Großrazzia und Verhaftungen im Dresdner Juwelenraub

Über 1.600 Einsatzkräfte aus verschiedenen Bundesländern, darunter Sondereinsatzkommandos und GSG-9, drei Festnahmen, Fahndungen, zahlreiche sichergestellte Objekte: Berlin erlebte am 17. November 2020 eine Riesenrazzia. Im Fokus der Ermittler standen Angehörige des Remmo-Clans, die im Verdacht stehen, 2019 die Juwelen Augusts des Starken aus Dresdens Historischem Grünen Gewölbe geraubt zu haben. Symbolbild. Foto: Stephan Wusowski / Pixabay.
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Schon vor Wochen hatte es einen ersten Fahndungserfolg im Fall des Dresdner Juwelenraubes gegeben. Aber mit einem so spektakulären Schlag der Polizei hatte niemand gerechnet. Am 17. November 2020 waren in ganz Berlin über 1.600 Polizisten im Einsatz, darunter Sondereinsatzkommandos aus verschiedenen Bundesländern und Angehörige der Spezialeinheit der Bundespolizei GSG-9. Mit Maschinenpistolen und Helmen durchsuchten die Polizisten 18 Objekte, darunter zehn Wohnungen, Garagen und Fahrzeuge. Sie stellten Speichermedien und Kleidung sicher.

Im Zentrum der Ermittlungen stehen Angehörige der Remmo-Familie, einer arabischstämmigen Großfamilie, von der zahlreiche Mitglieder in kriminelle Aktivitäten verwickelt sind. Der Berliner Innensenator Andreas Geisel betonte umgehend in einer Presseerklärung, dass er diesen Einsatz als Schlag gegen die Clankriminalität und „Signal an die Szene“ verstanden wissen möchte: „Niemand sollte glauben, er könne sich über diesen Staat und seine Regeln hinwegsetzen. Der Rechtsstaat ist das Maß der Dinge. Er allein setzt die Ordnung durch. Er tut das entschlossener und klüger als manch Krimineller glaubt.“

Öffentliche Fahndung nach Mitgliedern des Remmo-Clans

Während des Einsatzes wurden drei Männer mit deutscher Staatsbürgerschaft im Alter von 23, 23 und 26 Jahren wegen schweren Bandendiebstahls und Brandstiftung verhaftet. Sie wurden unter starken Sicherheitsvorkehrungen nach Dresden gebracht und dort einem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts vorgeführt, der für die Verdächtigen Untersuchungshaft anordnete. Nach zwei weiteren Clanmitgliedern fahndet die Polizei noch, es handelt sich dabei um die 21-jährigen Zwillingsbrüder Abdul Majed und Mohamed Remmo.

Im November 2019 hatten die Täter historische Juwelen in einer Minuten-Aktion aus dem Historischen Grünen Gewölbe in Dresdens Residenzschloss geraubt. Foto: Kolossos / CC BY-SA 3.0

Der Einbruch in Dresdens Grünes Gewölbe

Diese fünf Männer stehen im Verdacht, am 25. November 2019 in das Historische Grüne Gewölbe in Dresden eingebrochen zu sein. Dabei brachen die Täter mit einer Axt eine Vitrine auf und stahlen kostbare, juwelengeschmückte Orden aus der Zeit Augusts des Starken. Die Aktion dauerte nur Minuten, als die Polizei eintraf, waren die bereits geflohen. Später fand man das ausgebrannte Fluchtauto.

Die Dresdner Polizei kontaktierte damals einen Experten für Kunstdelikte des Berliner Landeskriminalamtes und arbeitete von Anfang an eng mit Berliner Kollegen zusammen, da die Vorgehensweise auf die Berliner Clankriminalität hinwies. Die Ermittler gingen über 700 Hinweisen aus der Bevölkerung nach und werteten Spuren im Fluchtauto aus, die Aufnahmen der Sicherheitskameras und stießen vor kurzem auf denjenigen, der ihnen Handy-SIM-Karten verkauft hatte, die bei der Tat benutzt wurden.

Der Einbruch in Dresden erinnerte nicht nur Experten sofort an den ebenso spektakulären Coup im Bodemuseum 2017, bei der die 100 Kilogramm schwere Goldmünze „Big Maple Leaf“ geraubt wurde. Sie ist bis heute verschwunden, obwohl die Täter ermittelt wurden. Foto: Achim Scholty / Pixabay

Verbindung zum Einbruch ins Bodemuseum

Tatsächlich ließ das Vorgehen in Dresden sofort an den spektakulären Einbruch in das Bodemuseum denken, bei dem 2017 die Riesengoldmünze Big Maple Leaf gestohlen wurde – eine Aktion des Remmo-Clans. Mehrere Familienmitglieder wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Besonders pikant: Einer von ihnen, Wissam Remmo, steht jetzt im Verdacht, auch an dem Coup in Dresden beteiligt gewesen zu sein. Nur zwei Tage nach dem Einbruch in Dresden stand er übrigens in Erlangen vor Gericht: Dort wurde er verurteilt für einen Einbruch bei einem Hersteller für Hydraulikspreizer. Medienberichten zufolge könnten die Täter Gerät aus diesem Einbruch in Dresden eingesetzt haben. All das wäre zudem während des Bode-Prozesses passiert, an dessen Ende ihn das Berliner Landgericht im Februar 2020 zu einer Jugendstrafe von viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilte. Trotz der beiden Verurteilungen befand er sich auf freiem Fuß, weil sein Anwalt in Revision gegangen war. Jetzt sitzt Remmo vorerst in Dresden in Untersuchungshaft.

Der Staat und die Clankriminalität

Dieser Fall zeigt, wie schwer sich der Staat damit tut, der Clankriminalität Herr zu werden. Insbesondere wenn Museen in deren Fokus geraten, reichen herkömmliche Sicherheitsvorkehrungen nicht mehr, wie die Beispiele in Berlin und Dresden belegen. Die Big Maple Leaf ist bis heute verschwunden, vermutlich wurde sie eingeschmolzen.

Bis vor kurzem hatten die Ermittler im Fall der Dresdner Juwelen gehofft, die Beute sicherzustellen. Nun klingen die Töne weniger optimistisch. Bei der Großrazzia in Berlin tauchten die Juwelen nicht auf. Die dpa zitiert den Sprecher der Dresdner Polizei: „Die Kunstgegenstände stehen auf den Durchsuchungsbeschlüssen mit drauf. Da müsste man aber schon sehr viel Glück haben, wenn man die ein Jahr nach der Tat noch finden würde.“ Im schlimmsten Fall teilen die Juwelen Augusts des Starken das Schicksal mit der Big Maple Leaf und wurden zerlegt, die Diamanten umgeschliffen und stückchenweise verkauft.

Wie energisch der Staat tatsächlich auch nach ersten Festnahmen gegen die Kriminellen vorgeht, wird sich erst noch zeigen. Auch nach dem Raub der Big Maple Leaf hatte es vom ersten Fahndungserfolg bis zu einer Urteilsverkündung noch lange gedauert – die Remmo-Familie kann sich Top- Anwälte leisten.

 

Die Berliner Morgenpost zeigt Videos des Polizeieinsatzes in Berlin.

Über die jüngsten Entwicklungen bei den Ermittlungen im Fall Dresden haben wir berichtet.

Ebenfalls berichteten wir über die Urteilsverkündung im Fall Bode-Museum.

Damals thematisierten wir auch, warum so lange kein Urteil gesprochen wurde.

In dem Zusammenhang erläuterten wir auch das Problem der Clankriminalität.