Der Bodensee gehört zu den schönsten Regionen Deutschlands. Das wissen nicht nur die Einheimischen. Touristen aus aller Welt kommen, um die Bibliothek der Fürstabtei St. Gallen oder das malerische Stein am Rhein zu besichtigen. Sie alle übersehen die Tatsache, dass diese Region seit dem Hochmittelalter ein wirtschaftlicher Hotspot war, und nur die reichen Einkünfte aus Handel und Industrie der wunderschönen Region ihre bedeutenden Baudenkmäler beschert haben.
Denn der Bodensee war ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Auf Flüssen und Seen ließen sich nämlich Waren bis ins 19. Jahrhundert viel einfacher verfrachten als auf den jämmerlichen Landstraßen, die damals Europa durchquerten. Und nicht nur das: Hier boomte die Textilindustrie, während der gesamten frühen Neuzeit die wichtigste Industrie überhaupt. Denn das meiste konnte die Landbevölkerung – und mehr als 95 % aller Menschen lebten bis in die späte Neuzeit auf dem Land – mit ihrer eigenen Arbeit produzieren. Die Übergewänder nicht. Da war gekaufte Ware günstiger, und deshalb gab es kaum eine Ware, die weitere Wege zurücklegte, als Tuchballen. Wer gut und mit einem angemessenen Preis produzierte, wurde reich. Und das konnte man am Bodensee. Dort entwickelte sich das Verlagssystem, bei dem städtische Händler auf dem Land billig produzieren ließen, um so die Vorschriften der Zünfte innerhalb der Stadtmauern zu umgehen.
Mit anderen Worten: Die Bodenseeregion war eines der wichtigsten Wirtschaftsgebiete des Römischen Reichs Deutscher Nation und hatte deshalb schon sehr früh ein hoch differenziertes Geldwesen entwickelt. Weil nun der Bodensee bekanntlich zwischen drei Nationen geteilt ist, sieht man nur selten all diese Münzprägungen in einem Buch versammelt. Und damit bietet der neue Katalog „Die Münzen vom Bodensee“ die Möglichkeit, alle Münzen einer gesamten Wirtschaftsregion auf einmal zu haben und so ein Verständnis für die monetäre Bedeutung der Gegend zu entwickeln.
Verantwortlich dafür zeichnen die Sammler Hans und Marcel Rutishauser, deren Sammlung der Grundstock zu diesem prachtvollen Buch ist. Sie haben den Rutishauser Kunst- und Kulturfonds ins Leben gerufen, unter dessen Ägide auch ihre Münzsammlung aufbewahrt wird, womit sie der Forschung und der Allgemeinheit zur Verfügung steht. Ihnen war es ein Anliegen, Ihre Leidenschaft für die Numismatik mit anderen zu teilen und ihnen die Fülle von Informationen zur Verfügung zu stellen, die es braucht, um die Münzen und Medaillen der Bodenseeregion auch schätzen zu können.
Als Autor haben sie einen der renommiertesten Historiker-Numismatiker für die Bodensee-Region gewonnen: Harald Derschka schrieb die Einführung, in der er die 1000 Jahre Geldgeschichte der Bodenseeregion Revue passieren lässt. Katharina Körber zeichnet für den Katalog verantwortlich. Heinz Reinhart übernahm die Gesamtkoordination.
Mit diesem Buch ist es aufs Beste gelungen, ein Werk für den Sammler mit einem Bestimmungsbuch zu vereinbaren, das sich zum Standardwerk für die Münzen des Bodensees entwickeln wird. Wer an der Geschichte interessiert ist, darf sich auf umfangreiche und spannende Einleitungen zu den einzelnen Städten sowie historische Kommentare zu interessanten Stücken freuen. Wer schnell einen Katalog produzieren muss, ist entzückt über die klare Gliederung, die ausführliche Beschreibung, die reichen Zitate, die alle anderen Bücher überflüssig machen. Und der Sammler wird die Preisangaben für die Erhaltungen „sehr schön“ und „vorzüglich“ zu schätzen wissen. Ausgezeichnete Fotos, und wo diese nicht aussagekräftig sind, hervorragende Umzeichnungen illustrieren den Typenkatalog, der folgende Münzstätten komplett katalogisiert:
Appenzell Innerrhoden / Buchhorn (Friedrichshafen) / Diessenhofen / Feldkirch / Fischingen / Konstanz / Lindau / Markdorf / Montfort / Pfullendorf / Ravensburg / Radolfzell / Reichenau / Schaffhausen / Stein am Rhein / St. Gallen / Toggenburg / Überlingen / Wangen / Wasserburg / Weingarten
Machen wir noch dem Zürcher Chronos-Verlag ein großes Kompliment: Layout und Aussehen des Buchs sind durchdacht und prachtvoll ausgeführt, so dass die 98 Euro für das Werk mehr als angemessen sind.
Mit anderen Worten, „Die Münzen vom Bodensee“ ist ein Buch, das jede Bibliothek schmücken wird.
Sie können das Buch überall im Buchhandel erwerben.
