war immer wieder zu lesen. Dem Publikum wurde daher geraten, sich die Nummern der entgegengenommenen Scheine nebst dem Namen der damit bezahlenden Person zu notieren. Auf diese Weise, so glaubte man, würden die Fälscher alsbald in den Händen der Behörden und das Publikum vor Schaden gesichert sein. Fünfzig Mark waren damals eben eine große Menge Geld.

Eine neue Fälschung. Foto: Angela Graff.

Weitere Merkmale der gefälschten Scheine

Im Jahre 1880 wurden mehrere 50-Mark-Scheine in verschiedenen Orten der Schweiz angehalten und die deutschen Behörden darüber informiert. Die Scheine hatten sich offenbar selbst verraten, da sie alle die gleiche Nummer trugen. Auf allen Scheinen war „Ser. I., Fol. 4, Lit. 13 Nr. 016886“ zu lesen. Zudem waren einige Buchstaben der Unterschriften verwischt. Eine weitere Fälschung wurde im Jahre 1882 entdeckt. Auch hier wurde eine falsche Nummer entdeckt: „Ser. VII, Fol. 32, Lit. G Nr. 146271“. Zu erkennen waren diese Fälschungen außerdem am dickeren, raueren Papier. Bleibt noch die siebenstellige Kontrollnummer der Serie VIII, die es sogar als Fälschung bis in den heutigen Rosenberg-Katalog geschafft hat. Auch der Aufdruck „C Nr. 0019668“ ist eine Fälschung.

Dass gefälschte Reichskassenscheine zu 50 Mark in einem Landgericht (Elberfeld, Wuppertal) ihr Unwesen getrieben haben sollen, hört sich ziemlich unglaublich an – geschehen ist es trotzdem, und zwar im Jahre 1883. Es handelte sich dabei gleich um 190 Exemplare! Die königliche Staatsanwaltschaft in Elberfeld publizierte folgende Bekanntmachung:

„Im hiesigen Landgerichts-Bezirke sind neuerdings falsche Reichskassenscheine zu 50 M zum Vorschein gekommen. Die Falschstücke sind sämmtlich den 1874 ausgefertigten Reichskassenscheinen zu 50 M nachgemacht und mit der Serie VIII. Fol. 37 Lit. D bezeichnet. Die Reichsschulden-Verwaltung hat mich ermächtigt, zu veröffentlichen, dass sie Demjenigen, welcher einen Verfertiger oder wissentlichen Verbreiter der in den letzten beiden Jahren zum Vorschein gekommenen Falschstücke der 1874 ausgefertigten Reichskassenscheine zuerst ermittelt und der Polizei- oder Gerichtsbehörde dergestalt nachweist, dass der Verbrecher zu Untersuchung u. Strafe gezogen werden kann, eine nach den Umständen zu bemessende Belohnung bis auf Höhe von 5000 M. zusichert. Staatsanwalt Elberfeld, den 22.2.1883.“

Aufgefallen waren die Fälschungen wegen den beiden fehlenden Punkten links und rechts neben der Strafandrohung auf der Vorderseite. Alle Scheine hatten eine eher hellgrüne Farbe, außerdem fehlte das Wasserzeichen.

Eine neue Ausgabe

Die Postkassen waren bereits im Jahre 1884 angewiesen worden, sämtliche Sorten der eingehenden Reichskassenscheine mit dem Datum 11. Juli 1874 nicht wieder in den Verkehr zu bringen. Sie mussten alle zum Austausch nach Berlin geschickt werden. Bis Ende Juni 1885 konnten alle Reichskassenscheine bei den Reichskassen und der Kasse eines Bundesstaates in Zahlung gegeben oder bei der Reichshauptkasse gegen bares Geld eingelöst werden. Ab dem 1. Juli 1885 war nur noch die Königl. Preussische Controle der Staatspapiere in Berlin ermächtigt, derartige Scheine anzunehmen und einzulösen. An die Stelle der bisherigen Scheine waren nun die bereits mit Textilfasern versehenen Scheine vom 10. Januar 1882 getreten. Die Fasern sollten den Fälschern ihr Handwerk erschweren, allerdings war dies kaum der Fall. Bereits im Februar 1885 mussten im „Illustrirten Anzeiger für Contor und Bureau“ aufgetauchte Fälschungen vom neuen Reichskassenschein zu 50 Mark in Wort und Bild bekannt gemacht werden.

 

Im nächsten Teil der Serie „Zeit der Fälschungen“, geht es um die Fälschungen der Reichskassenscheine zu 20 Mark.

Hier lesen Sie den ersten Teil der Serie, der sich mit gefälschten Reichsmünzen beschäftigt.

Unser Autor numiscontrol gibt Sammelbegeisterten regelmäßig Tipps und Hilfestellungen rund um das Thema Münzen. In diesem Artikel erfahren Sie alles, was Sie über Münzpflege wissen sollten und hier finden Sie eine Zusammenstellung der wichtigsten Grundlagen für Sammler.

Auch zu bestimmten Sammelgebieten hat numiscontrol einiges zu sagen, wie beispielsweise zur Wertentwicklung der Euromünzen des Vatikans, unentdeckten Schätzen bei Umlaufmünzen oder dem DDR-Münzgeld.

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