Rainer Seupel als Numismatiker

Rainer Seupel auf einem Foto der 1980er Jahre.
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In Kreisen der islamischen Numismatik ist der im Sommer 2018 verstorbene Rainer Seupel, dessen Münzsammlung und vor allem dessen Bibliothek durch das Auktionshaus Peus in Frankfurt versteigert wird, durchaus ein bekannter Name. Weniger bekannt ist sein Lebensweg, von dem er selbst nicht viel Aufhebens machte.

Vier Monate nach dem Kriegsende als Kriegswaise in Luckenwalde geboren, verlor er auch schon als Kind seine Mutter und lebte dann bei einem älteren Bruder in Berlin. Schon in seinen jungen Jahren war ihm die Repression der DDR-Diktatur schwer erträglich. Durch den Direktor seiner Schule immer massiver bedrängt, der FDJ und der paramilitärischen Gesellschaft für Sport und Technik beizutreten, gelang ihm, gerade einmal 16 Jahre alt, während des Mauerbaus 1961 zusammen mit einem Mitschüler als einem der Letzten die Flucht durch den Sprung aus einem Haus in der Bernauer Straße unmittelbar vor der Vermauerung der letzten Fenster.

Die ersten zwei islamischen Münzen der Sammlung Seupel. Erworben 1962 und 1963. Links das erste Stück der Sammlung Seupel, ein perfekt erhaltener umayyadischer Dirham des Jahres 105 H.

Der Beginn der Sammlung Seupel

Nach dem Notaufnahmeverfahren im Lager Marienfelde konnte er die Gymnasialausbildung in Westdeutschland im Internat der Jugenddorf Christophorusschule in Altensteig/Schwarzwald fortsetzen. Noch kein Jahr im „neuen Leben“ erhielt er 1962 hier seine erste islamische Münze, ein perfekt erhaltener umayyadischer Dirham des Jahres 105 H. als Geschenk, dem dann während der folgenden Schuljahre bis 1967 jeweils ein weiterer Auktionskauf offenbar zum Geburtstag folgte. Bis zum Abitur waren überschaubare 25 Stücke in diesem Sammlungsbereich zusammengekommen, daneben anfangs aber auch die damals leichter erreichbaren antiken Münzen. An seinem Gymnasium erreichte er als Tertialarbeit Ende 1965 durch eine über 20seitige Abhandlung zum „Beitrag der römischen Münzen zur Geschichte“ die uneingeschränkte Bestnote.

Von Münzen zur numismatischen Literatur

Auch wenn, so wie in der Mehrzahl aller Sammlerbiographien, mit dem Studium angesichts beschränkter Mittel das Sammeln der Münzen unterbrochen wurde, so blieb er der Numismatik treu, indem er seinen Schwerpunkt auf die numismatische Literatur verlegte. Darunter verstand er nicht nur die Standardwerke und die Beschreibungen der großen Sammlungen, wie jeder Sammler sie zur Einordnung seiner Schätze braucht, sondern insbesondere die Aufsatzliteratur der wissenschaftlichen islamischen Numismatik, die er systematisch in Sonderdrucken sammelte. Um deren Ergänzung einerseits, aber auch um strittige Bestimmungsfragen, korrespondierte er mit allen Kuratoren der staatlichen Münzsammlungen in Leningrad/Sankt Petersburg, Stockholm, London und New York. Ende der 60er war er einer von lediglich fünf Kennern islamischer Münzen in Westdeutschland (neben dem Numismatiker Jäckel am Münchener Münzkabinett, dem ehemaligen Botschafter in Ägypten Kurt Munzel am selben Ort, dem Vorsitzenden der Frankfurter Münzfreunde Kurt Lombard und einem Münsteraner Schüler).

Rainer Seupel in den 1970er Jahren.

Die Publikation der Sammlung de Saint Laumer

Rainer Seupel hatte zunächst die Absicht, Kinderarzt zu werden und studierte in Heidelberg. Im Studium betrachtete er sich selber nicht mehr als Münzsammler, aber er war 1970 durch seine Material- und Literaturkenntnis schon qualifiziert, die Beschreibungsarbeit der legendären Sammlung islamischer Münzen des Bürgermeisters von Chartres, Adrien Billard de Saint Laumer (+ 1889), im Auftrag der damals von Dieter Raab und Peter N. Schulten geleiteten Firma Peus Nachf. zu übernehmen (Auktion 276 am 24./25 März 1971).

Danach folgten erst in den 80er Jahren einige kleine Veröffentlichungen, wie über unpublizierte marinidische Goldmünzen in den Schweizer Münzblättern. In seiner letzten langen Sammelphase entstand eine detailliert ausgearbeitete Übersicht über die Münzprägung der ostanatolischen Manguchakiden und ihrer Wissenschaftsgeschichte, die auch heute noch unübertroffen, jedoch noch nicht publiziert ist. Dabei forschte er intensiv und nutzte die Heidelberger und Frankfurter Universitätsbibliotheken. Durch Sprachkurse hatte er hinreichende Arabischkenntnisse erworben, die über die Bedürfnisse der Münzbestimmung hinaus auch eine sichere Nutzung der arabischsprachigen numismatischen Literatur ermöglichte.

Rainer Seupel als Wasserflieger in den 1980er Jahren.

