Politischer Wille statt Fakten

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Am 12. März 2019 hat das europäische Parlament in erster Lesung die EU-Verordnung über die Einfuhr von Kulturgut angenommen. Sie ergreift, ebenso wie das Kulturgutschutzgesetz, einschneidende Maßnahmen gegen den illegalen Kulturguthandel. Begründet werden diese Maßnahmen regelmäßig mit der Aussage von Interpol, dass der Schwarzmarkt mit Kunstwerken schon fast ebenso lukrativ sei wie der mit Drogen, Waffen und nachgeahmten Waren. So zuletzt geschehen in der Entschließung des EU-Parlaments vom 17. Januar 2019 zur Rückgabe von Kulturgut. Im gleichen Atemzug weist die Entschließung jedoch darauf hin, dass es kein belastbares Zahlenmaterial dazu gäbe. Interpol hat die Behauptung, Kulturgut käme gleich hinter Drogen und Waffen, inzwischen von ihrer Webseite gestrichen.

Seit Jahren mahnt der Handel, dass das Ausmaß des illegalen Kulturguthandels maßlos überschätzt wird, und die dagegen getroffenen Maßnahmen den legalen Kulturguthandel unverhältnismäßig belasten. Die IADAA, der internationale Verband der Antikenhändler, hat nun den im Dezember 2018 erschienen Bericht der Weltzollorganisation zum illegalen Handel ausgewertet. Deren Zahlen bestätigen diese Annahme in vollem Umfang.

Danach machen Drogen 42,7 % der Beschlagnahmen des globalen illegalen Handels aus, während Kulturgüter auf lediglich 0,2 % kommen. Sie landen weit abgeschlagen auf dem letzten Platz hinter natürlichen Produkten wie Tieren und Pflanzen, deren illegaler Handel 12mal so hoch ist.

Lediglich 167 Beschlagnahmen von Kulturgut weltweit weist der Zollbericht für das Jahr 2017 aus. Sie betrafen 14.754 Gegenstände von oft sehr geringem Wert. Deren Darstellung im Zollbericht zeigt zum einen den weiten Kulturgutbegriff, den der Zoll hier angewandt hat. So zählen dazu unter anderem Haushaltsgegenstände, Flora, Fauna und Schmuck. Sie zeigt auch, dass ein Großteil auf sichergestellte Musikträger, Filme und Fotografien entfällt.

Eine weitere Grafik des Zollberichts zeigt die geografische Verteilung der Beschlagnahmen. Hier ragen Russland und die Ukraine heraus, während der illegale Kulturguthandel in den europäischen Ländern eine zu vernachlässigende Rolle spielt. Die einzigen europäischen Länder in der Top 15-Liste sind Polen und Frankreich mit jeweils weniger als 5 Fällen im Jahr 2017. Europa und erst recht Deutschland stehen also nicht im Zentrum des weltweiten illegalen Kulturguthandels.

Dass der illegale Kulturguthandel keine signifikante Rolle spielt, zeigt auch die aktuelle Jahresstatistik der deutschen Generalzolldirektion. Darin wird der illegale Kulturguthandel noch nicht einmal erwähnt. Auch der im Januar 2019 veröffentlichte Bericht der Bundesregierung über die ersten zwei Jahre des Kulturgutschutzgesetzes belegt dies. Danach wurden im Schnitt pro Jahr lediglich 2,5 Verfahren zur Rückgabe von illegalem Kulturgut in die Herkunftsländer durchgeführt, die auf dem Kulturgutschutzgesetz beruhen. Selbst wenn sich die Rückgabeverfahren nach der Anlaufphase des Kulturgutschutzgesetzes erhöhen sollten, rechtfertigen diese Zahlen das Ausmaß der getroffenen Maßnahmen nicht.

Ebenso wie die Annahme, in Deutschland werde in großem Stil mit illegalem Kulturgut gehandelt, nicht belegt werden kann, entbehrt auch die Behauptung, über den illegalen Kulturguthandel werde Terrorismus finanziert, jeglicher Grundlage. Im neuesten Bericht des Monitoring Teams des UN Sicherheitsrats vom 15. Januar 2019 ist festgehalten, dass der IS Kulturgüter nicht systematisch als Finanzierungsquelle genutzt hat. Bereits im Jahr 2017 erschien eine von der EU-Kommission bei Deloitte in Auftrag gegebene Studie, wonach in keinem der 28 befragten Mitgliedsstaaten eine Finanzierung von Terror über Kulturgut festgestellt werden konnte. In Deutschland gab es nach dieser Studie lediglich eine einzige Sicherstellung wegen Verstoßes gegen die Syrien- und Irakembargos. Eine Studie des renommierten King’s College in London aus dem gleichen Jahr wird deutlicher. Der IS finanziere sich über Steuern, Öl und Beschlagnahmungen. Eine Finanzierung über den Antikenhandel sei unwahrscheinlich.

Im April werden nun die Ergebnisse des ILLICID-Projekts erwartet. Es gilt als die einzige wissenschaftliche Untersuchung zu illegalen Kulturguthandel und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 1,2 Mio. Euro gefördert. Allerdings wird man die Zahlen genau analysieren müssen. Denn auch das ILLICID-Projekt tritt nicht neutral an das Thema heran, sondern nimmt sein eigenes Ergebnis vorweg. Es stellt schon in seiner Projektbeschreibung fest, dass Gewinne aus illegalem Handel mit Kulturgütern ein wichtiges Standbein der organisierten Kriminalität seien, um fortzufahren, dass es derzeit kein belastbares Zahlenmaterial gäbe, ja noch nicht einmal ein Verfahren zur Erhebung der entsprechenden Fakten.

Im Übrigen beschränkt sich das ILLICID-Projekt ausschließlich auf antike Kulturgüter aus dem östlichen Mittelmeerraum. Kulturgutschutzgesetz und EU-Einfuhrverordnung gehen aber weit darüber hinaus. Sie erfassen sämtliches Kulturgut, nicht nur Antiken, sondern unter anderem Gemälde, Antiquitäten und antiquarische Bücher.

Es erstaunt, dass der Gesetzgeber neue, einschneidende Gesetze schafft, ohne vorher die Faktenlage zu eruieren. EU-Einfuhrverordnung und Kulturgutschutzgesetz bedürfen dringend der Überarbeitung. Denkbar ist, sie auf die Güter und Länder zu beschränken, die nachgewiesenermaßen gefährdet sind. Dazu bedarf es jedoch belastbarer Zahlen.

Spätestens jetzt, da deutlich ist, dass der illegale Kulturguthandel überschätzt wird und Terrorfinanzierung nicht über Kulturgüter erfolgt, ist es Zeit umzudenken. Die Anschuldigungen gegen den deutschen Kunsthandel sind haltlos.

Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite der IG Deutscher Kunsthandel.

Die Interessengemeinschaft Deutscher Kunsthandel hat im Januar 2019 ihre Arbeit aufgenommen.

Die Übersetzung der Analyse des WZO-Berichts finden Sie in der MünzenWoche.

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