Leu Numismatik

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Die Rhakotis-Sammlung: Münzen aus Alexandria

In der Leu Webauktion 16 gelangen vom 22. bis 24. Mai 2021 nicht weniger als 5.150 Losnummern aus 2600 Jahren Geschichte zur Versteigerung. Angeboten werden unter anderem die Sammlung Birger Bentsen mit antiken Goldmünzen, weitere Münzen aus der Sammlung Dr. P. Vogl, die Sammlung J. Knudsen, Hamburg sowie eine Sammlung kleinasiatischer Tesserae.

Einen besonderen Höhepunkt bildet die in den 1960ern und 1970ern zusammengetragene Rhakotis-Sammlung ptolemäischer und römischer Münzen aus Alexandria. „Rhakotis“ bedeutet in altägyptischer Sprache „Baustelle“, eine passende, wenngleich etwas prosaische indigene Bezeichnung für die griechische Neugründung Alexandria. Alexander hatte die strategisch günstige Lage einer zwischen dem Mittelmeer und dem Mareotis-See gelegenen Stadt weitsichtig erkannt, doch selbst der große Makedone konnte nicht ahnen, welchen Wohlstand seine wichtigste Stadtgründung in den kommenden Jahrhunderten erlangen sollte. Ihre Bedeutung – zuerst unter ptolemäischer, ab 30 v. Chr. dann unter römischer Herrschaft – zeigt sich nicht zuletzt in der reichhaltigen Münzprägung der Stadt.

Los 1854: Ptolemaios V. (205-180 v. Chr.). Hemiobol (?), ca. 204-202 v. Chr., Alexandria. Aus der Rhakotis-Sammlung, zusammengetragen in den 1960ern und 1970ern. Startpreis: 200 CHF.

Die Rhakotis-Sammlung alexandrinischer Münzen ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. In der ptolemäischen Serie fallen insbesondere die unzähligen Varianten auf Bronzemünzen auf. Hier sind vom kleinen Dichalkon bis hin zum eindrücklichen Oktobol eine Vielzahl von Nominalen mit verschiedensten Symbolen vertreten. Die Tetradrachmen hingegen zeichnen sich durch die große Anzahl datierter Exemplare aus, welche zum Teil in Tyros, Gaza und Joppe geprägt wurden, insbesondere aber natürlich in Alexandria. Dem Sammler war es offensichtlich ein Anliegen, so viele verschiedene Herrschaftsjahre wie möglich zusammenzutragen.

Die römischen Münzen erstaunen in ihrer unglaublich großen Vielfalt an Motiven, von denen viele einen Bezug zur ägyptischen Kultur aufweisen. Anders als unter den Ptolemäern, die über die drei Jahrhunderte ihrer Herrschaft hinweg größtenteils an ihrem Standardtypus „Königsporträt mit Adler“ festhielten, nimmt die Typenvielfalt unter den Römern explosionsartig zu. Da die alexandrinischen Münzen ausschließlich für den geschlossenen Währungsraum Ägypten hergestellt wurden, nehmen die Rückseiten oftmals Bezug auf die ägyptische Kultur und Religion. Neben der Breite an Motiven dürften auch die zahlreichen Raritäten für Spezialsammler von Interesse sein: viele Typen waren bisher nur in wenigen Exemplaren belegt, andere der wissenschaftlichen Literatur gar völlig unbekannt.

Die Reihe der julisch-claudischen Münzen in der Rhakotis-Sammlung beginnt mit einigen unter Augustus geprägten Stücken, welche noch ganz in der numismatischen Tradition Kleopatras stehen. Es ist vielleicht genau die Erinnerung an machtvolle Königinnen, die die Prägestätte dazu veranlasste, umgehend auch Münzen im Namen Livias zu prägen (Los 1936). Auch sonst fällt auf, dass die Kaiserinnen Roms in den alexandrinischen Serien auffallend prominent vertreten sind. Unter Tiberius wurde – nach einem Unterbruch seit der ptolemäischen Zeit – die Produktion von Tetradrachmen wieder aufgenommen, wobei Losnummer 1937 besonders eindrücklich die dynastische Anbindung von Tiberius an Augustus darstellt. Die Münzen Neros aus der Rhakotis-Sammlung zeichnen sich hingegen durch viele seltene Jahrgänge aus.

