Die Top Ten der Künker Sommer-Auktionen
Vom 24. bis zum 27. Juni 2019 fanden im Hause Künker die drei Sommer-Auktionen 322 bis 324 statt. Die Schätzung hatte 5,1 Mio. Euro betragen. Die 1.600 Bieter, die sich persönlich, telefonisch, per Internet oder schriftlich an der Auktion beteiligten, ließen das Ergebnis auf 7,5 Mio. Euro emporschnellen. Es gab viele bemerkenswerte Zuschläge. Wir beschränken uns auf die Top Ten.
Und damit all die, deren Budget für keine dieser Münzen gereicht hätte, nicht zu kurz kommen, stellen wir dazu ein genauso interessantes Stück vor, das sich jeder Schüler von seinem Taschengeld hätte leisten können.
Zweimal Platz 9:
Zwei Münzen aus der Sammlung Phoibos, beide Teil der Spezialsammlung „Raritäten aus Polen“ eroberten mit einem Zuschlag von 70.000 Euro den neunten Platz. Insgesamt schafften es vier Stücke dieser hochklassigen Sammlung unter die Top Ten. Grund dafür war nicht nur ihre exquisite Erhaltung, sondern auch die Seltenheit. So ist der Dukat von Sigismund I., unter dem die polnische Adelsrepublik ihr „Goldenes Zeitalter“ erlebte, allenfalls sehr schön zu nennen. Nichtsdestotrotz brachte diese äußerst seltene Münze das gleiche Ergebnis wie ein perfekt erhaltenes, äußerst attraktives 5 Dukaten-Stück ohne Jahr aus Danzig, das auf der Vorderseite die Stadtansicht, auf der Rückseite das Porträt Johanns III. Sobieskis zeigt.
Platz 8:
Ganz genau geschätzt hatten die Spezialisten im Hause Künker, als sie die Taxe einer Großgoldmünze des britischen Königs George IV. aus dem Jahr 1826 festlegten. Das im Polierte-Platte-Verfahren geprägte 5 Pounds-Stück, das nur in 150 Stücken ausgeprägt und von NGC mit PF63 bewertet wurde, realisierte exakt seine Schätzung von 75.000 Euro.
Platz 7:
Eine Überraschung dagegen war es, dass der doppelte Reichstaler des Mecklenburgischen Herrschers Christian I. Ludwig, geprägt 1677 in Dömitz, von 30.000,- Euro auf 80.000 Euro kletterte. Es handelt sich um eine der großen Raritäten der Mecklenburgischen Numismatik. Und darüber hinaus hat das Stück einen interessanten historischen Hintergrund:
Der mit einer prachtvollen Barockperücke dargestellte Monarch zeigt mit der Haartracht seine Verehrung für Ludwig XIV., in dessen Land er viele Jahre fern von Mecklenburg lebte. Am Kaiserhof hatte er weder die Primogenitur für seine Nachkommen noch die eigene Scheidung durchsetzen können. Ludwig XIV. ermöglichte ihm zumindest letzteres sowie eine neue Ehe, nachdem Christian I. Ludwig zum katholischen Glauben übergetreten war.
Der doppelte Reichstaler wurde geprägt, während sein Auftraggeber in Paris weilte. Vielleicht ermöglichte die fehlende Aufsicht, dass dafür ein Münzmeister engagiert wurde, der im Hamburger Schuldgefängnis gesessen hatte. 1679 verhaftete man Werner Eberhardt wegen Münzmanipulationen auch in Dömitz. Er starb 1680 im Gefängnis.
Zweimal Platz 5:
Mehreres verbindet die beiden Münzen, die sich mit einem Zuschlag von 85.000,- Euro den fünften Platz teilen. Es handelt sich um 10 Dukaten-Stücke in der Erhaltung fast vorzüglich, die mit 50.000,- Euro Schätzung in die Auktion gingen. Zeitlich allerdings trennt sie ziemlich genau ein Jahrhundert, geographisch rund 720 Kilometer Luftlinie.
Sehen wir sie uns genauer an, denn hier kann man beispielhaft die stilistischen Unterschiede zwischen Frühbarock und Rokoko beobachten: Tritt uns Wladislaw IV. mit schwerem Naturhaar gegenüber, brilliert Karl Albert, übrigens einer von zwei Kaisern, die das Haus Wittelsbach hervorbrachte, durch eine im Original weiß gepuderte Perücke mit langem, gelocktem Haar. Noch deutlicher sieht man den Unterschied beim Wappen. Das einfach strukturierte Wappen des Frühbarocks wird im Rokoko durch ein aufwändig mit Rocaille verziertes Wappen ersetzt, das inmitten all seines Zierrats fast zur Nebensache wird.
Platz 4:
Und noch eine polnische Rarität schaffte es in die Top Ten. Es handelt sich um einen Dukat von Sigismund Augustus aus dem Jahr 1549, der mit 92.500,- Euro zugeschlagen wurde. Wobei, eigentlich handelt es sich nicht um ein polnisches, sondern um ein litauisches Stück. Sigismund August ließ es in Vilnius als Großfürst von Litauen prägen.
