Die Grün-Auktion macht eine neue Auflage des Jaeger fällig
Wer die Preise von amerikanischen und deutschen Münzen kennt, weiß, dass die deutschen Prägungen des 19. und 20. Jahrhunderts im Verhältnis immer noch krass unterschätzt werden. Das liegt daran, dass der Markt für deutsche Münzen ein traditionell von Sammlern beherrschter Markt ist. Sammler verfügen vielleicht ein großzügiges, aber immer über ein begrenztes Budget. Ein klares Indiz für den Sammlermarkt ist die Tatsache, dass der wichtigste Preiskatalog für diese Münzen, der „Jaeger“, grundsätzlich auf Angaben für Raritäten in Spitzenerhaltungen verzichtet und stattdessen lapidar mit LP (= Liebhaberpreis) bewertet.
Der amerikanische Markt dagegen wird, vor allem wenn es um das Top-Segment geht, von Anlegern beherrscht. Die sechs- und siebenstelligen Gebote, die notwendig sind, um eine Rarität in bester Qualität zu erwerben, können sich nur wenige Sammler leisten. Trotzdem sind die wichtigsten Preiskataloge völlig anders strukturiert als in Europa. Sie teilen „Prägefrisch“ in bis zu fünf Untergruppen auf und geben skrupulös für jede eine eigene Bewertung.
Doch in den vergangenen Jahren haben die Märkte begonnen, sich immer mehr gegenseitig zu beeinflussen. Dies war auch während der letzten beiden Auktionen der Heidelberger Münzhandlung vom 10. bis zum 12. Mai 2021 deutlich zu merken. Wegen Corona wurden sie nämlich ausschließlich – zum zweiten Mal in der Geschichte der Heidelberger Münzhandlung überhaupt – als online Event durchgeführt. Direktes Bieten vom heimatlichen Computer wurde so möglich. Deshalb hat sich der internationale Markt wesentlich stärker beteiligt als je zuvor.
Das Resultat sind Preise, wie man sie bisher für Münzen des deutschen Kaiserreichs nicht kannte. Tendenz steigend, denn im Verhältnis zu ihrer Seltenheit ist bei vielen Münztypen noch Luft nach oben.
Kaiserliches Umlaufgeld
Ein typisches Beispiel ist ein einfaches 1 Mark Stück, das mit 25.500 Euro zugeschlagen wurde. Zum Hintergrund: Dieser Typ wurde mit einer Auflage von lediglich 156.444 Exemplaren 1879 in Berlin geprägt. Die 25.500 Euro dürften der höchste Preis sein, den ein deutsches 1 Mark-Stück des Kaiserreichs erzielte.
Wer nun geschockt den Atem anhält, der sei daran erinnert, dass vergleichbar gut erhaltene Morgan Dollars – so z. B. 1893 O für New Orleans mit einer knapp doppelt so hohen Auflage von 300.000 Stück – bereits vor Corona mit 200.000 bis 300.000 $ gehandelt wurden. So versteht man, warum ein weitsichtiger Sammler-Investor sich ein in dieser Qualität einzigartiges Stück trotz des hohen Preises sichern wollte.
Vergleichen wir diesen Preis mit dem, den ein 1 Mark-Stück der Münzstätte Berlin aus dem Jahr 1877 realisierte. 6.000 Euro kostete die in immerhin 697.362 Exemplaren existierende Münze. Das ist umso bemerkenswerter, als der bisherige Rekord für diesen Jahrgang bei 5.750 Euro lag, übrigens nicht für die häufige Variante, die jetzt bei Grün versteigert wurde, sondern für die wesentlich seltenere aus Hannover, von der nur 48.164 Stück existieren. Dies illustriert wie drastisch Corona und die weltweite Nachfrage die Preise für Münzen des deutschen Kaiserreichs steigen lässt.
