Murmeltiertag. Wenn das Bodendenkmalamt immer am selben Tag aufwacht

Dieses Kind hat Grund zur Freude: In Österreich müsste es wohl keine Bodenrisikovorerkundung durchführen, um sich seinen Baggerspielen hinzugeben. Wer mit schwererem Equipment anrückt, sollte sich hingegen zweimal überlegen, bei welcher Behörde er welchen Antrag stellt.
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Wenn es „die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten“ (Brown 1984), dann scheint das österreichische Bundesdenkmalamt inzwischen dem Wahnsinn verfallen zu sein.

Umzug, Hausbau, Bürokratie

Ich bin Ende 2020 aus Großbritannien nach Österreich zurückgekehrt und baue daher derzeit ein Einfamilienhaus in Wien. Um eine Bodenrisikovorerkundung im Sinne der von mir mitentwickelten ÖNORM S 2411 durchzuführen Bauverzögerungen durch die unerwartete Entdeckung von möglichen Denkmalen ausschließen zu können, wollte ich vor Baubeginn eine archäologische Untersuchung des Grundstücks durchführen. Aufgrund der Erfahrung aus einem jüngeren Fall in Niederösterreich, dass das BDA (wenn auch erfolglos) Strafanzeige erstattet, wenn solche Untersuchungen ohne seine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG durchgeführt werden, auch wenn überhaupt nicht mit der Entdeckung von Denkmalen zu rechnen ist, beantragte ich dafür am 11.3.2021 rein sicherheitshalber eine derartige Grabungsgenehmigung beim BDA.

Zweimal das Gleiche ist nicht Dasselbe …

Nun ist es allerdings so, dass ich bereits 2017 und 2018 in zwei separaten Fällen bezüglich des meinem Baugrundstück benachbarten Grundstücks in Wien, auf dem mein Elternhaus steht, die Grabungsgenehmigungsbestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG betreffende Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts erstritten hatte. Im älteren davon wurde festgestellt, dass eine Genehmigungspflicht für die Aufsammlung von Oberflächenfunden (BVwG 11.9.2017, W183 2168814-1/2E) nicht besteht. Im etwas jüngeren hingegen wurde festgestellt, dass die Durchführung archäologischer Prospektionen und Ausgrabungen (BVwG 19.9.2018, W 195 2197506-1/11E) nicht besteht, wenn auf dem betreffenden Grundstück objektiv betrachtet nicht mit der Entdeckung von denkmalschutzrelevanten Gegenständen zu rechnen ist (vgl. dazu auch VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008 und LVwG Steiermark 22.1.2018, LVwG 30.37-3312/2015-44).

Wenn die Behördenmühlen erst einmal mahlen, kommen die absurdesten Ergebnisse raus. Da hält sich dann das BDA in Österreich auch schon mal für zuständig, bis ein Gericht unmissverständlich widerspricht.

Ich erwartete daher einen zurückweisenden Bescheid des BDA aufgrund fehlender Zuständigkeit der Behörde für meinen Antrag. Schließlich waren die Umstände des Einzelfalls auf meinem Baugrundstück exakt ident zu denen auf dem benachbarten Grundstück, bezüglich dessen die Genehmigungspflichtfrage bereits eindeutig geklärt worden war: konkrete Hinweise auf das Vorkommen von Denkmalen iSd § 1 Abs. 1-2 DMSG lagen auch von diesem Grundstück nicht vor und ich beabsichtigte auch nicht die Entdeckung und Untersuchung von Denkmalen. Damit war eigentlich völlig klar, dass eine Genehmigungspflicht nach dem Denkmalschutzgesetz unmöglich bestehen konnte. Und tatsächlich hat mir das BDA auch mit Schreiben vom 18.5.2021 (GZ: 2021-0.188.917) die Zurückweisung meines Antrags angekündigt, allerdings mit der sachlich unrichtigen Begründung, dass vom betreffenden Grundstück keine Hinweise auf das Vorkommen archäologischer Funde und Befunde vorliegen würden. Diesen Irrtum – es befand sich bekanntermaßen einiges an Neuzeit- und Gegenwartsarchäologie auf dem Grundstück – berichtigte ich in meiner Stellungnahme vom 20.5.2021, in der Erwartung nun einen korrekt ausgestellten zurückweisenden Bescheid des BDA zu erhalten.