Der Suizid Neros im Jahr 68 stürzte das römische Reich in einen kurzen, aber blutigen Bürgerkrieg. Die vier Kaiser des sogenannten Vierkaiserjahres 68/9 sind alle in der Rhakotis-Sammlung vertreten, wobei die Münzen von Vitellius die seltensten sind (Lose 2039-2040). Unter den siegreichen Flaviern fällt insbesondere der dynastische Aspekt der Herrschaftslegitimation auf: die Tatsache, dass Vespasian als einziger der Thronprätendenten über erwachsene Söhne verfügte und die Nachfolge somit gesichert war, trug entscheidend zur Sicherung seiner anfänglich noch wackligen Herrschaft bei. Auffallend ist, dass in Alexandria nur Titus mit seinem Vater dargestellt wird. Dies geht zweifellos auf die bedeutende Rolle zurück, die ihm im jüdischen Krieg von 66-73/4 n. Chr. zukam, denn so war Titus im Osten des Reiches wohlbekannt. Zusätzlich sei hier jedoch auch noch auf die eindrückliche Drachme vom Domitian mit Zentauren-Biga verwiesen, welche für diesen Jahrgang besonders selten ist (Lot 2066).

In der Zeit der Adoptivkaiser beginnt die goldene Ära der alexandrinischen Münzprägung. Ab dem Herrschaftsantritt Kaiser Trajans im Jahr 98 n. Chr. findet sich eine riesige Vielfalt und Büstenvarianten, Legenden und Rückseitentypen. Insbesondere die großen Bronzedrachmen boten den Stempelschneidern viel Raum zur künstlerischen Entfaltung, was sich in immer komplexer werdenden Rückseiten-Darstellungen äußert. Eindrückliche Beispiele hierfür liefern die Drachmen von Antoninus Pius mit Isis Euploia inmitten von Schiffen und anderen Göttern (Lose 2381-2382) oder der sehr seltene Typ, der auf die Mysterien von Eleusis verweist und Demeter und Tyche auf einer Galeere zeigt (Lot 2393). Auch architektonische Darstellungen erscheinen in dieser Epoche zahlreich. Die Darstellung des Leuchtturms Pharos, eines der sieben Weltwunder der antiken Welt, erfreute sich besonderer Beliebtheit (Lose 2178, 2197-2199, 2278-2279, 2331-2337, 2363, 2409-2410), aber auch Triumphbögen (Los 2127) und Pylone ägyptischer Tempel (Los 2238) wurden auf Münzen abgebildet. Die Losnummern 2181-2182 verweisen sogar auf die Errichtung eines Gebäudes durch Hadrian in der Nähe des berühmten Serapeions.

Los 2318: Alexandria. Antoninus Pius (138-161 n. Chr.) Drachme, Jahr 10 = 146/7. Herakles säubert den Augias-Stall. Aus der Rhakotis-Sammlung, zusammengetragen in den 1960ern und 1970ern. Startpreis: 500 CHF.
Los 2302: Alexandria. Antoninus Pius (138-161 n. Chr.). Drachme, Jahr 8 = 144/5. Zodiak-Serie: Mars in Aries. Aus der Rhakotis-Sammlung, zusammengetragen in den 1960ern und 1970ern. Startpreis: 200 CHF.

Das Herzstück einer jeden Alexandria-Sammlung bilden jedoch einerseits die unter Antoninus Pius geprägten Münzen mit den Taten des Herakles, andererseits die aus der gleichen Zeit stammenden Darstellungen aus dem Zodiak, dem Tierkreis. In der Rhakotis-Sammlung finden sich zwei überaus seltene Abbildungen aus dem Dodekathlos: einmal das Einfangen des Erymanthischen Ebers (Los 2288) und zum anderen das Ausmisten der Rinderställe des Augias (Los 2318). Aus der Zodiak-Serie hingegen, die vermutlich anlässlich der Hochzeit von Marcus Aurelius und Faustina Junior geprägt worden ist, sind gleich sechs Stücke vertreten (Lose 2300-2305).

Einen weiteren Höhepunkt der antoninischen Münzprägung stellen die Nome-Münzen dar, welche die verschiedenen Nomoi (Verwaltungsbezirke) Ägyptens ehren und aufgrund ihrer Typenvielfalt einen faszinierenden Einblick in lokale Kultformen gewähren. So zeigen Obole für den Nomos Arsinoites auf der Rückseite den Pharao Amenemhat III. (circa 1831-1786 v. Chr.), die älteste historische Figur, die in der Antike auf Münzen abgebildet worden ist (Lose 2136-2137). Auf Prägungen für den Nomos Apollonopolite, der für seinen den mächtigen Horus-Tempel in Edfu bekannt ist, finden wir Apollo als Horus mit einem Falken (Los 2311). Besonders hervorzuheben ist zudem die wunderbare Drachme aus dem Nomos Sebennyte (Los 2308), welche den Kriegsgott Ares-Anhur zeigt.

