Oluf Gerhard Tychsen (1734-1815)

Rafael Arnold, Michael Busch, Hans-Uwe Lammel, Hillard von Thiessen (Hrsg.), Der Rostocker Gelehrte Oluf Gerhard Tychsen (1734-1815) und seine internationalen Netzwerke. Wehrhahn Verlag, Hannover 2019. 304 S. Hardcover, 15,5 x 23,2 cm. ISBN: 978-3-86525-699-7. 29,50 Euro.
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Numismatiker sind nicht nur Münzbegeisterte. Sie sind daneben Menschen, die zusammen mit anderen Menschen agieren, die sich gelegentlich auch mit anderen Dingen beschäftigen und hin und wieder Auswirkungen auf die Geschichte haben. Leider kommen all diese Aspekte oft zu kurz, wenn nur ein Fachbereich sich mit einer Person beschäftigt. Umso interessanter wird es, wenn sich Wissenschaftler aus verschiedenen Bereichen mit einer Person beschäftigen, in diesem Fall mit dem Rostocker Gelehrten Oluf Gerhard Tychsen.

Oluf Gerhard Tychsen (1734-1815)

Porträt Tychsens am Universitätshauptgebäude in Rostock. Foto: KrummesHaus / CC-BY 4.0.

Oluf Gerhard Tychsen war Protestant. Warum das wichtig ist? Nun, auch im Zeitalter der Aufklärung war es durchaus überraschend, dass ein in einer dänischen Kleinstadt geborener junger Mann, nicht nur an den klassischen Bildungseinrichtungen studierte, sondern an einer Jeshiva, einer jüdischen Hochschule, die sich dem Studium der Tora und des Talmuds widmete. Er war dort, weil ihn die Sprache der Bibel interessierte – und darüber hinaus alle orientalischen Sprachen. Er lernte nicht nur Hebräisch, sondern auch Jiddisch, die Umgangssprache der deutschen Juden zu seiner Zeit. Eigentlich lernte Tychsen all diese Sprache, um als Missionar der Juden erfolgreich zu sein. Doch irgendwann muss er verstanden haben, dass es wichtiger war, die altorientalischen Kulturen zu begreifen als jüdische Gläubige zu bekehren. Damit wurde zu er zu einem frühen Vertreter des Fachs der Orientalistik und so ganz nebenbei auch der Gründungsvater der islamischen Numismatik.

Es charakterisiert Oluf Gerhard Tychsen sehr gut, wenn man daran denkt, dass der Mann, der angetreten war, die Juden zu bekehren, die Semicha erhielt, die formelle Einsetzung als Rabbiner, und dass er so berechtigt war, gültige Entscheidungen in Fragen des jüdischen Religionsgesetzes zu treffen.

Netzwerk – Juden – Numismatik

Der Sammelband mit wissenschaftlichen Artikeln rund um die Person Tychsens ist in drei Teile aufgeteilt. Der erste Teil beschäftigt sich mit dem wissenschaftlichen Netzwerk, das es Tychsen ermöglicht hat, das Fachgebiet der Orientalistik zu begründen. Der zweite Teil widmet sich der „Judenfrage“, wie man sie zur Zeit der Aufklärung verstand. Auch wenn es nichts mit Numismatik zu tun hat, ist dieser lange vergessene Teil der jüdischen Geschichte unglaublich spannend. Ich will an dieser Stelle nur einen Artikel hervorheben, der mich geradezu gefesselt hat, weil er mir eine völlig neue Sicht auf die Dinge vermittelte. Jan Doktór schildert die pietistische Mission, mit der wohlmeinende Kleriker versuchten, die Juden zum „wahren Glauben“ zu führen. Und in welchem Zusammenhang diese Mission mit dem Entstehen des Frankismus steht, jener von Zaddik Jakob Frank gegründeten Bewegung, deren vorstechendstes Kennzeichen ist, dass sie sowohl von den Rabbinern als auch von der katholischen Kirche als Ketzerei verdammt wurde.Der dritte Teil des Sammelbands beschäftigt sich mit den numismatischen Aspekten der Persönlichkeit Tychsens. Und es ist durchaus bezeichnend für den Status, den die Forschungsgeschichte momentan in unserer Disziplin hat, dass dieser Teil die meisten Beiträge zählt.

Tychsen und die Numismatik

Machen wir es uns an dieser Stelle einfach. Nennen wir die Autoren und die Titel ihrer Aufsätze. Das sollte all denen, die sich für die Forschungsgeschichte der Numismatik interessieren, genügend Gründe geben, diese spannende Publikation für die eigene Bibliothek zu erwerben:

  • Lutz Ilisch, Die Sammlung orientalischer Münzen des Oluf Gerhard Tychsen
  • Niklot Klüßendorf, Oluf Gerhard Tychsen als Numismatiker
  • Anna Pontani, The Presence of Tychsen in the Correspondence of Simone Assemani
  • Lucia Travaini / Arianna d’Ottone Rambach, Tychsen, Vella, Adler and Borgia: The Italian Connection in Islamic Numismatics
  • Konstantin V. Kravtsov, O G. Tychsen’s Contribution to the Study of Tabaristan Drachms

 

Erhältlich ist dieses Buch für den bescheidenen Preis von 29,50 Euro beim Wehrhahn Verlag, der hinsichtlich seiner Publikationen einen Schwerpunkt auf die Zeit der Aufklärung legt.