Der kürzlich verstorbene Klaus-Peter Brozatus war einer der großen Kenner der Reformationsnumismatik und legte unter anderem den umfangreichen Bestandskatalog „Reformatio in Nummis“ vor. Im Interview mit Rev. Dr. Daniel Harmelink von der Internationalen Gesellschaft für Münzen und Medaillen der Reformation (IARCM-IGMMR) berichtete Brozatus im Jahr 2011 ausführlich über seine Begeisterung für dieses Spezialgebiet.
Wie alles begann
IARCM: Herr Brozatus, was waren Ihre ersten Erfahrungen mit Reformations-Münzen und -Medaillen in Ihrer Arbeit als Numismatiker?
K.-P. Brozatus: Meine Beziehung zur Numismatik begann 1958, als ich angefangen habe, jede Münze zu sammeln, die ich finden konnte. 1967 habe ich begonnen, sogenannte „Galvanos“ herzustellen, auf elektrolytischem Wege aus Kupfer und Blei gefertigte Reproduktionen von Münzen und Medaillen, die mit einem entsprechenden Überzug versehen wurden. Diese Galvanos wurden für Sammler und Museen sowie für meine eigene Sammlung hergestellt.
Mein erster Kontakt mit Münzen und Medaillen auf Martin Luther und die Reformation war 1981. Das Museum Martin Luthers Geburtshaus in der Lutherstadt Eisleben hat bei mir angefragt, ob ich Kopien ihrer Reformations-Sammlung von ungefähr 180 Stücken herstellen könnte. Zu dieser Zeit war Fritz Ebruy Verwalter des Museums in der Lutherstadt Eisleben. Er hatte damit begonnen, einen Katalog der Luther- und Reformationsmünzen und -Medaillen der Eisleber Sammlung zu schreiben, und unter Hinzufügung meiner numismatischen Fachkenntnisse wurde dieser Katalog 1984 herausgegeben.
Dies war meine erste Erfahrung mit Münzen und Medaillen auf Martin Luther und die Reformation. Im gleichen Jahr 1981 bat mich das Museum Staatliche Lutherhalle (jetzt Lutherhaus) in der Lutherstadt Wittenberg um Mithilfe bei der Gestaltung ihrer Ausstellung zum 500. Geburtstag Martin Luthers 1983. Anschließend habe ich ungefähr 400 Galvanos ihrer Sammlung unter der Leitung von Frau Dr. Elfriede Starke geschaffen. Danach bat mich das Museum Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden, etwa 100 Galvanos von Münzen und Medaillen ihrer Sammlung herzustellen. Weitere Museen kamen hinzu. Und so stand ich innerhalb kurzer Zeit vor der Aufgabe, über 1000 Kopien von Reformations-Münzen und -Medaillen herzustellen. Dadurch entstand auch mein Interesse, mich der Reformation aus numismatischer Sicht zu nähern, einer Aufgabe, der ich mich in den folgenden über 30 Jahren bis heute widmete. 1988 habe ich daneben auch eine Arbeit als freier Mitarbeiter des Münzkabinetts des Schlosses Friedenstein in Gotha begonnen.
1990 ergaben sich durch das Ende der Deutschen Demokratischen Republik neue gesetzliche Vorschriften für die Anfertigung von Galvanos, die ein Ende der von mir in den bis dahin vergangenen 23 Jahren gefertigten Galvanos mit sich brachten. Dadurch ergab sich für mich die Notwendigkeit, mich beruflich neu zu orientieren. So begann ich 1991 eine freiberufliche Tätigkeit im Niedersächsischen Münzkabinett der Deutschen Bank in Hannover (heute Münzsammlung des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover). 1983 hatte die Deutsche Bank die etwa 40.000 Münzen umfassende Münzsammlung vom Herzog von Braunschweig gekauft. Für sieben Jahre wurde ich mit der Bestimmung der Münzen und Medaillen dieser Sammlung betraut. Jeweils eine Woche im Monat arbeitete ich in Hannover, während der restlichen Zeit zu Hause am Computer.