Zu meiner großen Überraschung erreichte mich jedoch am 14.7.2021 ein Bescheid des BDA (9.7.2021, GZ: 2021-0.480.178), in dem das BDA sich für den Fall zuständig erklärte und meinen Antrag abwies, mir also die Durchführung der geplanten Voruntersuchung meines Grundstücks vor dem für August geplanten Baubeginn untersagte. Die interessante Begründung des Bescheides stellte fest, dass beiderseits unbestrittenermaßen keine Hinweise auf das Vorkommen von Denkmalen vom Grundstück vorlägen und zitierte die einschlägige Judikatur, führte aber weiter aus, dass alle archäologischen Funde und Befunde Denkmale seinen. Als Beleg dafür zitierte es wörtlich aus einem Artikel von Pieler und Forsthuber, in dem erläutert wird, „dass der Begriff des Denkmals […] jegliche archäologische Überreste – vorausgesetzt sie haben Denkmalwert – umfasst“ (Pieler & Forsthuber 2013, 132). Dass das bedeutet, dass ein archäologischer Fund oder Befund Denkmalwert haben muss, um als Denkmal betrachtet werden zu können, und nicht jedem archäologischen Fund und Befund derartiger Denkmalwert zukommt, hat man im BDA scheinbar nicht verstanden. Wie sich aus der angegebenen Begründung eine Abweisung meines Antrags ableiten ließ, ist mir nicht nachvollziehbar.

Wenn das Gericht die Behörde zügelt

Selbstverständlich erhob ich gegen diese Abweisung Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht, wo die gerade zitierte Erika Pieler als Richterin auch nicht nachvollziehen konnte, weshalb mein Antrag abgewiesen worden war und wie das BDA auf die verrückte Idee verfallen war, dass es überhaupt zuständig war. Der abweisende Bescheid des BDA wurde daher mit Erkenntnis des BVwG vom 23.11.2021, W183 2245662-1/3E, vollinhaltlich aufgehoben und mein Antrag auf Erteilung einer Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG für die von mir geplanten bauvorbereitenden Maßnahmen wegen Fehlens einer gesetzlichen Genehmigungspflicht zurückgewiesen.

Zu diesem Zeitpunkt war das allerdings bereits irrelevant: während mir das BDA durch seinen abweisenden Bescheid vom 9.7.2021 verboten hatte, archäologische Voruntersuchungen durchzuführen, war es mir als Grundeigentümer völlig unbenommen belassen, auf meinem Grundstück Bauarbeiten durchführen zu lassen. Denn steht ein Grundstück nicht unter Denkmalschutz – und mein Grundstück steht, weil sich dort nichts Denkmalwürdiges befindet, nun einmal nicht unter Denkmalschutz – darf es der Eigentümer selbstverständlich völlig ohne Genehmigung des BDA (obgleich nicht ohne Baugenehmigung) verbauen und dafür auch alle darauf tatsächlich vorkommenden archäologischen Funde und Befunde willkürlich zerstören, die nicht der Legaldefinition des Bodendenkmalbegriffs in § 8 Abs. 1 DMSG genügen und deren zufällige Entdeckung daher auch nicht die Rechtsfolgen des § 9 DMSG nach sich zieht.

Im konkreten Fall hat das BDA also durch sein verrücktes Bestehen auf Zuständigkeit in einem Fall, in dem es gar nicht zuständig sein konnte, und dadurch, dass es mir rechtswidrig die archäologische Erforschung meines Grundstücks bescheidmäßig verboten hat, dafür gesorgt dass Neuzeit- und Gegenwartsarchäologie, statt dass sie sachgerecht ausgegraben und dokumentiert worden wäre, mit dem Bagger zerstört wurde. Bravo!

Literaturverzeichnis

Brown, R.M. 1984. Sudden Death. London: Bantam Books.

Pieler, E., Forsthuber, F. 2013. Archäologischer Kulturgüterschutz und das Strafrecht. RZ 6/2013, 130-133 [19.12.2021].

Umfangreichere Fassung

Ein umfangreicherer Bericht über den Fall und seine Details findet sich auf dem Blog von Raimund Karl „Archäologische Denkmalpflege“.

Über den Autor:

Raimund Karl ist emeritierter Professor für Archäologie und Denkmalpflege an der Universität Bangor und unterrichtet derzeit als Privatdozent archäologisches Denkmalrecht und archäologischen Denkmalschutz am Institut für Urgeschichte und historische Archäologie der Universität Wien. Darüber hinaus ist er derzeit international als Privatgutachter in Gerichtsverfahren zu Fragen des archäologischen Denkmalschutzes tätig.

Sie erreichen ihn hier über E-Mail, das ist seine Website.

Wir haben schon mehrfach Artikel von Raimund Karl veröffentlicht, die auf Missstände in der österreichischen Rechtsprechung beim Kulturgüterschutz aufmerksam machen. So in den Texten Schutz für oder vor archäologischer Forschung und Kulturgüterschutz und Rechtsmissbrauch.