Das teuerste 20 Pfennig-Stück
Eigentlich keine Überraschung war der Preis, den einer von 50 Erstabschlägen aus der Münzstätte Muldenhütten erzielte. Das Los wechselte mit 10.250 Euro den Besitzer und ist damit wohl das teuerste 20 Pfennig-Stück des deutschen Reichs. Noch 2.018 wurde ein ähnliches Stück in gleicher Erhaltung mit 8.000 Euro zugeschlagen. Trotzdem auch hier sollte man eine Minute innehalten, um zu überlegen, was eine vergleichbar seltene Münze gebracht hätte, hätten chinesische und US-amerikanische Investoren mitgeboten.
Investitionen für den kleinen Geldbeutel
Aber keine Sorge: Gerade das deutsche Kaiserreich bietet immer noch attraktive Münzen für attraktive Preise. Gerade wenn sich ein Sammler für die bis heute völlig unterschätzten Kleinmünzen begeistern kann. So war bei Grün ein 1 Pfennig 1877A in Stempelglanz (Auflage 472.380) für 460 Euro zu haben (Jaeger: LP), ein 2 Pfennig 1875B in Polierter Platte (Auflage 15.843.800) für 1.000 Euro, ein 5 Pfennig 1874 F in Polierter Platte (Auflage 3.561.996) brachte „nur“ 400 Euro (Jaeger: 130 Euro).
Diese drei spektakulär erhaltenen Stücke sollte sich jeder engagierte Durchschnittssammler noch leisten können, auch wenn der Zuschlagspreis – wie im Fall des 2 Pfennig-Stücks – mehr als dem Zwölffachen des Jaeger-Listenpreises entspricht.
2 Mark-Stücke
Ganz anders sieht das aus, sobald das Porträt eines Fürsten auf einer Münze des deutschen Kaiserreichs zu sehen ist. Kommen wir also zu den 2 Mark-Stücken mit den vielen darin enthaltenen Raritäten.
Zu ihnen gehört das badische 2 Mark-Stück von 1883 aus Karlsruhe, das Herbert Grün in Stempelglanz anbieten konnte. Es hat eine Auflage von 45.493 Stück. Sein Ergebnis lag bei beeindruckenden 23.500 Euro, und doch ist diese Münze damit bei weitem nicht das teuerste, in den Umlauf gekommene 2 Mark-Stück des deutschen Kaiserreichs.
Den neuen Rekord stellte eine Münze auf, die von der Heidelberger Münzhandlung in Auktion 81 angeboten wurde. Die Auflage des hessischen 2 Mark-Stücks von 1876 ist mit 202.108 Exemplaren sogar wesentlich höher wie die des vorhergehenden Lots, aber hier konnte Grün ein Exemplar in Polierter Platte anbieten. Es brachte 43.500 Euro, mehr als das Dreifache des Listenpreises im Jaeger, und mit großem Abstand der höchste Preis, der im Coin Archive für ein 2 Mark-Stück zu finden ist.
Geradezu ein Schnäppchen war dagegen das 2 Mark-Stück 1911 von Sachsen-Coburg-Gotha. Mit einer Auflage von lediglich 100 Stücken gehört es zu den wirklich großen Raritäten des deutschen Kaiserreichs. Doch das Foto zeigte deutlich, dass die seltene Münze von vielen kleinen Kratzer beschädigt war, was den im Vergleich zu den beiden vorherigen Stücken wesentlich tieferen Preis nach sich zog.
3 Mark Hamburg in Polierter Platte: Eigentlich nichts Besonderes?
343.900 Stück wurden von den Hamburger 3 Mark 1913 geprägt. Münzen in Polierter Platte sind – wie der Jaeger weiß – relativ häufig darunter. Deshalb bewertet sie der Jaeger mit nur 220 bis 250 Euro. Doch das war einmal. Bereits die Schätzung bei Grün lautete 400 Euro, und viele hätten die Münze nur zu gerne für diesen Preis gekauft. Der Zuschlag erfolgte nämlich erst bei 1.950 Euro. Dies dürfte ein Anzeichen dafür sein, dass sich das Preisgefüge tatsächlich völlig verändert hat.