1998 erhielt ich einen Anruf der Lutherhalle Wittenberg (die Bezeichnung „Lutherhalle“ wurde 2003 in „Lutherhaus“ geändert). Dr. Stephan Rhein, Direktor der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt fragte mich, ob ich die reformationsgeschichtliche Münz- und Medaillensammlung der Stiftung bearbeiten könnte. Ich erklärte, dass ich nur für ein Museum könnte, meine Arbeit in Hannover aber im August beenden und dann der Stiftung zur Verfügung stehen würde. Dr. Rhein bat mich, nach der Neuordnung der Sammlung und der Bestimmung der Münzen und Medaillen einen Bestandskatalog zu erarbeiten. Weiterhin wurde ich damit betreut, die Sammlung systematisch durch Ankäufe zu erweitern. So kamen von 2002 bis heute ungefähr 550 Münzen und Medaillen durch Ankäufe, aber auch durch Schenkungen, neu in die Sammlung.
Nach dem Ende der Neuordnung und Bestimmung der Münzsammlung habe ich 2002 begonnen, an einem Bestandskatalog der Sammlung zu arbeiten. Dazu arbeitete ich etwa 3 bis 4 Tage im Monat in Wittenberg und während der restlichen Zeit zu Hause am Computer. Die Katalogisierung der etwa 1650 Münzen und Medaillen, ohne Berücksichtigung der Dubletten (die Sammlung des Lutherhauses umfasst insgesamt über 3200 Stücke, einschließlich der Dubletten und einer Reihe von Münzen und Medaillen, die nicht zu den Reformationsmünzen und -Medaillen gehören) geht zügig voran.
Ich hoffe, den Bestandskatalog in den nächsten vier oder fünf Jahren vollenden zu können. Nach dem Tod meiner Ehefrau 2008 ist es mir nicht mehr möglich, soviel Zeit wie bisher dieser Aufgabe zu widmen. Trotzdem bin ich zuversichtlich, den Katalog vollenden zu können. Mit Gottes Hilfe hoffe ich, den Katalog 2015 oder 2016, in Vorbereitung des 500. Jahrestags des Beginns der Reformation, herausgeben zu können.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
IARCM: Wie ist es für Sie möglich, so einen umfangreichen Katalog herzustellen, der Kenntnisse auf so vielen verschiedenen Gebieten verlangt?
K.-P. Brozatus: Es gibt viele Fragen beim Katalogisieren der Luther- und Reformationsmünzen und -Medaillen, die ich selbst nicht angemessen beantworten kann. Das betrifft besonders die Gebiete Geschichte, Theologie und Latein. (Meine einzige Beziehung zu Latein war der Unterricht im Gymnasium). So habe ich mit Dr. Markus Altmeyer, einem Dozenten der Universität Potsdam, einen Mitstreiter für Übersetzungen lateinischer Texte zur Seite. Bei historischen Fragen unterstützt mich der Direktor des Museums Sterbehaus Martin Luthers in Eisleben, Dr. Christian Philipsen. Der Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Dr. Stefan Rhein hat stets ein offenes Ohr für alle meine Fragen. Und für theologische Fragen habe ich in Dr. Rainer Opitz einen Freund in Potsdam, der das Projekt in jeder Hinsicht wohlwollend unterstützt.
IARCM: Können Sie die Anzahl der auf Martin Luther und die Reformation im Verlauf von fast 500 Jahren gefertigten Münzen und Medaillen in etwa einschätzen?
K.-P. Brozatus: Ich vermute, dass mehr als 95 % aller Münzen und Medaillen auf Martin Luther und die Reformation in Deutschland hergestellt wurden. Andere wurden in der Schweiz, in Schweden, Frankreich, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten hergestellt. In Großbritannien hat sich die Reformation in ganz anderer Form als anglikanische Staatskirche entwickelt. Daher gibt es verhältnismäßig wenig britische Reformationsmedaillen. Andere Länder, die nur wenige Medaillen auf die Reformation hergestellt haben, sind unter anderen Ungarn, die Tschechoslowakei und Polen.
Meiner Meinung nach gibt es etwa zwischen 6.000 und 8.000 Reformationsmünzen und -Medaillen, einschließlich Medaillen auf Reformatoren (z.B. Philipp Melanchthon, Jean Calvin und andere, um nur ein paar Beispiele zu nennen), auf evangelische Kirchen und Organisationen, Hochschullehrer und andere, mit der Reformation unmittelbar im Zusammenhang stehende Persönlichkeiten (z.B. Daniel Friedrich Schleiermacher, Dietrich Bonhoeffer und so weiter).
