Die Salton Collection: Künkers Auktion der Superlative
Manchmal ist die Geschichte einer Münze nach ihrer Prägung noch spannender als ihre Entstehungsgeschichte. Das gilt für den achtfachen Rosenoble aus Kampen, der am 22. März 2022 als die teuerste jemals auf deutschem Boden versteigerte Goldmünze mit 700.000 Euro zugeschlagen wurde. Felix Schlessinger kaufte sie 1938 für 900 Gulden. Er lieferte sie noch im gleichen Jahr in eine englische Auktion ein, wo sie mit einem Ausrufpreis von 280 Pfund nicht verkauft wurde. Sie ging an den Einlieferer zurück und lag noch im Februar 1941 im Lager von Felix Schlessinger, als die von den Nationalsozialisten neu eingesetzte Regierung der Niederlande den Befehl zur Beschlagnahmung aller Goldmünzen in jüdischem Besitz erteilte. Der achtfache Rosenoble aus Kampen war eine von insgesamt 635 numismatisch bedeutenden Goldmünzen, die Felix Schlessinger der niederländischen Zentralbank übergab. Felix Schlessinger und seine Frau starben in den Gaskammern von Auschwitz. Ihrem Sohn Max Schlessinger gelang auf abenteuerlichen Wegen die Flucht. Er fand in den Vereinigten Staaten eine neue Heimat. Dort nannte er sich Mark Salton und eröffnete wieder eine Münzhandlung. In Zusammenarbeit mit Jacques und Hans Schulman gelang es ihm, genau diese Münze zurückzubekommen. Er bot sie in den 1950er Jahren über seine New Yorker Münzhandlung erneut zum Verkauf an. Doch auf Grund von uns heute nicht mehr nachvollziehbaren Umständen kam dieser Verkauf nie zustande. So war der Rosenoble Teil seines Lagers, als er den Münzhandel aufgab und sein ehemaliges Lager in die eigene Sammlung inkorporierte.
2022 wurde eben dieser achtfache Rosenoble erstmals nach mehr als einem halben Jahrhundert wieder zum Verkauf angeboten. Die Experten von Künker hatten seinen Preis mit 250.000 Euro geschätzt. Nach einem lebhaften Bietergefecht wurde die Münze mit 700.000 Euro zugeschlagen. Dieser Betrag kommt wie alle anderen Erträge aus der Auktion drei Organisationen zugute, die an den Holocaust erinnern und gegen Antisemitismus kämpfen. So wollten es die New Yorker Lottie und Mark Salton, die früher Lottie Aronstein und Max Schlessinger hießen, in Deutschland lebten, und denen die Nationalsozialisten die Heimat und ihre Liebsten raubten.
Dass es sich um eine Auktion der Superlative handelte, zeigt schon die Tatsache, dass die insgesamt 700 Lose, die mit 2,6 Mio. Euro geschätzt waren, auf einen Gesamtzuschlag von 7,7 Mio. Euro kletterten. Das ergibt einen Durchschnittszuschlag von 11.000 Euro pro Los!
Damit dürfte die Künker Auktion 362 den höchsten jemals in einer einzelnen deutschen Münzauktion erzielten Gesamtzuschlag gebracht haben.
Der Grund dafür ist in mehreren Faktoren zu suchen. Erstens erlebt der Münzenmarkt seit einigen Jahren einen Boom, der sich durch das Geschehen der vergangenen zwei Jahre und der letzten Monate noch einmal gesteigert hat. Münzsammler im In- und Ausland bezahlen zweitens besonders für große Goldmünzen in perfekter Erhaltung gewaltige Preise, und genau dieses Material enthielt der Teil der Salton Collection, der am 22. März 2022 bei Künker versteigert wurde. Zum günstigen Zeitpunkt und dem passenden Material kam drittens die Geschichte der Münzen, die viele Sammler veranlasste, sich wenigstens ein Stück der Sammlung sichern zu wollen. Denken wir viertens noch daran, dass jedes einzelne Stück eine Provenienz besitzt, die vor die Verabschiedung der UNESCO-Konvention von 1970 zurückreicht, dann wird klar, warum die Ergebnisse so unglaublich hoch waren.
Wir präsentieren Ihnen in diesem Nachbericht vier Stücke mit prozentual beeindruckenden Steigerung sowie anschließend die Top Ten.