Perfektionist in vielen Passionen

Seine eigenen außerordentlich hohen Ansprüche an Originalität und Genauigkeit behinderten bisweilen eigenes Publizieren und ich kann nur vermuten, dass extreme Erwartungen an perfekte Erhaltungen der für ihn sammelbaren Münzen auch seine zeitweilige Enthaltsamkeit bei Münzen und die Konzentration auf die Bücher beförderten. Hinzu kam, wie er selbst betonte, dass er auch anderen Leidenschaften Raum geben wollte.

Beruflich hatte er sich von der Medizin hin zur Informatik gewendet und dann in frühen Jahren der neuen Entwicklung seit 1970 für drei Jahrzehnte als Systembediener im Rechenzentrum für IBM in Frankfurt und zuletzt als Kundenbetreuer gearbeitet. Die Erkundung neuer technischer Möglichkeiten äußerte sich in der Liebe zu besonderen Sportwagen. Lange Zeit war er ein begeisterter Sportflieger mit dem Spezialinteresse an Wasserfliegerei, die ihn bisweilen bis nach Spanien und Schweden brachte.

Eher selten bei Numismatikern teilte er die Begeisterung für den Fußball seiner Mannschaft, der Eintracht Frankfurt. Die Flucht als Jugendlicher mag sowohl den konsequenten Bruch mit seiner Familie erklären, der wiederum einen Ausgleich fand in familiengeschichtlichen Forschungen in der ihm eigenen Akribie. Er war ein eigenständiger Mensch, der die Wechsel seiner Neigungen als persönliche Freiheit überzeugend verteidigte, wobei die numismatische Literatur einerseits und das Interesse an technischem Fortschritt, verbunden mit kaum erfüllbarem eigenem Perfektionismus andererseits, Konstanten bildeten.

Rückkehr zum Münzsammeln

Nach einer anstrengenden beruflichen Phase wandte er sich 2001 schließlich doch aktivem Münzsammeln zu, indem er zunächst, wie zu Beginn, bei den einschlägigen Auktionshäusern und aus den Listen von Stephen Album kaufte, später zunehmend auch im amerikanischen Ebay. Dabei wechselten Präferenzen von der anfänglichen Vorliebe für Kalifenmünzen zum Silber der Spanischen Umayyaden und Almoraviden und Almohaden, danach über die Ayyubiden und Rum Saljuken hin zur Bronzeprägung der Tahiriden und Samaniden mit ihrer Vielfalt an Namensnennungen und historischen Bezügen, ohne sich durch zufällige Gelegenheiten ablenken zu lassen.

Die Konzentration auf ausgewählte Münzen in überdurchschnittlichen Erhaltungen war ihm seit den ersten Anfängen wichtig gewesen. In seiner langen letzten Sammelphase 2001-2016 verwandte er selbstverständlich auch seine Kenntnisse der Textverarbeitung, um einen Katalog seiner Sammlung entstehen zu lassen, der an Ausführlichkeit und Genauigkeit weit über das im Auktionskatalog zu bietende hinausging. Dazu gehörten meisterliche digitale Bildaufnahmen, welche erahnen lassen, dass Rainer Seupel seine Münzen normalerweise in voller Bildschirmgröße vor Augen hatte und nicht als metallisches Original. Dies belohnte die Suche nach den besten Exemplaren und die dafür notwendigen Aufwendungen und lässt die Zurückstellung von Seltenheit des Typs oder der Münzstätten-Jahres-Kombination verständlich erscheinen. Im Unterschied zum Papierkatalog und seiner digitalen Entsprechung wurde die Sammlung selbst keiner anderen Ordnung unterworfen, als der Reihenfolge der Erwerbung und war somit subjektiv ein Spiegelbild der persönlichen Sammlungsgeschichte.

Und nochmal die ersten zwei islamischen Münzen der Sammlung Seupel (erworben 1962 und 1963) mit dem frühen perfekt geprägten Fatimidendinar, den Rainer Seupel 1963 kaufte.

Penibel, wie er nun einmal war, dokumentierte er auch alle Käufe mit den dazugehörigen Rechnungen von der ersten Erwerbung an, dem frühen perfekt geprägten Fatimidendinar des al-Qâ’im aus al-Mahdîya, das dem damals 17jährigen am 27.6.1963 in der Auktion XXXV bei Gerhard Hirsch in München unter der Nummer 142 für 45 DM zugeschlagen worden war, bis zu seinen letzten Käufen bei britischen Auktionshäusern Ende 2017. So war es möglich, in dem jetzt vorliegenden Katalog die Geschichte seiner Sammlung über ein halbes Jahrhundert hinweg lückenlos zu dokumentieren.

In dieser letzten Phase des Sammelns nahm Rainer Seupel regelmäßig an den jährlichen Treffen der Oriental Numismatic Society in Tübingen teil, wo er als ebenso zurückhaltender wie kritischer Beobachter mit beachtlicher Kompetenz und Belesenheit an den Diskussionen teilnahm und neue Freunde gewann.

In seinen letzten beiden Lebensjahren sammelte er reduziert, konnte aber, gesundheitlich angeschlagen, bis zu seinem Tod bei seiner Bibliothek und Sammlung zuhause bleiben.

 

Der erste Teil der Sammlung Seupel wurde in Auktion 427 von Dr. Busso Peus Nachf. angeboten.

Der zweite Teil ist bereits angekündigt für E-Auktion 11 von Dr. Busso Peus Nachf. am 23. Januar 2021. Der Katalog wird zu einem späteren Zeitpunkt auf der Seite des Auktionshauses veröffentlicht werden.

In unserem Who’s who haben wir den Autor, Lutz Ilisch, vorgestellt.