Die Personalunion zwischen dem Königreich Polen und dem Großfürstentum Litauen reicht bis ins Jahr 1385 zurück. Damals heiratete der litauische Großfürst Jogaila, die polnische Königin Hedwig, die 1997 heilig gesprochen wurde. 1569 wandelte der Sejm diese Personalunion in eine Realunion, die nicht nur eine einheitliche Gesetzgebung, sondern auch eine einheitliche Währung haben sollte. Unser Dukat gehört also zu den letzten Prägungen, die im Namen des Großfürstentums Litauen produziert wurden.
Platz 3:
Schweres Großgold ist immer für einen Rekord gut, und so gehören alle drei Münzen auf dem numismatischen Siegestreppchen in diese Kategorie. Auf Platz drei schaffte es ein Goldabschlag zu 12 Zecchini aus Venedig, der unter dem Dogen Alvise IV. Mocenigo hergestellt wurde. Bei 100.000,- Euro fiel der Hammer.
Dass diese Großmünze so unglaublich selten ist, hängt damit zusammen, dass es in der Serenissima unter Alvise IV. Mocenigo an den Mitteln fehlte, um solche Prachtmünzen zu prägen. Die Wirtschaft stagnierte. Viele Adlige nagten am Hungertuch. Giacomo Casanova beschreibt in seinen Memoiren, wie bitter arm so manche Familie geworden war, deren Name im Goldenen Buch der Stadt verzeichnet stand. Zwar ging die Regierung neue Wege – man arbeitete an einer Steuerreform, suchte neue Handelskontakte mit dem Maghreb, Russland, ja sogar mit den gerade entstehenden Vereinigten Staaten –, aber die Finanzlage war derart schlecht, dass Alvise IV. den wertvollen Ring, den der Doge jedes Jahr anlässlich der sposalizio del mare ins Meer werfen sollte, für sich behielt und wohl verkaufte.
Platz 2:
Der zweite Platz der Top Ten der Künker Sommer-Auktionen geht an ein 10 Dukaten-Stück von Kaiser Matthias, das 1619 in Wien geprägt wurde. Damit stammt es aus dem entscheidenden Jahr des 30jährigen Krieges, in dem der Winterkönig Friedrich V. von der Pfalz sich zum König von Böhmen wählen ließ, ein Amt, das gewöhnlich die Habsburger bekleideten. In dieser Situation warb Kaiser Matthias um militärische und politische Unterstützung und leistete hohe Subsidien an seine Verbündeten.
Fast noch schöner als diese Geschichte ist die einzigartige Provenienz der Münze. Sie befand sich seit dem Jahr 1814 nachweislich – vielleicht auch schon früher – im Besitz einer Familie, die seit dem 15. Jahrhundert als Fischhändler am Starnberger See tätig war. Es ist ein hübsches Gedankenspiel, sich vorzustellen, dass diese Fischer schon zum Zeitpunkt der Prägung der Münze den Fisch für den bayerischen Hof lieferten. Und der hatte 1619 eine enge finanzielle Beziehung nach Wien: 1619 schlossen Matthias und Maximilian I. von Bayern den Vertrag von München. Darin verpflichtete sich der Kaiser, Bayern die nötigen Finanzmittel für die Aufstellung eines Heeres von 18.000 Mann zu Fuß und 2.600 Reitern zur Verfügung zu stellen. Es liegt also durchaus im Bereich des Möglichen, dass die Wiener Münze über den Münchner Hof als Bezahlung in die Hände der Fischer gekommen ist.
E se non è vero, è ben trovato.
Platz 1:
And the winner is: Eine junge Frau, die schon im Jahr ihrer Thronbesteigung die ganze Welt in Atem hielt: Queen Victoria als Una and the Lion. Das beeindruckende 5 Pound-Stück, das zu den schönsten Münzen der britischen Münzprägung zählt, brachte 190.000 Euro.
Die Geschichte dieser Münze ist oft erzählt worden. Ihre Darstellung bezieht sich auf ein Gedicht, das zur Zeit von Königin Elizabeth I. entstand. Der Dichter Edmund Spenser (1552-1599) schuf mit seiner „Faerie Queene“ ein poetisches Abbild der jungfräulichen Königin. Ihr halfen in ihrem Kampf so ziemlich alle Tugenden, die man auch im 19. Jahrhundert noch gerne an einer Frau sah: Keuschheit, Mäßigung, Freundlichkeit, Gerechtigkeit gemildert von Großherzigkeit, um nur einige zu nennen. Sie traten als Personifikationen auf wie Una, Inkarnation der Wahrheit und der gläubigen Kirche. So eine Una bezähmt das englische Königreich natürlich mit leichter Hand. Genauso wie man es am liebsten bei Victoria gesehen hätte. Sie leitet auf dieser Münze als Una-Victoria mit Szepter und Reichsapfel das englische Wappentier, den Löwen, als wäre er ein Lämmchen.