Von 3.000 auf 38.000 Euro: Münzen der französischen Republik
70 Stufen hat die Sheldon Skala, darunter allein zehn Stufen reserviert für die Erhaltung „prägefrisch“ und Münzen mit Polierter Platte. Die Bewertung einer historischen Münze des 19. Jahrhunderts mit PF66 oder PF68 sowie die Beschreibung der Mattierung mit CAMEO oder gar ULTRA CAMEO ist enorm ungewöhnlich. Deshalb kletterten zwei französische, eigentlich gar nicht so seltene 20 Franc Stücke aus dem Jahr 1849 von ihrer Schätzung mit 3.000 Euro auf 38.000 Euro und brachten damit mehr als das Zwölffache ihrer Schätzung.
Von 5.000 auf 50.000 Euro: Fünf Heilige auf einer Münze
Mit MS62 bewertete NGC eine Salzburger Münze, die anlässlich des großen Festes geprägt wurde, das der Salzburger Erzbischof zum 1.100jährigen Bestehen des Stifts Salzburgs feiern ließ. Die fünf Heiligen, deren Schreine im Rahmen der Prozession mitgeführt wurden, sind in allen Details und mit allen Attributen wiedergegeben. Einem Münzsammler war dieses barocke Wimmelbild ein Gebot von 50.000 Euro wert, das Zehnfache der Schätzung von 5.000 Euro.
Das Herzoghaus von Savoyen nimmt unter Münzsammlern eine Zwischenstellung ein. Während sein Herrschaftsgebiet größtenteils auf französischem Boden lag, sammeln bevorzugt italienische Sammler die Münzen, weil die Könige des vereinten Italien aus Savoyen stammten. Diese begeisterten Sammler erkennen eine seltene Variante sofort und sind bereit, dafür einen hohen Aufpreis zu zahlen, in diesem Falle mehr als das Fünfzehnfache der Schätzung. Das Stück stieg von der Schätzung mit 3.000 Euro auf einen Zuschlag von 46.000 Euro.
Die Salton Collection Top Ten aus Auktion Künker 362
Bei gleichem Ergebnis kommt das Stück mit der höheren Steigerung im Vergleich zu Schätzung auf den höheren Rang.
Kunden in aller Welt lieben Stadtansichten, vor allem wenn sie auf perfekten Goldmünzen wie dieser zu sehen sind: Die Steinerne Brücke von Regensburg ist heute noch eine der Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt. Das von NGC mit MS61+ bewertete Stück kletterte von der Schätzung mit 50.000 Euro auf fast das Dreifache mit 140.000 Euro.
Eine sehr seltene niederländische Münze aus dem 17. Jahrhundert in Proof-Qualität, das ist etwas, was man nicht alle Tage findet. Deshalb brachte der Goldabschlag zu einem Silberdukaten der Provinz Holland aus dem Jahr 1687 statt seiner Schätzung von 30.000 Euro beeindruckende 140.000 Euro, fast das Fünffache der Schätzung.
Nürnberg feierte die 50-Jahrfeier des Westfälischen Friedens 1698 mit einer umfangreichen Emission von Großgoldmünzen, die immer mal wieder in unterschiedlicher Qualität und von unterschiedlichem Gewicht in Auktionen zu finden sind. Sie haben sich wegen ihrer prachtvollen Stadtansicht in den vergangenen Jahren zu einem Liebling der Sammler entwickelt. So lag der Zuschlag auch für das Exemplar der Salton Collection weit über der Schätzung. Statt bei 30.000 Euro endete das Bietergefecht für das Los, das NGC mit MS64 PL bewertete, erst bei 160.000 Euro, mehr als dem Fünffachen.
Münzen der Habsburger, die in der Prager Münzstätte geprägt wurden, gehören heute zu den begehrtesten Sammelobjekten; so lässt sich die beeindruckende Steigerung erklären, die ein fünffacher Dukat von Kaiser Ferdinand III. aus dem Jahr 1651 erlebte. Er realisierte 170.000 Euro, fast das Siebenfache seiner Schätzung von 25.000 Euro.
Ebenfalls aus Prag stammt eine Dreikaiserprägung, die auf der Vorderseite nicht den Prägeherrn zeigt, sondern Maximilian I., Karl V. und Ferdinand I., die bedeutendsten Habsburger Herrscher. Da der Auftraggeber nicht genannt wird, ist die Entstehung umstritten. Traditionell wird diese Münze Rudolf II. zugeschrieben, doch numismatische Forschungen haben gezeigt, dass sie durch eine Stempelkopplung mit Münzen seines Nachfolgers Matthias verbunden ist. Das höchst seltene, von NGC mit MS62 bewertete Stück erzielte 180.000 Euro bei einer Schätzung von 50.000 Euro.