IARCM: Welches Jahrhundert, denken Sie, war die „Blütezeit“ der Reformation aus numismatischer Sicht?
K.-P. Brozatus: Vielleicht das 16. Jahrhundert oder das 18., nicht aber das 17. Jahrhundert waren die besten Jahrhunderte für Münzen und Medaillen auf Martin Luther und die Reformation. Während des Dreißigjährigen Krieges gab es in den Jahren 1617, 1630 und 1655 jeweils nur wenige Münzen und Medaillen, die meisten davon vom Kurfürstentum Sachsen ausgehend. Auch das 19. Jahrhundert war mehr durch seine Massenproduktion von Medaillen bestimmt denn durch deren künstlerische Bedeutung. Heute haben wir ein neues Phänomen mit dem Neuaufleben der Kunstmedaille im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts zu verzeichnen.
IARCM: Wie unterscheiden Sie zwischen Münzen und Medaillen auf die lutherische Reformation und denen auf die Person Martin Luthers?
K.-P. Brozatus: Bis 1846 gab es keine Medaillen – mit Ausnahme weniger Stücke auf seinen Tod 1546 –, die sich auf das Leben Martin Luthers bezogen. Zwar wurde er vielfach auf Medaillen dargestellt, aber immer nur im Zusammenhang mit anderen Ereignissen. Das änderte sich 1846 anlässlich seines 400. Todestages. Von nun an erschienen zum Teil in größerer Vielfalt (so besonders 1883 auf seinen 400. Geburtstag) Medaillen, die in direktem Zusammenhang mit Luthers Leben und Wirken standen. Diese Entwicklung setzt sich bis heute fort.
IARCM: Können Sie, Herr Brozatus, vier oder fünf hervorragende Münzen oder Medaillen auf Martin Luther und die Reformation bezüglich ihrer Schönheit oder des historischen Hintergrunds des Stückes oder der Kunst des Medailleurs anführen?
K.-P. Brozatus: Das ist eine sehr schwierig zu beantwortende Frage. Jede Kunstepoche von der Renaissance, dem Barock, dem Klassizismus bis zur Moderne brachte mitunter hervorragende Medaillen hervor.
In der Zeit der Renaissance schuf einer der berühmtesten deutschen Medailleure, der Leipziger Goldschmied Hans Reinhardt der Ältere, 1544 die so genannte Dreifaltigkeitsmedaille. Sie bezog sich auf den Versuch des sächsischen Herzogs Moritz einer Wiederherstellung einer einigen Kirche.
1717, in der Zeit des Barocks, schuf der Gothaer Medailleur Christian Wermuth eine Medaille mit der Darstellung des Traums des sächsischen Kurfürsten Friedrichs III., des Weisen, in der Nacht vom 30. zum 31. Oktober 1517. Auf der nur 44 mm großen Medaille ist die Entwicklung der Reformation von der Verbrennung des tschechischen Reformators Jan Hus bis zum Wittenberger Thesenanschlag anschaulich dargestellt.
Eine 140 mm große Medaille des Jahres 1917 von Martin Götze widmet sich dem Thema „Luther als Reformator des Familienlebens“. Luther erscheint hier als Laute spielender Familienvater im Kreise seiner Familie.
Es gäbe noch viele Medaillen, deren Besprechung sich hier lohnen würde. Sie würden jedoch den Rahmen dieses Interviews sprengen. In dem von mir in Arbeit befindlichen Katalog finden sich dazu zahlreiche Beispiele.
IARCM: Herr Brozatus, ich danke Ihnen für dieses Interview.
Klaus-Peter Brozatus ist im September 2020 verstorben und hinterlässt eine große Lücke in der reformationsgeschichtlichen Numismatik. Hier lesen Sie den Nachruf von Thomas Arnold und Uta Wallenstein.
Die Website der Internationalen Gesellschaft für Münzen und Medaillen der Reformation (IARCM-IGMMR) finden Sie hier.
In der MünzenWoche haben wir den Katalog Reformatio in Nummis sowie den gleichnamigen Katalog zur Sammlung Rainer Opitz ausführlich vorgestellt.