Obwohl die Reichskrise des 3. Jahrhunderts auch an Ägypten nicht spurlos vorüberging, so überraschen die alexandrinischen Münzen dieser Zeit oft mit erstaunlich gelungenen Porträts, die jenen der imperialen Prägestätten in nichts nachstehen und zuweilen gar übertreffen. Dies zeigt sich besonders gut in der Münzprägung des Gallienus, so beispielsweise bei den Losnummern 2498 und 2502. Zu guter Letzt sind auch die letzten eigenständigen alexandrinischen Münzen, nämlich jene aus der Zeit Diocletians, in der Rhakotis-Sammlung prominent vertreten. Den Abschluss dieser Gruppe bildet eine ausgezeichnet erhaltene Tetradrachme des mysteriösen Usurpators Domitius Domitianus (Los 2638).

Los 3715: Konstantin der Große (307/10-337 n. Chr.). Solidus, 313-315, Trier. Konstantin feiert seinen Sieg über die Germanen. Startpreis: 3.000 CHF.

Im Anschluss an die Münzen gelangt zudem eine außergewöhnlich breite Auswahl an ägyptischen Bleitesserae zur Versteigerung (Lose 2639-2717). Sinn und Zweck dieser spannenden Prägungen sind wenig erforscht, doch dienten sie vermutlich sowohl als lokales Kleingeld wie auch als Festtoken. Die vielfältigen Darstellungen auf den Tesserae sind oft der Münzprägung Alexandrias entnommen, was sich beispielsweise an der Losnummer 2717 zeigt, eine Tessera, die die Darstellung des Paris-Urteil von einer Drachme von Antoninus Pius übernimmt. Andere Exemplare wie die Losnummer 2683 mit einem Bauern bei der Ernte weisen eine völlig eigenständige Symbolik auf. Eine in sich geschlossene Gruppe bilden zudem jene Tesserae, die Antinoos zeigen, den Liebhaber Hadrians, der 130 n. Chr. im Nil ertrank. Er wird oft mit Hermes oder Osiris synkretisiert (z.B. Lose 2654 und 2664). Aus der mittelägyptischen Stadt Oxyrhynchos, berühmt für ihre bedeutenden Papyrus-Funde, stammt eine weitere Gruppe von Tesserae (Lose 2676-2680). Sie zeigen Taweret, die Beschützerin Oxyrhynchos, als Athena und bezeugen so die Vermischung von griechischer Numismatik und altägyptischer Religion.

An dieser Stelle weisen wir Sie darauf hin, dass wir die Rhakotis-Sammlung nicht wie sonst üblich nach Herrschern sortiert haben, sondern nach Prägejahren. Eine solche Ordnung verhindert das Auseinanderreißen von zusammengehörigen Serien und erlaubt dem modernen Betrachter einen besseren Überblick über die oft jährlich wechselnden Bildprogramme.

Aufgrund der großen Anzahl Lose ist die Webauktion 16 in drei Teile gegliedert:

  • Teil I mit der Sammlung Birger Bentsen mit antiken Goldmünzen, keltische, griechische, orientalische und zentralasiatische Münzen (Lose 1-1781) schließt am Samstag, dem 22. Mai 2021, ab 10 Uhr MESZ.
  • Teil II mit der Rhakotis-Sammlung von Münzen aus Alexandria, römische Provinzialmünzen und einer Sammlung von Bleitesserae aus Kleinasien (Lose 1782-3292) am Sonntag, dem 23. Mai 2021 ab 10 Uhr MESZ.
  • Teil III mit Münzen der römischen Republik, römischen Kaiserzeit, Byzanz, mittelalterlichen, islamischen und modernen Münzen sowie Gewichten, Siegeln und Gruppenlosen (Lose 3293-5150) am Montag, dem 24. Mai 2021, ab 10 Uhr MESZ.

 

Alle Lose der Auktion finden Sie auf der Website von Leu Numismatik sowie auf Biddr und Sixbid.