Bayernhochzeit und andere 5 Mark-Stücke
39.500 Euro für eine „Bayernhochzeit“ in Stempelglanz. Dies kam nicht unerwartet. Anders als die 16.500 Euro für Hessen 5 Mark 1891 (Taxe: 7.500 Euro) und die 16.750 Euro für Sachsen 5 Mark 1889. Der wesentliche Unterschied? Die Bayernhochzeit war in Stempelglanz mit kleinen Kratzern, die beiden anderen Stücke in perfekter Polierter Platte.
Der teuerste Eichbaum
Gleich eine ganze Serie von 37 Losen mit der 5 Reichsmark Kursmünze „Eichbaum“ offerierte Auktion Heidelberger Münzhandlung 82. Die Erhaltungen rangierten von fast vorzüglich bis Polierte Platte. Während man sogar Stempelglanz-Exemplare immer noch für Preise von bis zu 500 Euro kaufen kann, brachten die Beispiele in Polierter Platte ein Vielfaches. Dabei schlägt Erhaltung die Seltenheit.
Im sehr begehrten Jahrgang 1930 zum Beispiel, von dem Grün alle sechs Prägebuchstaben anbieten konnte, gibt es zwei besonders seltene Emissionen: aus Muldenhütten mit E und aus Karlsruhe mit G. Das Karlsruher Stück in fast Stempelglanz wurde mit 3.100 Euro zugeschlagen, das Muldenhüttener Stück in Polierter Platte mit 7.200 Euro. Zum Vergleich: Die Variante aus Hamburg – J – ist fast doppelt so häufig wie die beiden vorherigen Varianten. Trotzdem brachte das Stück in Polierter Platte mit 6.500 Euro mehr als das Doppelte des seltenen Karlsruher Stücks und nur ein bisschen weniger als das ebenso seltene Stück aus Muldenhütten. Wie gesagt: Erhaltung schlägt Seltenheit.
Mehr als das Doppelte brachte übrigens der seltenste Jahrgang von allen: 1933. Das Stück in Polierter Platte wurde mit 17.750 Euro zugeschlagen und ist damit gemäß Coin Archive die teuerste je verkaufte Umlaufmünze 5 Reichsmark „Eichbaum“.
Dies sind nur einige der vielen bemerkenswerten Preise, die in den Auktionen 81 und 82 der Heidelberger Münzhandlung erzielt wurden. Wir empfehlen Ihnen, sie sich im Detail anzusehen, wenn Sie sich für Münzen des Deutschen Kaiserreichs interessieren. Einliefern kann sich derzeit lohnen – vor allem wenn Sie bei Ihrer Sammlung auf Qualität geachtet haben.
Und für all diejenigen, die leer ausgegangen sind: Die Heidelberger Münzhandlung bereitet derzeit schon ihre Herbst-Auktion vor, die im November 2021 stattfinden wird. Bereits jetzt liegt eine sehr umfangreiche Sammlung von Münzen aus aller Welt vor. Sie wurde von einem engagierten, aber mit durchaus begrenzten Mitteln ausgestatteten Sammler in den vergangenen 40 Jahre zusammengetragen. Die Durchschnittsschätzungen werden zwischen 500 und 1.000 Euro liegen – viel Chancen also, die eigene Münzsammlung um eine begehrte Rarität zu erweitern.
Wenn auch Sie bei der Heidelberger Münzhandlung einliefern möchten, können Sie sich über folgende Adresse mit Herbert Grün in Verbindung setzen: Heidelberger Münzhandlung Herbert Grün, Gaisbergstr. 40, 69115 Heidelberg; Tel: +49 / 6221 / 65 2970; Fax: +49 / 6221 / 65 297-29; E-Mail.
Auf Sixbid sehen Sie alle Ergebnisse der Auktion 81 und Auktion 82.