Dass es in der Realität ganz anders aussah, verschweigt die Münze. Victoria hatte zu Anfang ihrer Regierung ein paar dumme Schnitzer gemacht, so dass sie mehr oder minder zur Heirat gezwungen wurde, weil man sich von einem Ehemann erhoffte, dass er ihr stürmisches Talent zähmen werde. Das tat Albert von Sachsen-Coburg und Gotha tatsächlich. Und dass Victoria heute einen so guten Ruf genießt, verdankt sie ihm. Denn schon wenige Jahre nach seinem Tod ließ sie sich in einen neuen Skandal verwickeln: Das ganze Land spottete über „Mrs. Brown“, weil Victoria einen Narren an ihrem Reitknecht John Brown gefressen hatte. (Und da wusste noch niemand, dass Victoria sich von ihm bevorzugt durch den Palast tragen ließ.)
„Una and the Lion“ ist nicht nur eine wunderschöne Münze, zu deren Besitz man dem neuen Eigentümer gratulieren darf. Sie ist darüber hinaus ein Zeugnis dafür, dass gute Propaganda jede Form der Realität in den Schatten stellt.
Außer Konkurrenz:
Sind Sie traurig, dass Sie sich kein Stück aus den Top Ten leisten konnten? Brauchen Sie nicht zu sein. Interessante Münzen gibt es bereits für ein Taschengeld. Um den Beweis dafür anzutreten, zeigen wir Ihnen einen Soldino des venezianischen Dogen Giovanni Dolfin, der für 50 Euro + Aufgeld zu haben gewesen wäre.
1348 brachten Schiffe, die vom Schwarzen Meer kamen, die Pest erst nach Genua, dann nach Venedig. Der Schwarze Tod wurde zu einem apokalyptischen Ereignis für alle, die ihn erlebten. Und trotzdem mussten die damaligen Politiker mit seinen Folgen umgehen. Eine der Folgen war es, dass die Kosten für Lebensmittel stiegen, da es nicht mehr genug Bauern gab, die diese anbauten konnten. Eine andere Folge war es, dass Facharbeiter auf einmal gesucht wurden. Und diese beiden Umstände zwangen die Stadtväter von Venedig, ihren Münzknechten höhere Löhne zu zahlen. Doch irgendwie mussten natürlich diese höheren Kosten wieder kompensiert werden – vor allem weil auch die anderen Beamten kräftige Lohnerhöhungen erhalten hatten. Zu diesem Zweck wurde im März 1353 eine Münzsorte wiederbelebt, die wegen ihres hohen Silbergehalts bei den venezianischen Händlern recht beliebt gewesen war: der Soldino. Aus gutem Silber bestand auch der Soldino neuen Typs, allerdings war er wesentlich kleiner und leichter. So brachte der neue Soldino gerechnet auf das Rechnungs-Pfund 1,2 % eine Ersparnis an Silber mit sich. Und da die venezianische Zecca Silber im Wert von vielen Rechnungs-Pfund vermünzte, hieß das eine beträchtliche Ersparnis für den venezianischen Staatshaushalt.
Genau so ein Soldino neuen Typs des Giovanni Dolfin (1356-1361) wurde in den Künker Sommer Auktionen für 50 Euro verkauft. Er zeigt auf der Vorderseite den knienden Dogen mit dem Banner, auf der Rückseite den stehenden Löwen als Repräsentant des heiligen Markus ebenfalls mit dem Banner. Diese Münze steht für die Fähigkeit, mittelalterlicher Städte, mit dem Unglaublichen fertigzuwerden und weiterzumachen. Und das, obwohl die Pest und die Wirtschaftskrise in den folgenden Jahren zurückkamen. Auch der Doge Giovanni Dolfin musste privat und als Amtsperson mit Geldmangel und Krankheit kämpfen: Er verlor seine Gemahlin und seinen ältesten Sohn an den Schwarzen Tod, ehe er 1361 selbst starb.
Sie sehen, es hängt nicht vom Preis ab, ob eine Münze interessant ist. Auch wenn natürlich die spektakulären Prägungen der Top Ten in einem Artikel mehr hermachen.
Alle Ergebnisse finden Sie auf der Website von Künker.
Übrigens lesen Sie mehr über das venezianische Dogengeschlecht der Mocenigo in diesem Artikel.
Die Künker Herbst-Auktionen finden vom 7. bis zum 11. Oktober 2019 statt. Die Kataloge dazu können bestellt werden bei Künker, Nobbenburgerstr. 4a, 49 076 Osnabrück; Tel: 0541 / 96 20 20; Fax: 0541 / 96 20 222; oder über E-Mail. Unter dieser Telefonnummer können Sie auch einen Termin vereinbaren, wenn Sie an einer Einlieferung interessiert sind.