Und noch eine Großgoldmünze aus Prag. Ferdinand III. ließ diesen prachtvollen zehnfachen Dukaten im Jahr 1644 herstellen. Das mit 30.000 Euro geschätzt Stück kletterte ebenfalls auf 180.000 Euro.
Zwar immer noch eine Großgoldmünze der Habsburger, dafür aber eine andere Prägestätte, nämlich St. Veit, wo zwischen dem 13. und dem 18. Jahrhundert Münzen produziert wurden, erst für die Grafen von Görz-Tirol, dann für die Habsburger. Das bei Künker angebotene Stück zeigt das Porträt von Ferdinand III. mit dem damals modischen Mühlsteinkragen. Es ist in der sehr seltenen Version zu neun Dukaten ausgeprägt und wechselte mit 190.000 Euro den Besitzer. Die Schätzung hatte 50.000 Euro betragen.
Die drittteuerste Münze der Auktion 362 stammt ebenfalls von einem Habsburger, wurde im tirolerischen Hall geprägt, bezieht sich aber auf ein deutsches Amt, das der Erzherzog Maximilian III. von Österreich, genannt der Deutschmeister, in den Jahren zwischen 1590 und 1618 bekleidete: Maximilian war Hoch- und Deutschmeister des Deutschen Ordens. Im Jahr 1614 ließ er eine eindrucksvolle Schaumünze als Deutschmeister prägen, die NGC mit MS61 beschrieb. Sie brachte 210.000 Euro, mehr als das Vierfache ihrer Schätzung von 50.000 Euro.
Die zweitteuerste Münze der Auktion gab ebenfalls ein Habsburger heraus, und zwar Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, dessen Sammlungen in Teilen heute noch auf Schloss Ambras zu besichtigen sind. Seine umfassende Münzsammlung wurde leider in alle vier Winde zerstreut. Sie inspirierte ihn wohl zum Prototypen der Dreikaiserprägung, die auch von anderen Habsburgern imitiert werden sollte. Künker konnte eine extrem frühe Variante anbieten, die bereits mit 150.000 Euro geschätzt war und mit 220.000 Euro zugeschlagen wurde.
Und damit sind wir wieder beim achtfachen Rosenoble, der derzeit teuersten Goldmünze, die jemals auf deutschem Boden zugeschlagen wurde. Das äußerst seltene Stück im Gewicht von 60,95 g stellt eine absolute Rarität der frühen Neuzeit dar. Es zeigt die englische Königin Elizabeth I. auf ihrem Thron, schließlich waren die Niederlande und England durch gemeinsame Handelsinteressen eng verbunden. Auch vereinte die Religion die beiden Nationen: Spanien schickte 1588 seine Armada, um den wichtigsten Verbündeten der Niederländer im 80jährigen Krieg auszuschalten. Der Rosenoble steht für diese große Vergangenheit. Und er steht, wie eingangs berichtet, für das Schicksal, das jüdische Münzhändler während des Dritten Reichs ereilte. 700.000 Euro sind ein beeindruckender Preis dafür.
Das Geld, das durch den Verkauf der Salton-Sammlung erzielt wurde, kommt folgenden jüdischen Organisationen zu Gute:
- der Anti Defamation League, einer amerikanischen Organisation, die gegen die Diskriminierung und Diffamierung von Juden eintritt
- der American Society for Yad Vashem, die die Mission der in Israel gelegenen Gedenkstätte Yad Vashem unterstützt, nämlich das Gedenken an den Holocaust zukünftigen Generationen zu überliefern, indem sie sein Geschehen dokumentiert, wissenschaftlich aufarbeitet und das Wissen darüber an die Nachkommen weitergibt
- und dem Leo Baeck Institut, das Geschichte und Kultur insbesondere des deutschsprachigen Judentums dokumentiert
Das Haus Künker empfindet es als eine große Ehre, dass Lottie und Mark Salton testamentarisch verfügt haben, dass ihre bedeutende numismatische Sammlung durch das amerikanische Auktionshaus Stack’s Bowers Galleries und Künker gemeinsam in den USA und Deutschland versteigert wird.
Anlässlich der Auktion ist eine Broschüre entstanden, die sich dem Schicksal von Lottie und Mark Salton widmet und mehr über ihre Familien erzählt. Sie arbeitet ein Stück der Geschichte des deutschen Münzhandels auf, da Max Salton der letzte Nachkomme der Münzhändlerdynastie Hamburger-Schlessinger war. Die Broschüre können Sie kostenlos herunterladen.
Alle Ergebnisse der Auktion finden Sie auch online.
Für weitere Informationen über das Auktionshaus, besuchen Sie die Künker Website.